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Konzept einseitig
Die künftige Vorarlberger Landesgalerie setzt einen bedeutsamen architektonischen Akzent am Bodenseeufer, aber die inhaltliche Konzeption des Museumsprojekts steht im Kreuzfeuer der Kritik.
Unter den extrem ungünstigen Bedingungen dieses Landes schafften es nur wenige, so etwas wie Kunst zu machen, zum Beispiel „Gottfried Bechtold, Wolfgang Häusler und Kurt Matt": Der Fachmann staunt über den Grundtenor der Innsbrucker kunsthistorischen Dissertation von Wolfgang Fetz über „Kunst in Vorarlberg nach 45". Ärgerlich aber wird es, wenn solche Einseitigkeit offenbar das Konzept eines 100-Millionen-Vorhabens wie des der langersehnten und nun definitiv am Bregenzer Bodenseeufer angesiedelten Vorarlberger Landesgalerie prägt.
Dieses „streng geheime" Konzept des Innsbrucker Uni versitätsdozen-t.en Christoph Bertsch umfaßt neben den vorgegebenen Schwerpunkten mit Angelika Kauffmann, den Vorarlberger Nazarenern; Künstlern der Zwischenkriegszeit wie Rudolf Wacker, Edmund Kalb, Herbert Reyl, Fritz Krcal vor allem eine Bestandsaufnahme und Absichtserklärung zur Vorarlberger Kunst seit dem Krieg. Demnach wird Konzeptualisten und Environment-Machern wie den eingangs zitierten etwa die Hälfte der geplanten Räume zur Verfügung stehen, während so bedeutsame, notorisch verdrängte Gestalten wie der „Naive" Otmar Burtscher einfach fehlen.
Neben der wiederholten Forderung nach Installationen aus dem erwähnten Kreis, der in Vorarlberg überhaupt keine dominierende Rolle spielt, fehlen im Konzept Ideen für die Gliederung der ständigen Sammlung im neue» Haus am See. Dabei war und ist beispielsweise im Westen Österreichs eine Auseinandersetzung mit der Landschaft im Gang, wie man sie in vergleichbarer Konsequenz selten findet (Heinz Greissing, Armin Pramstaller und andere). Ein trok-kener, kunstbewußter „Expressionismus" wäre ein weiteres verbindendes Merkmal bedeutender Vorarlberger Gegenwartskunst - Walter Salzmanns magische Figurenwelt stehe hier als Beispiel für vieles.
Warum sollte im übrigen nicht elementares Kunsterlebnis in einer Landesgalerie, die angenommen wird, seinen Platz haben? Die Kunstpädagogik im Ländle hat ein bemerkenswertes Niveau, wie voriges Jahr bei einer ungewollten Konfrontation von Kinderarbeiten mit solchen Arnulf Rainers deutlich wurde. Auch eine Zusammenstellung der Kunst von Frauen scheint - nicht nur im Zeichen Angelika Kauffmanns - sinnvoll. Über die traditionellen Kunstgattungen hinaus könnte eine Übersicht über die neue Vorarlberger Architektur in ein Haus gehören, das für den ganzen Bodenseeraum attraktiv sein soll.
Das offensichtlich einseitige, modische und wenig originelle Konzept von Bertsch stand dann auch im Kreuzfeuer der Kritik bei einer Diskussion am 24. Jänner 1990, für die sich das Bregenzer Palais Thum und Taxis als zu klein erwies. (Der bisherige Hauptausstellungsort von Bregenz erscheint durch die neue Landesgalerie übrigens in Frage gestellt.) So einhellig die Zustimmung der zahlreichen Diskussionsteilnehmer zum preisgekrönten Projekt des Museumsneubaues der Churer Architekten Peter und Analisa Zumthor ausfiel. - vielleicht abgesehen von seiner Überdimensionierung: sechs Plattformen für ständige Sammlung, Wechselausstellungen und Begleiträume - so deutlich wurde die Fragwürdigkeit der inhaltlichen Konzeption der Landessammlung neuerer und neuer Kunst. Das Konzept von Christoph Bertsch hat jedenfalls nicht das letzte Wort. Der Posten des Leiters der Galerie wird demnächst ausgeschrieben - und er soll das entscheidende Wort haben.
Da* Ergebnis des Wettbewerbes für den Bau ist derzeit im Palais Thum und Taxis ausgestellt. Der Zumthor-Entwurf sieht eine hohe „stolze Kiste" (Zumthor) mit quadratischem Grundriß auf Pfählen, ohne Fenster vor, der sich nach oben hin wegen auskragender horizontaler Lichtbahnen leicht erweitert. Mit Hilfe eines Landes-Beirates, dem unter anderem Baum und Krischanetz angehören, wird der Entwurf baureif gemacht und in den nächsten drei Jahren gebaut. Eine ebenso gediegene Sichtung dessen, was in Vorarlberg an Kunst entstanden ist und entsteht, fehlt noch.
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