7210830-1992_29_14.jpg
Digital In Arbeit

Kontroversiell

Werbung
Werbung
Werbung

Die Literaturkritiker sind sich wieder einmal völlig uneinig: Die „Frankfurter Allgemeine" nennt den Erstroman des Wiener Lyrikers einen .jüdischen Kitsch", der „auf der Ebene des Kolportageromans" anzusiedeln ist. Die „Neue Zürcher Zeitung" hingegen findet „in Robert Schindel einen herausragenden Gestalter", von dessen Buch man „gleich auf den ersten Seiten, ja mit den ersten Sätzen überwältigt wird". Der Frankfurter Rezensent findet den Text pathetisch, phrasenhaft und trivial. Die Zürcher Kritik dagegen wird „durch eine so noch nicht gehörte Sprache" voll von ergreifendem Rhythmus und Bildkraft beeindruckt.

Zu diesem Buch habe ich über Empfehlung eines Freundes gegriffen, der in Zürich im Feuilleton der „NZZ" dieses für Schweizer Verhältnisse außergewöhnliche Lob las, den Roman auf der Stelle kaufte und ihn auf der Heimfahrt ohne abzusezten verschlang. Er war begeistert. Mir ging es ebenso: Stoff, Authentizität, Gestaltungskraft und Sprache fesseln von der ersten bis zur letzten Zeile.

Die Handlung wird gleich am Anfang erkennbar: DerOberösterreicher spricht zu seiner jüdischen Freundin über seine engere Heimat und sagt: , .Mauthausen ist eine schöne Gegend". Mascha findet diese Bemerkung geschmacklos, ein heftiger Streit entsteht. Und solche Mißverständnisse werden durch erdichtete und real existierende Personen immer wieder deutlich gemacht.

Der Roman sagt über die Dialogschwierigkeiten zwischen Juden und NichtJuden und über die Sehnsucht nach einem derzeit noch unerreichbaren Sichverstehen wesentlich mehr aus als alle wissenschaftlichen Abhandlungen zu diesem Thema. Indem er Einseitigkeit vermeidet, bleibt er glaubwürdig.

Ich aber freue mich, daß Freund Peter Weiser in Zürich und nicht in Frankfurt zu tun hatte und so zur „NZZ" statt zur „FAZ" gegriffen hat. Sonst hätten wir möglicherweise auf Schindel und sein „Gebürtig" verzichtet. Und das wäre schade.

GEBÜRTIG. Von Robert Schindel. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1992.360 Seiten, öS 296,40.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung