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Kontrolle für die Verstaatlichle

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Privatisierung im eigentlichen Sinn hat bisher in Osterreich Hoch nicht stattgefvmden. Denn Privatisieren kann sinnvollerweise niir bedeuten, daß der Staat seine Eigentümerstellxmg an Private abtritt, ebenso wie der Komplementärbegriff Verstaatlichimg bedeutet, daß die VerfUgimgsgewalt über Unternehmen an den Staat fällt Denn worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, ist die Herrschaft über das Unternehmen (nicht Dividendenzxiflüsse oder Spekulation). Diese ist in der Regel mit der Aktienmehrheit verbunden.

Die bisher in Österreich stattgefundene Teilprivatisierung war hauptsächlich eine fiskalisch moti-

vierte Abgabe von Aktienpaketen an den Steuerzahler. E ine Finanzierungsaktion also, um den chroiüsch defizitären Staatshaushalt avtfzu-bessem, nicht etwa vaa die Herrschaftsverhältnisse zu verändern imd politische Macht abzugeben. Lnmerhin erbrachte dies dem Fiskus bis zum Jahr 1*8 rund acht MiUiarden Schilling an zusätzÜchen Einnahmen.

Darin enthalten sind Erlöse aus dem Verkauf von 15 Prozent der Aktien der ÖMV, etwa 18 Prozent der ÖIAG-AnteUe an Siemens Österreich, etwa 49 Prozent der AUA Anteile und 49 Prozent der Verbundgesellschaft (erst teilbezahlt) imd dem Verkauf einiger kleinerer Unternehmen. Von keinem seiner größeren Unternehmen hat der Bund aber die Mehrheit von zumindest 51 Prozentder Anteileaufgegeben. Nur bei Siemens Österreich, deren Aktien von der ÖIAG gehalten werden, war der Bund auch schon vor der Teüprivatisierung Minderheitsaktionär.

Das volkskapitalistische Argument, wonach in einer Demokratie auch das Volk (eine mögUchst breitgestreute Aktionärsschicht) Eigentümer der größten Wirtschaftskomplexe eines Staates sein soll, spielte in der österreichischen Politik bisher kaum eineRolle. Offenbarnahm man erst gar nicht an, daß Herr und Frau Österreicher daran interessiert seien, Eigentümer der Unternehmen zu sein, in die sie immerhin in der Zeit von 1981 bis 1988 schon 53 Milliarden Schilling zur Verlustabdeckung an Steuergeldem hineingezahlt haben. Und im Jahr 1989 sollen noch sechs Milliarden Schilling dazukommen.

Vor dem fiskalischen und dem („romantisch“) volkskapitalistischen Argument müßte aber eigentlich das betriebswirtschaftliche in der Privatisierungsdebatte .vor^ dringlich sein. Denn letzthch waren es jahrzehntelange betriebswirt-schafthche Fehlentwicklungen, die dazu geführt haben, daß die bestehenden Eigentumsverhältnisse überhaupt Gegenstand einer Debatte sind. Ebenso wie ein privater Eigentümer nach groben Fehlem in der Betriebsführung im Konkurs sein Eigentumsrecht verUert, steht nun žiu- Frage, ob der Staat seine Verfügungsmacht abgeben soll, da er das Vertrauen der Bürger in seine betrieblichen. Führungsqualitäten verloren hat Die Antwort darauf kann nur empirisch gefunden werden.

DieErfahrungen der letzten Jahrzehnte im In- und Ausland haben gezeigt, daß nur durch private Eigentümer und einen funktionierenden Kapitalmarkt sichergestellt werdenkann, daß Betriebe wirklich langfristig orientiert an Wettbewerbsgrundsätzen arbeiten köimen und dadurch auch das volkswirt-schafthche Optimum erzielt wird.

Betriebswirtschaftlich orientierte PersonalpoHtik bedeutet Selektion der Besten zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Bei staatlicher Eigentümerschaft wird daraus aber eine PersonalpoHtik nachpolitischen Zi£lsetzungen (Parteibuchwirtschaft).

Betriebswirtschaftliche Produkt-poUtik bedeutet laufende Produktforschung und Umstrukturierung der Produktion auf neue, zukünftig wettbewerbsfähige Produktlinien. Eine solche Pohtik wird verhindert von Gewerkschaften, die ihre Mitglieder vor vordergründig unangenehmen Maßnahmen, schützen zu müssen glauben. Und die Abgeordneten und Parteien als Vertreter der Eigentümer von Untemehmen sind regelmäßig nicht in der Lage, dem Gewerkschaftsdruck gegen unpopuläre Maßnahmen (etwa Umschulungen, neue Produktionsstandorte) zu widerstehen. Was allerdings dazu führt, daß in der Folge Firmenpensionen lücht mehr bezahlt werden können.

Betriebswirtschaftliches Marketing eines Großkonzems bedeutet schließUch strategische Eroberung von Auslandsmärkten mit neuen Produkten, Gründung von Nieder^ lassungen und Verlagerung von Arbeitsplätzen, ebenso wie es ausländische Untemehmen in Österreich tun. Voraussetzung dafür ist jedoch wieder betriebswirtschafth-che Personal- und Produktpolitik.

“ Sukkurs daraus ist, daß überall dort, wo der Staat Eigentümer (direkt oder indirekt) von Untere nehmen ist, diese zwangsläufig nicht in der Lage sind, nötige Strukturmaßnahmen vorzunehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Selbst weim wir in Österreichteilweise auch unter dem Dmck ausländischer Vorbilder zu der Einsicht gelangt sind, daß pohtische Einflußnahme auf die Betriebsführung eines Industriekonzems schädhch ist, ist diese eben doch wieder eine politir sehe Einsicht, die-mit einer Änderung«, des pohtischen Szenarios unter dem Dmck der Wähler wieder au^egeben werden kann. Daher erscheint als einzige langfristige Lösung die effektive Machtabgabe staathcher Verfügungsgewalt an Private.

Natürhch, so könnte man sagen, würden auch private Großbetriebe mit dem Arbeitsplatzargument den Staat zu Subventionen zwingen können. In wirtschaftlichen Krisensituationen, in echten Ausnahmesituationen wäre dies auch gerechtfertigt. Dies zu verhindern ist nicht Sinn einer echten (Total-)Privati-sierung.

Der erwünschte Effekt privater Eigentümer wäre, das Management der Betriebe unter den Dmck zu setzen, langfristig gewinnorientiert zu arbeiten und dadurch auch ein volkswirtschafthches Optimum zu erzielen. Nur durch den Ansporn, gute Resultate erzielen zu müssen, um seinen Eigentümern Dividenden auszuschütten und durch regelmäßige Rechenschaftspflicht über die Zukunftssicherung im Untemehmen, kann eine strukturelle Versteinerung verludert werden, wie sie in den letzten zwei Jahrzehnten in der verstaathchten Industrie stattfand. Die Defizite der letzten Jahre sind nur Symptom einer jahrzehntelangen Vernachlässigung des Wettbewerbes.

Es ist, als ob man im verstaatlichten Industriebereich auf die Entwicklung neuer Produkte vergessen hätte in der Annahme, daß die alten immer aktuell bleiben würden. Der nervus rerum liegt also im Anpaa-sungsdmck, den Untemehmen haben müssen, um in der Marktwirtschaft bestehen zu können. Dieser Dmck muß auch von außen kommen. Nur dadurch wird das eingeschränkt, was man derzeit als Parteibuchwirtschaft, als Proporzsystem, als politische Packelei in der Öffentlichkeit sosehr kritisiert Dieser Dmck von außen kann aber nur durch einen funktionierenden Kapitalmai^ erzeugt werden.

Hier liegtdas eigentliche Problem der Privatisierungsdebatte. Deim einen lebendigen österreichischen Kapitalmarkt gibt es erst seit kurzem, und er ist bis heute stark beeinflußt von in- und ausländischen institutionellen Investoren.

Viele fürchten daher, daß eine Privatisierung der verstaatlichten Industrie dazu führen würde, daß auch diese Untemehmen als ideale Übemahmeziele - ebenso wie bereits große Teüe der österreichischen Papierindustrie in ausländische Hände fallen würden. Dies köimte man jedoch durch (teilweise) Umwandlung von Inhaberaktien in vinkuüerte Namensaktien (Aktionär kann jemand nur mit Zustimmung derGesellschaft werden)ver-hindem, wie es etwa die Schweiz und Japan praktizieren. Auch das in Großbritannien verwendete Konzept des „golden share“ - mit (befristetem) Vetorecht des Staates wäre denkbar. Voraussetzung für die Zulässigkeiteines Aktienerwerbes wäre die österreichische Staatsbürgerschaft.

Weiters wird oft als Einwand gegen eine Privatisierung eriioben, der Österreicher sei zu risikoscheu, um in höhere Anlageformen wie Aktien undWandelschuldverschrei-bungen anzulegen - besonders in der derzeitigen Situation vieler verstaathchter Untemehmen.

Diesem sicher teilweise berechtigten Argument kann man entgegenhalten, daß die Bereitschaft der Bevölkerung zum Einstieg in höhere Anlageformen durch größeren Wohlstand steigt Zudem wurde durch die Steuerreform die steuer-hche Diskriminierung der Aktie beseitigt.

Durch entsprechende steuerhche Zusatzanreize könnte man die Bereitschaft zum Kauf von Aktien verstaathchter Industrieuntemeh-men noch verstärken. Indem man etwa auch Aktien von verstaathchten Industrieunternehmen wie derzeit junge Aktien behandeln würde, das heißt, die Anschaffungskosten

Wichtige Schubkraft als Sonderausgaben gelten lassen würde und die Erträgnisse auf gewisse Zeit steuerfrei stellt

Nicht zuletzt sind für eine effektive Kontrolle der Untemehmen durch den Kapitalmarkt aber auch ausreichende OffenlegungsVorschriften nötig. Nur dann kann sich der private Investor tatsächUch ein Bild darübermachen, ob das Management zukunftsorientiert arbeitet

Die nötigen Weichenstellungen hiefür werden voraussichtlich im neuen Rechnungslegungsgesetz getroffen, demzufolge für große Untemehmen die Veröffentlichung eines Lageberichtes verpflichtend ist Dieser Bericht, der übrigens einer Überprüfung durch Wirtschaftstreuhänder unterliegt, wird auch Daten über die voraussichtliche Entwicklung des Untemehmens und seine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit enthalten.

Kombiiüert mit einem lebendigen Kapitalmarkt, in dem durch breitgestreuten Aktienbesitz der Effekt eines verstärkten Interesses am österreichischen Wirtschaftsleben und am Schicksal seiner Unternehmen sich von selbst einstellen würde, wird dies dazu beitragen, unserer Wirtschaftauch jene Schubkraft zu geben, die sie benötigen wird, um in Europa konkuiTen:dä-hig zu bleiben.

Der Autor ist Steuerberater in einer internationalen Wirtsdiaftstreuhand-und Untemehmena-bezatungsfinna in Vfiai.

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