6847115-1976_27_04.jpg
Digital In Arbeit

Konjunktur mit Stolperdrähten

Werbung
Werbung
Werbung

Das Institut für Wirtschafteforschung hat seine Konjunkturprognose für dieses Jahr kräftig nach oben revidiert. Nunmehr soll das Brutto-nationalprodukt real um 4 Prozent, nominell gar um 10 Prozent zunehmen. Damit wird selbst das traditionell optimistische, weil besonders regierungsfreundliche Ford-Institut

übertrumpft, das eine Prognose auf nur 3,2 Prozent riskiert. Die Gründe für diesen Optimismus? • International wird ein massiver Konjunkturaufschwung erwartet, der in der OECD, dem Hauptabsatzgebiet Österreichs, nicht weniger als 5,5 Prozent im Durchschnitt ausmachen soll.

• Gute Entwicklung der Beschäftigtensituation im Inland, wieder zunehmende Konsumfreudigkeit.

• Günstigere Exportchancen.

• Erwartung erhöhter Investitionsbereitschaft der Unternehmer infolge gebesserter in- und ausländischer Absatzverhältnisse.

Allerdings kommt die Prognose nicht darum herum, auch auf einige Stolperdrähte der Konjunktur hinzuweisen, welche den zu erwartenden Aufschwung nur allzu leicht zu Fall bringen könnten:

Die Verbraucherpreise werden — sogar auf Grund der optimistischen Erwartungen der Wirtechaftefor-scher — um nicht weniger als 7,5 Prozent ansteigen, wobei es zweifelhaft ist, ob diese Grenze gehalten werden kann.

Die Importe stiegen bisher bei weitem stärker als die Exporte. Es ist zu befürchten, daß die Diskrepanz zwischen den beiden Handelsströmen noch größer sein wird, als das Institut für Wirtschaftsforschung annimmt.

Der Exportanstieg beschränkte sich bisher weitgehend auf Grundstoffe und Nahrungsmittel. Die konjunkturentscheidenden Industrieexporte stagnieren nach wie vor. Die terms of trade — die Relation zwischen Export- und Importpreisen — verschlechtern sich infolge von steigenden Preisen für Importwaren, spe-

ziell für importierte Rohmaterialien, permanent.

Von der Expansion des privaten Konsums dürfte in erster Linie der Import profitieren, da sich die zusätzliche Nachfrage speziell auf Autos, Benzin und Auslandsreisen konzentriert. Sogar auf Grund der optimistischen Prognose des Wirtschaftsforschungsinstitutes wird das Handelsbilanzdefizit 1976 gegenüber 1975 um nicht weniger als 36 Prozent auf 40,8 Milliarden Schilling ansteigen.

Die Bilanz der laufenden Transaktionen — Handelsbilanz, Dienstleistungsbilanz, Bilanz der Transferleistungen — wird sich sogar um 128 Prozent auf 12,3 Milliarden Schilling erhöhen. Die österreichische Auslandsverschuldung wird um 11 Milliarden Schilling zunehmen.

Die internationale Konjunktur belebt sich zwar, a,ber die Preise für Finalprodukte — wie sie Österreich primär zu offerieren hat — sind nach wie vor gedrückt —, mit Ausnahme ausgerechnet der Autos, welche in Österreich nicht produziert werden, deren Import aber gerade in diesem Jahr Rekordniveau erreicht.

Hingegen steigen die Preise der Rohstoffe, welche Österreich zum größten Teil importieren muß. Auch bei Erdöl werden wir um die schon lang angekündigte Preiserhöhung letzten Endes nicht herumkommen.

Die österreichische Wirtschaft muß daher importierte Vormaterialien immer höher bezahlen, kann aber für exportierte Finalprodukte keine oder nur bei weitem geringere Preiserhöhungen durchsetzen. Dieses Problem allein wäre vielleicht ge-

rade noch mit Hilfe von Rationalisierungsmaßnahmen zu bewältigen, jedoch kommen noch weitere Belastungen hinzu — nämlich die Steuer-, Gebühren- und Tariferhöhungen, welche die Regierung in diesem Jahr bereits durchgesetzt hat, beziehungsweise noch plant, sowie die Lohnforderungen, welche im Hinblick auf die — an sich noch so prekäre — Konjunktur schon wieder massiver werden. Die, Kostenentwicklung im Inland wird dafür entscheidend sein, ob sich die Exporthoffnungen der Konjunkturforscher realisieren lassen.

Die Ertragssituation dürfte jedenfalls keine entscheidende Besserung erfahren, was die erwartete Zunahme der Investitionstätigkeit in Frage stellt. Die Konsumbelebung hingegen ist ein zweischneidiges Schwert. Abgesehen davon, daß sie nur sehr beschränkt der Inlandsproduktion zugute kommt, ist eine Reduktion der Sparquote — entgegen der gegenwärtig forcierten Tendenz — schon angesichts der noch immer viel zu hohen Inflationsrate alles andere als wünschenswert.

Überhaupt ist die Inflation — neben dem Außenhandels- und Budgetdefizit — das Haupthandikap für einen Konjunkturaufschwung. Sollte die Geldentwertung — in Österreich wie anderswo — wieder zunehmen, statt rückläufig zu sein, werden bald wieder antiinflationistische Maßnahmen, welche zugleich konjunkturdämpfend wirken, notwendig sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung