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Konservativer Erneuerer und politischer Moralist

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Wenn man ihm begegnet, ist man von seiner körperlichen Vitalität, dem klaren, stets gebräunten Gesicht und seiner Offenheit für das Schöne und Geistige beeindruckt. Josef Klaus — ein Fünfundsiebziger! Die äußere Erscheinung verrät nichts davon, allein der Geburtsschein bestätigt es.

Sein spontaner und von manchen bedauerter Rückzug aus der Politik vor 15 Jahren hat keinen „Pensionsschock” ausgelöst. Josef Klaus beweist vielmehr anschaulich, daß er auf das Lebenselixier der Politik nicht angewiesen ist. Ihn halten seine Neigung zur Kunst und Kultur, die Lust am Reisen, der Hunger zu lesen und manchmal zu schreiben jung.

Es ist eine bemerkenswerte Feststellung, daß ein Politiker, der die Politik liebte und mit ihr jahrzehntelang hautnah verbunden war, in einem späteren Lebensabschnitt diese Kraft für sein Jungbleiben in anderen Lebensbereichen findet.

Wer war Josef Klaus? Was bedeutete seine Ära? Eine Umfrage bei den Erstwählern der kommenden Jahre würde sicher ein gewaltiges Maß an Unkenntnis offenbaren.

Ist dies ein Mangel an politischer Bildung oder eher Symptom für die Schnellebigkeit unserer Zeit, in der nur der zur Kenntnis genommen wird, der am aktuellen Geschehen lautstark teilnimmt?

Klaus war die Personifikation einer entscheidenden politischen Wende in der 2. Republik. Nach zwei Jahren Bundeskanzler der letzten Regierung der Großen Koalition ging er 1966 erstmals den Schritt zu einer Alleinregierung einer Partei.

Der Wähler war der für den Wiederaufbau des Nachkriegsösterreich sicherlich wertvollen Regierungspartnerschaft der beiden Großparteien überdrüssig geworden. Versteinerung,

Schwerfälligkeit und Proporz ohne Ende waren Markenzeichen des politischen Systems.

Mit Klaus verband sich Erwartung und Hoffnung für eine Reform in vielen Dingen: schon 1963 wurde er in Klagenfurt als Exponent des Reformerflügels zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt.

Seine politische Erfahrung wurzelte vor allem in einer allseits anerkannten zwölfjährigen Tätigkeit als Landeshauptmann von Salzburg. Er, der gebürtige Kärntner, war überzeugter Föderalist, nie jedoch Partikularist. Er war der letzte ÖVP-Spitzenpoliti-ker, der von einer erfolgreichen Karriere als Landespolitiker nach Wien ging.

Besonders wohl hat sich Josef Klaus auf dem Wiener Parkett allerdings nie gefühlt. Parteiinterne Intrigen, permanente oppositionelle Attacken, die oft weit unter der Gürtellinie lagen, und ein provokantes Nichtverstehenwollen vieler seiner Ideen und Intentionen machten ihm das Leben schwer. Seine hohen moralischen Ansprüche, die er mit dem Amt des Politikers verband, waren in seiner katholischen Uberzeugung und in seinem humanistischen Bewußtsein begründet.

Seine persönliche Integrität war seinen Gegnern stets ein Dorn im Auge. Sie in Frage zu stellen, gehörte zu ihrer Taktik. Mit einer Kampagne wegen „Grundstücksaffären” versuchte man sie, unter Einsatz eines Boulevardblattes, das heute längst vom Zeitungsmarkt verschwunden ist, anzukratzen.

Zurückblickend scheint dieser Versuch eher ein läppisches Unterfangen gewesen zu sein, im besondern, wenn man an die Korruptionsdiskussionen denkt, die heute zur Tagesordnung gehören und die eigenartige Maßstäbe von politischer Moral und Verantwortung offenlegen.

Josef Klaus war ein konservativer Erneuerer. Als er im Frühjahr

1966 die erste ÖVP-Alleinregie-rung anführte, war sein Elan spürbar. Er suchte nach neuen Formen der Politikgestaltung.

Seine regelmäßigen Zusammenkünfte mit Wissenschaftern aus bestimmten Disziplinen waren keine vordergründigen Versuche eines Politikers, sich an die Wissenschaft anzubiedern. Sie waren vielmehr respektable Bemühungen, die Wissenschaft als Gestaltungsfaktor näher an die Politik zu bringen.

Schließlich war auch die „Aktion 20” - trotz ihres baldigen Endes — der bedeutendste Versuch einer neuen Form der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik, der in diesem Ausmaß nicht mehr wiederholt werden konnte.

Sein Postulat nach „Sachlichkeit der Politik” wurde oft mißverstanden. Er verstand es nie als Plädoyer für die Technokratie, sondern verlangte damit einen neuen Regierungsstil für unser Land, in dem persönliche Uberzeugung und Weltanschauung die prägenden Elemente sein sollten.

Ein Kapitel seiner Erinnerungen „Macht und Ohnmacht in Österreich” trägt die Uberschrift „Reformer zwischen Sachlichkeit und Messianismus”, eine im Grunde zutreffende Beschreibung des Spannungsfeldes, in dem sich der Politiker Josef Klaus bewegte.

Die zeitgeschichtliche und publizistische Analyse hat bisher nur in bescheidenem Ausmaß darzustellen versucht, warum dem hoffnungsvollen Aufschwung des Jahres 1966 das enttäuschende Ende des Wahlergebnisses im Jahr 1970 folgte. Die Gründe dafür liegen in vielem.

Die seit 1968 immer wieder herumgeisternde „Hofübergabe” hat Unsicherheit, Skepsis und einen Verlust des Selbstvertrauens bewirkt. Die Lösung von manchen sachpolitischen Problemen wurde zwar in Angriff genommen, aber man blieb oft auf halbem Weg stehen.

Josef Klaus zog, wie es seine Art war, aus der Wahlniederlage des Jahres 1970 die Konsequenzen: er ging aus der Politik. Viele meinen noch heute, daß er damit seiner Partei keinen guten Dienst erwiesen habe.

Wie es auch sei: seine persönliche Haltung hat immer Respekt verdient. Er hat vielen Leuten seiner Umgebung den Weg in eine politische Zukunft eröffnet. Die Namen Josef Taus, Stephan Koren und Alois Mock sind ein Beweis dafür.

Vor kurzem schrieb ein Kolumnist einer österreichischen Tageszeitung, daß unsere Zeit einen merklichen Bedarf nach Politikern von der charakterlichen und politischen Qualität eines Josef Klaus hätte. Das sollte nachdenklich stimmen.

Der fünfundsiebzigste Geburtstag des früheren Landeshauptmannes, Finanzministers und Bundeskanzlers müßte zu mehr Anlaß sein als zu konventionellen Würdigungen. Josef Klaus war in vielem bekenntnishaft: in seinem Eintreten für ein echtes Verfassungsbewußtsein und die Sicherung des Rechtsstaates, in seinem Glauben an die europäische Aufgabe und in seinem Verlangen nach unverzichtbaren moralischen Standards in der Politik.

Die Politiker von heute wären gut beraten, wenn sie Josef Klaus und seine Ära nicht nur den Zeithistorikern überließen, sondern sich selbst mit dem Gedankengut und dem Politikverständnis dieses Mannes stärker beschäftigen würden.

Der Autor ist Abgeordneter zum Nationalrat der OVP.

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