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Konsenspolitik für die Wirtschaft

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Die FURCHE hat Manager in führender Position eingeladen, ihre Vorstellungen über die zukünftige Wirtschaftspolitik zu äußern. Im folgenden Beitrag nimmt ein Vorstandsmitglied von Persil Stellung.

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Die FURCHE hat Manager in führender Position eingeladen, ihre Vorstellungen über die zukünftige Wirtschaftspolitik zu äußern. Im folgenden Beitrag nimmt ein Vorstandsmitglied von Persil Stellung.

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Selbst für gut geführte und am Markt erfolgreiche Unternehmen haben sich die ökonomischen Rahmenbedingungen seit etwa einem Jahr so dramatisch geändert, daß viele Unternehmen gut daran täten, ihre Unternehmensstrategie und vor allem ihre langfristige Mitteleinsatzplanung gründlich zu überdenken.

Genauso wichtig wie die notwendigen Optimierungsansätze im mikroökonomischen Bereich wären umfassende, konsequent durchgezogene Konzepte auf volkswirtschaftlicher Ebene oder noch höherer Aggregationseinheit.

Was sind nun die neuen Phänomene, die sowohl im Unternehmensbereich als auch für die gesamte Volkswirtschaft zu geänderten Rahmenbedingungen führen?

# Durch die von verschiedenen Seiten in Frage gestellte „Konsumideologie” steigt das Segment der kritischen Konsumenten. Diese Gruppe bewertet bei vielen herkömmlichen Produkten den Preis überproportional und akzeptiert durchaus geringe Qualitätsabstriche. Bei Produktinnovationen ist diese Käufergruppe oft sehr kritisch. Da diese Konsumkritik überproportional bei Meinungsführern ausgeprägt ist, kann eine weitere Verbreitung dieser Haltung prognostiziert werden.

• Die Erhöhung der Faktorkosten—besonders Kapital, Energie, aber auch der direkten und indirekten Personalkosten — verteuert die Produktion in einem Ausmaß, daß auch Konsumenten, die nicht aus ideologischen Gründen kritisch und eher preisbewußt sind, aus ökonomischen Gründen weniger und billigere Produkte kaufen.

• Darüber hinaus wird das für den Konsum verfügbare Einkommen durch die steigende Steuerquote zusätzlich eingeengt.

# Allein schon aus den drei oben genannten Punkten ist daher mit einer Nachfrageschwäche auch für die nächsten Jahre zu rechnen, da die negativen Einflußfaktoren schwer zu ändern sind. „Konsumklima ist nicht mehr jn^ die Gesellschaft ist reich genug, sich nicht-wirtschaftlichen Lebenszielen in stärkerem Ausmaß zu widmen”.

In dieser Situation gibt es mindestens zwei alternative Reaktionsmodelle: Entweder es wird die Richtigkeit der konsumkritischen Einstellung überprüft und teilweise revidiert oder Wirtschaft und Staat müssen sich noch stärker auf den kritischen Konsumenten einstellen und neue Anpassungsstrategien entwickeln.

Die erste Alternative geht davon aus, daß wirtschaftliche Ziele als Folge der stärker werdenden wirtschaftlichen Probleme wieder einen höheren Stellenwert im Gesamtzielsystem der Gesellschaft bekommen.

In diesem Modell, das gegenwärtig am reinsten in Japan realisiert wird, ist also das Ziel stärkeres Wirtschaftswachstum von zentraler Bedeutung, weil angenommen wird, daß dadurch am ehesten allzu große soziale Spannungen in der Gesellschaft - ausgelöst vor allem durch Massenarbeitslosigkeit - verhindert werden können.

Die Konsequenzen wären bewußte Förderung der Wirtschaftsinteressen und zwar ideologisch wie monetär durch den Staat. Allgemein ausgedrückt: Unternehmer würden wieder zu mehr unternehmerischen Aktivitäten animiert, weil erstens eine prestigemäßige Aufwertung der Bedeutung wirtschaftlichen Interessen einsetzt und zweitens unternehmerische Aktivitäten wieder mehr Ertrag brächten.

Die zweite Entwicklungsvariante hätte die „Konsumvernunft” im Zentrum ihres Zielsystems.mit der Konsequenz, wirtschaftliche Aktivitäten zu „entschlacken”. Weniger neue Produkte würden auf den Markt kommen, die alten Produkte würden mit weniger Marketingaktivitäten und niedrigerem Preis verkauft, die gesamte betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Wertschöpfung würde reduziert.

Für einen Staat mit hoher Autonomie wäre dieses Modell realisierbar. Für Österreich scheitert diese „vernünftige Verarmung” aber wahrscheinlich an der hohen Importabhängigkeit, insbesondere im Energiebereich — abgesehen vom grundsätzlichen Problem, daß weite Schichten der Bevölkerung Einkommenseinbußen nicht akzeptieren würden.

Darüber hinaus ist eine von allen akzeptable „Neuverteilung der Arbeitsmenge” bei reduziertem Einkommen und Arbeit wahrscheinlich ein äußerst schwer lösbares Problem. Dieses Modell setzt starke zentralisti-sche Steuerung voraus und entspricht etwa den Vorstellungen der skandinavischen und französischen Sozialisten.

Beide Alternativen würden in Österreich zu relativ starken Spannungen und Gegensätzen in der Gesellschaft führen, weil „Verlierergruppen” identifiziert werden. Im ersten Fall verlieren vereinfacht ausgedrückt die Grünen, im zweiten Fall alle, die wirtschaftlichen Zielen einen realtiv hohen Stellenwert einräumen.

Da sich nun eine demokratische Gesellschaft keine zu starke Diskriminierung einzelner Interessengruppen leisten kann, wird keine der beiden oben erwähnten Alternativen einen eindeutigen Sieg davontragen, sondern es wird zu Kompromissen, im Idealfall über weite Strecken sogar zu einem Konsens kommen.

Die Konzipierung dieser dritten Alternative, eines Konsensmodells, wird die Hauptaufgabe der Politik und der wirtschaftlichen Führungsgremien in den 80er Jahren sein. Dabei wird es stärker als je in der Vergangenheit darauf ankommen, sich mit der gestiegenen Komplexität des Gesamtsystems zu beschäftigen.

Problemverständnis, aber vor allem auch Dialogbereitschaft der Gruppen, die unterschiedliche Interessen vertreten, werden die entscheidenden Voraussetzungen sein, einzelne tendenziell auseinanderdriftende Gesellschaftsgruppen wieder näher zu bringen.

Dr. Klaus Morwind ist Marketing-Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung der Persil -GmbH. Bisher erschienen Beiträge in dieser Serie in FURCHE Nr. 47/81 und 19/82.

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