7020064-1988_41_11.jpg
Digital In Arbeit

Konkurs im Kino

Werbung
Werbung
Werbung

Nörgler machen den österreichischen Film zu einem im eigenen Land belächelten Randbereich der für viele nur durch Theater und Musik repräsentierten Kunstszene. Osterreich ist im Vergleich zum internationalen Standard sicherlich ein Filmentwicklungsland. Eine staatlich organisierte Subventionsvergabe gibt es erst seit 1981 (in Frankreich seit den dreißiger Jahren). Aufgrund des Filmförderungsgesetzes von 1980 wurde der „Filmförderungsfonds“ gegründet. Er erhält seine Mittel vom Finanzministerium, ohne weisungsgebunden zu sein. Zuvor wurden nur vereinzelt Steuergelder durch das Bundesministerium für Unterricht und Kunst ins Filmemachen investiert.

Da litt der Film noch unter der Typisierung, die von den süßen Ausstattungsfilmen der fünfziger Jahre ausging. Bis heute kann sich das Publikum zum Teil keinen intelligenten, ästhetischen österreichischen Film vorstellen. Die „Alpensaga“ (von Peter Tur-rini, Wilhelm Pevny und Dieter

Berner) oder auch „Kassbach“ (1979) von Peter Patzak fielen wie Sternschnuppen vom Himmel. Beobachter meinen, erst in den letzten Jahren habe sich bei den Österreichern allmählich ein Verständnis für den Film entwickelt.

Anfang der achtziger Jahre kam mit der gesetzlich bedingten Zäsur eine neue Aufgabenverteilung. Die „Förderung von Projekten größeren Umfangs“, also vor allem von Spielfilmen, obliegt seither mit einem Budget von etwa 43 Millionen dem Filmförderungsfonds. Ein Beirat entscheidet hier über die Vergabe der Mittel. Hat er ein eingereichtes Projekt akzeptiert, so wird nach dem Film- und Fernsehabkommen mit dem ORF wieder ein Gremium eingesetzt, das über eine eventuelle Mitfinanzierung durch das Fernsehen (jährlich etwa 20 Millionen) befindet. . Das Bundesministerium für Unterricht und Kunst kümmert sich im besonderen um Avantgarde-, Experimental- und Dokumentarfilme sowie um Erstlingswerke und Videoproduktionen. Für diese Filme werden etwa zehn Millionen, für Videos etwa zwei Millionen aufgebracht.

Der von der Stadt Wien finanzierte Fümförderungsfonds, der ausschließlich Spielfilme mit einem für Wien interessanten Thema subventioniert und die einzige Länderförderung darstellt, kann mit einem Budget von fast fünf Millionen nur bereits vorhandene Gelder von Bund und Fonds aufstocken. Trotz aller Bemühungen und eines mit 1. Jänner 1988 novellierten Gesetzes - der Fonds hat nun auch eine beratende Funktion

— will der Ruf nach mehr nicht verhallen.

Insider lancieren deshalb Kultursponsoring durch Privatpersonen oder Firmen. Die Angebote sind derzeit allerdings dürftig. Niki List, wegen der Publikumsresonanz von „Müllers Büro“ der erfolgreichste österreichische Regisseur seit gut zwanzig Jahren -in Osterreich und in Deutschland wurden je fünfhunderttausend Besucher geschätzt -, praktizierte in seinem letzten Film „Sternberg

- Shooting Star“ (1988) eine Form des „ProductPlacement“, also der sichtbaren Werbung. Eine Möbelfirma und eine Supermarktkette haben, so List im Gespräch mit der FURCHE, dem Filmteam nicht mit Bargeld, sondern durch die begünstigte Zur-Verfügung-Stellung von Kulissen geholfen.

Jeder Filmschaffende muß sich die im allgemeinen fehlende Infrastruktur für seinen Film selbst schaffen. Kein Wunder, im Herbst 1987 wurde die Wien-Film verkauft. Damit gibt es nur noch im ORF Studios für Innenaufnahmen.

Obwohl man auf dem internationalen Filmmarkt den Konkurs anmelden könnte, haben Regisseure wie Ferry Radax, Kurt Kren, Peter Kubelka, Peter Wei-bel und auch die von Kritikern verpönte Valie Export einen jungen, geistig produktiven österreichischen Film entscheidend beeinflußt. Wenn auch nur fünf bis sechs Filme im Jahr produziert werden, die Ergebnisse können sich sehen lassen.

Allerdings scheinen sie im Kino und bei der Kritik nur dann zu reüssieren, wenn man sich der eigenen Identität bewußt wird und ein typisches Österreich ohne Klischees darstellt. Aus diesem Grund waren die eher herkömmlich gestalteten Torberg-Verfilmungen von Wolfgang Glück, „Der Schüler Gerber“ (1981) und „38 - Auch das war Wien“ (1986), Axel Cortis „Welcome in Vienna“ (1985) recht erfolgreich, aber auch „Raffl“ (1984) von Christian Berger, der sich einer neuen Filmsprache bedient. Die historische Episode aus dem Tiroler Freiheitskampf über Andreas Hofers Verräter Franz Raffl wäre ein Beweis, daß die Bundesländer hier eine ortsbezogene Kunst, eine Verfilmung ihrer eigenen Geschichte finanzieren könnten. Selbst „Schmutz“ (1986) von Paulus Manker ist in seiner kafkaes-ken Darstellung des Beamtenstaates ein zynischer, aber typisch österreichischer Film.

Nicht für alle Mängel ist allerdings das fehlende Geld verantwortlich zu machen. Dialoge wie in Houchang Allahyaris „Borderline“ (1988) wirken hölzern, vielleicht auch deshalb, weil es in Österreich nur wenige für den Film geeignete Schauspieler gibt, Paulus Manker, Hanno Pöschl, Gabriel Barylli etwa. Das hat wiederum die am Theater orientierte Ausbildung in der Theaterstadt Wien zur Ursache und die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten für auf den Film spezialisierte Schauspieler.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung