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Konzils- und Friedenspapst

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Ein großes Herz hat zu schlagen aufgehört, ein zäher Wille hat sich beschieden, ein demütiger Glaube sein Ziel gefunden. Papst Paul VI. ist gestorben. Gott hat seinen Diener, Giovanni Battista Montini, zu sich berufen. Sein Tod kam plötzlich, aber nicht überraschend, auch nicht für ihn. Vor wenigen Tagen hat er noch von seinem nahen Ende gesprochen, ruhig und zuversichtlich, er hat den Tod als Bruder und Erlöser von seinem Leiden begrüßt. Daß er am Sonntag in den Frieden des Herrn eingehen konnte, wird er in seiner Bescheidenheit sich nicht erwartet, aber als Gnade empfunden haben.

Als vor 16 Jahren nach dem Tod des Papstes Johannes sich die Kardinale zum Konklave versammelten, da stand der neue Papst außer Zweifel. Der Mailänder Erzbischof und enge Mitarbeiter Pius’ XII. sollte das Werk Johannes’ weiterführen, beenden und die Unruhe, die durch das Konzil in die Kirche gekommen war, wieder glätten. Paul VI. hat dies alles getan, aber noch viel mehr. Wer gemeint hatte, er würde das Konzil rasch verabschieden, sah sich ebenso getäuscht wie der, der meinte, Paul VI. würde das Rad wieder zurückdrehen.

Dieser Papst war ganz und voll ein Papst des Konzils. Er übersah aber über der Notwendigkeit der Erneuerung nicht die Pflicht, den Glauben rein und ungeschmälert zu erhalten. Paul VI. war aber nicht nur der Papst des Konzils. Er war auch der Papst der Ökumene und er war vor allem der große Friedenspapst. Als solcher wird er in die Geschichte eingehen. Seine Enzykliken, seine Ansprachen, vor allem seine Reisen in alle Teile der Welt dienten in erster Linie dem Frieden. Er wurde nie müde, die Verantwortlichen der Welt zum Frieden zu mahnen, zum Frieden zu drängen. Vielleicht war er einer der wenigen, die die Unheilssituation, in der sich die Welt befindet, in all ihrer Schwere und Bitterkeit begriffen haben.

All das, was er tat für die Kirche und für die Menschheit, der sich ja die Kirche verantwortlich weiß, hat er abgerungen einer physischen und psychischen Konstitution, die ihm, anders als seinem Vorgänger, schwere Hemmungen auferlegte. Von zarter Gesundheit, hat er sich nicht geschont und bis in die letzten Tage trotz seines quälenden Leidens das getan, was er als seine Pflicht betrachtete.

So wie er nicht die breite Physis seines Vorgängers hatte, so war ihm auch nicht dessen unmittelbarer Zugang zu den Menschen gegeben. Er hat um die Liebe und das Verständnis der Menschen gerungen wie kaum ein Papst vor ihm. Seine zögernd und schüchtern ausgebreiteten Arme waren ein Syihbol. Auch die Liebe seiner Mitmenschen war ihm nicht von Haus aus in dem Maß zuteil geworden wie seinem Vorgänger. Er hat den Zugang zu der Welt und den Menschen gesucht, aber er hat dafür nichts geopfert, was er für unaufhebbar hielt.

Erst in den letzten Jahren hat die Welt begriffen, was sie an diesem Papst hatte. Der Schock der Enzyklika „Humanae vitae“, falsch zitiert und mißverstanden wie kaum je eine päpstliche Lehräußerung, ist langsam gewichen. Die leichtfertigen Kommentare, mit denen man diese Enzyklika abtun wollte, machten zumindestens den Versuchen Platz, die Motive dieses Papstes zu verstehen.

Dieser Papst wird in die Geschichte eingehen: nicht nur als ein Papst des großen Wollens, sondern auch als ein Papst des großen Vollbringens. Das, was er für die Kirche getan hat, getan in zweierlei Hinsicht, indem er die Erneuerung weiterführte, aber auch die Verwirrung zu glätten versuchte, das, was er für den Weltfrieden tat - und was kann ein Papst mehr tun als bitten und mahnen! - wird unvergessen sein. Er war kein schwächlicher, kein zaudernder, er war im letzten ein großer Papst.

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