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Konservative an die Macht?

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Seit Mittwoch gibt es - endlich -klare Verhältnisse in bezug auf Neuwahlen in Großbritannien; die Zeit des Lavierens mit wechselnden Mehrheiten, Zweckkoalitionen und regionaler Kuhhändel ist vorbei.

Premier Callaghan, der lange schon über keine echte und verläßliche Mehrheit im Unterhaus verfügt, wurde durch das erste erfolgreiche Mißtrauensvotum seit 55 Jahren dazu gezwungen, was ihm Parteifreunde schon seit Monaten geraten haben.

Der Wahlkampf läuft ohnehin schon seit Monaten auf Hochtouren, denn spätestens für Oktober hätte Callaghan Wahlen ausschreiben müssen; die „Vorverlegung“ auf den 3. Mai ist weder eine echte Überraschung für die Wähler, noch trifft sie die Parteisekretariate unvorbereitet. Doch gibt es innerparteiliche Kritik an Callaghan, der - nach Meinung von Wahlstrategen - im Oktober letzten Jahres bereits wählen hätte lassen sollen.

Damals zögerte der Regierungschef, und wenig später war die Regierung bereits wieder mit den Gewerkschaften beschäftigt. Obwohl Callaghan das Risiko kannte, den durch Lohnzuwachsbegrenzung einerseits und zweistellige Inflationsraten anderseits beunruhigten Gewerkschaften nochmals einen streiklosen „Durchhaltewinter“ zuzumuten, ließ er die Dinge treiben.

Die Konfrontation war total und räumte mit der Legende auf, daß nur Labour-Regierungen mit den Gewerkschaften fertig werden könnten. Auf Grund der letzten Ereignisse gibt es für den britischen Wähler kaum einen Grund mehr, zur Erhaltung des sozialen Friedens die Konservativen nicht zu wählen; ein Umdenken, das auch in den Ergebnissen der Meinungsforschung deutlich wird. Dies ist um so bemerkenswerter, als es bei der Bevölkerung auf Grund der winterlichen Streikorgie zu einer gewissen Besinnung gekommen ist; daß viele einen härteren Kurs gegenüber den Gewerkschaften befürworten.

Margaret Thatcher, die konservative Parteichefin, hegt mit ihren Vorschlägen für eine gesetzliche Kontrolle der Gewerkschaftsmacht genau richtig.

Callaghan war - trotz intensiver Bemühungen - nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Probleme der Insel zu lösen: gewerkschaftlicher Gruppenegoismus, überkommene Strukturen und Resignation machen strukturpolitische Reformen zunichte.

Dazu kommt, daß die Labour-Regierung auch in ihrer Regionalpolitik (Teilautonomie für Schottland und Wales) Schiffbruch erlitt, die Irlandfrage nach wie vor schwelt und eine Reihe anderer Probleme (Jugendarbeitslosigkeit, Vandalismus, Radikalisierung in der Rassenfrage usw.) noch ungelöst sind.

Die Wähler sind teilweise verstört und verunsichert, sie fürchten - so der ehemalige Labour-Außenminister Chalfdnt - von der Sowjetunion als ein Volk angesehen zu werden, das „die Entschlußkraft, sich zu verteidigen, verloren hat und nach Belieben herumgestoßen werden kann.“ .

Die Wähler werden diesmal die Wahlprogramme genau prüfen, darin sind sich Experten einig. Das bedeutet jedoch auch, daß Wahlprognosen mit noch größerer Vorsicht als bisher zu interpretieren sein werden, denn zu vieles ist in Bewegung geraten.

Derzeit prophezeien alle Meinungsforscher einen soliden Sieg der Konservativen, sollten sie recht behalten, dann würde Margaret Thatcher die erste Regierungschefin Europas. Das gute alte (und angeblich stock-konservative) England ist also immer noch für Überraschungen gut.

Unklar ist auch, welche Rolle die Liberalen in Hinkunft spielen werden; daß diese Partei lange Zeit durch stillschweigende Duldung die Minderheitsregierung Callaghan ermöglichte, wurde ihr bei diversen Regionalwahlen nicht gedankt; auch der skandalumwitterte Prozeß um den ehemaligen Parteichef Thorpe hat keine Sympathien gebracht. Dazu kommt, daß sich das Interesse des Wählers vor allem auf die große Oppositionspartei konzentriert; kein Wunder, daß Steel versucht, seine Partei als „ausgleichende Kraft“ zu profilieren.

Das Mißtrauensvotum hat für einen verkürzten Endwahlkampf gesorgt; lediglich ein Monat steht zur Verfügung. Da es jedoch vor allem für die beiden Großparteien um eine entscheidende Weichenstellung für die nächsten Jahre geht, ist ein äußerst heftiger und harter Wahlkampf zu erwarten.

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