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Konzerte mit Karajan

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Die drei Konzerte, die Karajan mit den Berliner Philharmonikern im Rahmen der Salzburger Osterfestspiele gab, wurden von seiten des Publikums mit stürmischer Begeisterung aufgenommen. Man muß diese Feststellung treffen, weil die meisten Kritiken über diese Konzerte auch nicht im entferntesten diese Stimmung wiedergeben, sondern eher den Eindruck erwecken, als seien die Konzerte teilweise ein Mißerfolg gewesen. Es wäre zu billig, zu behaupt- ten, das Publikum bestünde aus lauter Karajan-Fans, lasse jede kritische Stellungnahme vermissen und sei seiner inneren Einstellung nach konservativ, wenn nicht reaktionär.

Nun existiert zweifellos auch im Konzertsaal ein Generationsproblem. Die zum großen Teil jungen Kritiker, insbesondere der Wiener Tageszeitungen, stehen gleichfalls Karajan voreingenommen gegenüber, nur im Gegensatz zum Publikum im negativen Sinn. Sie nehmen das Recht jeder Jugend in Anspruch, Denkmäler zu stürzen, und Karajan ist im Laufe eines Jahrzehnts zu einem Denkmal geworden. Daß ein solcher Denkmalsturz viele emotionelle Übertreibungen mit sich bringt, ist offensichtlich und vergiftet zusätzlich die Atmosphäre.

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Was auch immer über die Konzerte geschrieben werden mochte, zwei Dinge sind nicht abzustreiten: Karajan ist ein großartiger Dirigent und die Berliner Philharmoniker sind ein großartiges Orchester. Um kein anderes Orchester zu kränken, muß man es negativ ausdrücken: es gibt kein besseres Orchester. Deshalb wurden auch alle Werke faszinierend gespielt, und die Kritik kann sich nicht gegen die Darbietung, sondern nur gegen die geistige Konzeption des Dirigenten richten und gegen die des Solisten Alexis Weissen- berg, der Beethovens 4. Klavierkonzert in G-Dur mit bravouröser Technik spielte, aiber die Poesie, von der dieses Werk stellenweise überströmt, vermissen ließ.

Bei der Wiedergabe von Mozarts Jupiter-Symphonie konnte man den Gedanken nicht los werden, daß Paumgartners Mozart-Verständnis und Karajans Dirigierkunst erst eine ideale Mozart-Interpretation ergeben. Beethovens IX., als Höhepunkt der Konzerte programmiert, bildete auch tatsächlich den Höhepunkt, ungeachtet verschiedener Einwände, wie Tempoverzerrungen und eine überstarke Besetzung einzelner Instrumentengruppen. Das änderte aber nichts an dem gewaltigen Eindruck, den die Aufführung hinterließ. Und auf den Eindruck kommt es letztlich an. Das galt auch hinsichtlich der Wiedergabe von Stra- winskys „Le sacre du Printemps”. Sicherlich, unter Boulez klingt das Werk anders, doch die Größe des vielleicht genialsten Oeuvres der Moderne wurde in der Karajanschen Interpretation nicht minder spürbar. Und das wegen seines Konservativismus so übel beleumdete Publikum tobte vor Begeisterung.

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Eine ähnliche Begeisterung rief allerdings auch „Ein Heldenleben” von Richard Strauss hervor, obwohl das Werk geradezu in erschütternder Weise offenbart, wie verstaubt einstmals Revolutionäres werden kann. Aber die Berliner spielten es großartig, und Karajan schien sich mit dem Helden zu identifizieren. Die Flucht in die Einsamkeit der Natur und in die schönere Welt der Kunst mag auch Karajan als Ausweg dienen. Clemens Krauss interpretierte das Werk mit ironischer Distanz und erzielte damit vor zwanzig Jahren eine modernere Wirkung als heute Karajan mit seiner Konzeption. Doch als Orchesterungetüm mit unerhörten Klangballungen und Steigerungen, mit bizarren Einfällen und berauschenden Schönheiten wurde es Karajans Interpretation zum Konzertereignis.

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