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Konzept gegen Sog

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Die Landesregierung hat vor einigen Wochen das Wirtschaftskonzept Niederösterreich 1986 vorgestellt, das wichtige Weichenstellungen aufzeigt. In Ergänzung zu den wirtschaftspolitischen Schwerpunkten von Bad Schönau (Wirtschaftsenquete 1984) wurden auch kurzfristige Maßnahmen vorgestellt.

Die Situation der niederösterreichischen Wirtschaft ist seit Beginn der achtziger Jahre durch eine zunehmende Verschärfung der strukturellen Probleme geprägt. Sie wirken sich naturgemäß im Umland von Wien anders aus als in den Randgebieten. Nach wie vor rasant entwickelt sich die Wirtschaft rund um Wien. Daraus ergeben sich allerdings zunehmende Abhängigkeiten von Wien und ein zunehmender Sog von Arbeitskräften mit höheren Qualifikationen aus den Randgebieten, sowohl aus ländlichen wie auch aus traditionellen Industriegebieten.

Die Ergebnisse dieser Entwicklung stellen sich für Niederösterreich in aller Schärfe dar. Nach den Zahlen der letzten Volkszählung pendeln 130.000 Niederösterreicher in andere Bundesländer, daraus ergibt sich eine negative Pendlerbilanz von 90.000, also ein Defizit an Arbeitsplätzen in dieser Höhe. Dazu kommt ein zunehmender Trend der Abwanderung nach Wien oder ins Wiener Umland. Neben quantitativen Problemen zeigt sich ein hohes qualitatives Arbeitsplatzdefizit, vor allem in den Dienstleistungsberufen.

Niederösterreich hat aber nicht nur zu wenig Arbeitsplätze für qualifizierte Berufe, es bildet darüber hinaus auch zu wenige Mensehen für qualifizierte Berufe aus.

Seit dem Volkszählungsjahr 1981 hat sich die strukturelle Situation weiter verschlechtert. Ende 1985 sind wir zwar mit einer günstigen Wirtschaftslage in Höhe eines dreiprozentigen Wachstums konfrontiert, müssen aber. sehen, daß sich das Defizit an Arbeitsplätzen auf 137.000 erhöht hat. Die Pendlerzahl hat sich weiter verschlechtert, die Arbeitslosenzahl ist um rund 13.000 gestiegen.

Der Blick in die Zukunft Niederösterreichs geht von folgenden Annahmen aus: Das Wirtschaftswachstum wird in den nächsten zehn Jahren jährlich um 2,5 bis 3 Prozent betragen. Der technologisehe Fortschritt wird sich verstärken. Die Sogwirkung Wiens wird sich schon deshalb verstärken, weil in Wien ein starker Rückgang der Berufstätigen und der Bevölkerung erfolgen wird. Daraus ist abzuleiten, daß das Arbeitsplatzdefizit, demographisch bedingt, erst ab 1990 abnehmen wird.

Die schwierigste Arbeitsmarktsituation ist jedenfalls überstanden, sie wird sich bis 1991 nicht verschärfen. Allerdings müssen wir in den folgenden Jahren mit einer höheren Arbeitslosigkeit, im Durchschnitt 25.000, mit einer höheren Auspendlerquote und einer Verschärfung der Arbeitsmarktprobleme bei qualifizierten Berufen rechnen. Ein zu knappes

Angebot an qualifizierten Arbeitskräften wäre aber auch Hauptgrund der Entwicklungshemmnisse für die niederösterreichische Wirtschaft.

Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, sind Problemlösungen zu forcieren, die die Wettbewerbsfähigkeit der niederösterreichischen Wirtschaft stärken und neue Chancen eröffnen. Diese liegen besonders in der Anpassung an neue technologische Herausforderungen. Technischer Fortschritt erfordert mehr Beschäftigte im Wissens- und Informationsbereich, in der angewandten Forschung und Entwicklung. Gerade hier liegt aber das große Manko für Niederösterreich. Es müssen daher vor allem bildungspolitische Akzente gesetzt werden. Die Errichtung einer neuen Landeshauptstadt setzt hier zweifellos neue geistige Impulse. Als Ersatz für den Arbeitsausfall durch Rationalisierung brauchen wir neue Produkte und neue Lösungen.

Eine neue Gründerzeit eröffnet neue Chancen für junge Unternehmer mit Initiative, Risikobereitschaft und Innovationsfreude. Es muß ein Klima geschaffen werden, das zu mehr Chancen für unternehmerische Tätigkeit führt.

Besonderer Vorrang ist hiebei der Förderung von Innovationen einzuräumen, weil vor allem damit der Aufbau zukunftsorientierter, gewinnbringender Produktionen erreicht werden kann. Infolge der internationalen Konkurrenz müssen Anpassungsprozesse gefördert werden. Die Enge des österreichischen Marktes erfordert auch, Exportanstrengungen niederösterreichischer Betriebe zu unterstützen. In diesem Zusammenhang bedarf es einer Verstärkung der Beratungsdienste für Exportmanagement sowie des Besuchs von Exportmanagement- und Sprachkursen für Mitarbeiter niederösterreichischer Unternehmungen. Die niederösterreichische Wirtschaftspolitik sollte stärker auf immaterielle Förderung ausgerichtet werden.

Wie das Wirtschaftskonzept Niederösterreich 1986 zeigt, müssen kurzfristig in der gegenwärtigen Wirtschaftssituation, die trotz günstiger Konjunkturentwicklung von einer hohen saisonalen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, durch budgetpolitische Maßnahmen Beschäftigungsakzente gesetzt werden. Dabei schränken sich die Möglichkeiten des Landes allerdings auf die Setzung von bauwirksamen Maßnahmen ein.

Der Autor ist Präsident der Niederösterreichischen Handelskammer.

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