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Kontoauszüge statt Investition?

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Die meisten österreichischen Privatkreditnehmer haben dieser Tage einen Computerbrief ihres Geldinstituts bekommen, in dem ihnen, volkswirtschaftlich verbrämt, lapidar mitgeteilt wird, daß man gezwungen sei, die Verzinsung Tür den laufenden Kredit anzuheben.

Abgesehen davon, daß die Begründung mit der restriktiven Geldpolitik der Nationalbank und einer allgemeinen Liquiditätscngc nicht die volle Wahrheit ist, machen diese Briefe wieder einmal deutlich, in welch unhaltbare Situation man sich an der Zinsenfront manövriert hat: Die überzogene Wettbewerbspolitik der Banken auf der Einlagenseite führt zur gnadenlosen Überwälzung der Kosten auf die Kunden dort, wo es praktisch keinen Wettbewerb gibt, nämlich bei den Krediten. (Dank der staatlichen Kreditgebühr steht ja die Möglichkeit, mit seinem Kredit zu einem anderen Institut abzuwandern, nur auf dem Papier.)

Oder anders formuliert: Weil auf der Sollseite (also bei den Krediten) die Inbetriebnahme der Textverarbeitung genügt, um höhere Erträge einzuspielen, können sich die Geldinstitute im Kampf um die Ha-ben(=Einlagen)kundschaft so gut wie jede Narretei leisten.

Denn was anderes als Narretei kann es sein, wenn selbst Stammkunden, deren Bonität außer Frage steht, bei einer Inflationsrate um die sieben Pro-

,zent für einen besicherten Privatkredit 14 Prozent Zinsen zu

• zahlen haben; wenn in ländlichen Gebieten, wo das örtliche Geldinstitut eine dominante Stellung hat, 21 Prozent Effektivverzinsung verrechnet werden? (Das sind doch Zinssätze, die man bislang nur im Zusammenhang mit den zu Recht von den Geldinstituten bekämpften Kredithaien kannte!)

Und wenn dann auf der anderen Seite auf dem Wiener Platz für täglich fällige 100.000 Schilling neun Prozent Zinsen, für nur einige Monate gebundene Firmeneinlagen in der Größenordnung von 30 Millionen Schilling 12 und 13 Prozent Zinsen gezahlt werden?

Das sind Renditen, die sich auf dem produktiven Sektor nur in Ausnahmefällen erwirtschaften lassen. Und das ist das eigentlich Bedrohliche an der derzeitigen Zinsschlacht: Daß der Weg zur Bank und nicht die produktive Verwendung des erwirtschafteten Kapitals im eigenen Unternehmen zur Zeit die beste Investition ist. Mit dem Ergebnis, daß sich in einigen Jahren Industriebilanzen wie Bankbilanzen lesen werden.

Das mag die Liquiditätsprobleme des österreichischen Kreditapparats eine Zeit lang lösen. Es löst aber ganz sicher nicht die anstehenden Probleme der österreichischen Volkswirtschaft, deren Wettbewerbsfähigkeit von Investitionen und nicht von Kontoauszügen abhängt.

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