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Korrekturen zu Amerika

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Wasser nimmt sich viel vor. Er' beschäftigt sich mit der politischen Kultur der USA, den politischen Institutionen wie etwa der Präsidentschaft und der Außenpolitik. Er versucht, die Eigenarten der politischen Willensbildung klarzumachen — ein Prozeß, der aus unzähligen kompromißbereiten Gruppen einen nationalen Ausgleich zu zimmern hat.

Es kommen aber auch uns Europäern oft unverständliche Phänomene ausgiebig zur Sprache, mm Beispiel das Lobby-System Dder die schwer zu verstehende jerichtsbarkeÄ.

Die Methode, die heutige verfassungsmäßige Wirklichkeit auf ihren Grundlagen Locke und Montesquieu und dem unvergleichlichen Kommentar der „Fe-ieralist Papers" darzustellen, ist gelungen. Wasser expliziert ebenso das amerikanische Parteiwesen in seinem wechselhaften Wachstums- und Veränderungsprozeß.

Mancher Europäer tut sich schwer, die ideologielahmen Republikaner und Demokraten — Friedrich Engels nannte sie seinerzeit „zwei große Banden von politischen Spekulanten" - als Parteien zu sehen, sind sie doch in' Wirklichkeit Sammelbecken aller möglichen entgegengesetzter In-leressen und Gruppen.

Nur eine historische Längs-ächnittuntersuchimg vermag verständlich zu machen, warum etwa die Schwarzen im letzten Jahrhundert überwiegend republikanisch wählten, in unserem Jahrhundert aber demokratisch (solange sie nicht von den Urnen fern gehalten wurden). Ohne sich das Traimna des Bürgerkrieges zu vergegenwärtigen, ist es ebenso wenig klar, weshalb weiße Süd-

staatler immer solide demokratisch wählten, in ihrer Gesinnung aber meistens dem republikanischen Konservatismus viel näher stehen.

Eine der Grundtendenzen des Werkes ist es, die ökonomische Ursachenerklärung als Motor vieler amerikanischer Geschichtsereignisse und vor allem der US-Außenpolitik abzuschwächen oder ganz auszuschalten.

Der deutsche Politologe sieht vielmehr einen idealistischen Internationalismus Wilsonscher Machart als bestimmende Grundtendenz amerikanischer Außenpolitik.

Ein großes Verdienst dieses Amerikaporträts ist es, viel bei uns unbekannte amerikanische Spezialliteratur in seine Erklärungsversuche einzubauen. Andererseits fußen verschiedene

Kapitel zu ausgiebig auf klassischen Amerikabeobachtern wie de Tocqueville (der natürlich nicht zu umgehen ist), oder zu einseitig auf modernen Klassikern wie etwa Arthur Schlesinger Jr.'s imperialer Präsidentschaftstheorie.

Manche historischen Urteile des Autors sind etwas eindimensional oder faktisch nicht ganz richtig. Huey Long, den ehemaligen Gouverneur des Staates Lou-siana und scharfen Widersacher Franklin Roosevelts, lediglich als „faschistisch inspiriert" abzutun, reicht nicht. Der „Kingfish" hat binnen weniger Jalüre einen maßlos korrumpierten und beinahe feudal regierten Staat den Gegebenheiten des 20. Jahrhunderts angepaßt — sicherlich nicht immer ganz demokratisch.

Zum Schluß wäre noch zu vermerken, daß ein Buch, das von der „Exklusivität sozialwissenschaftlichen Sprachgehabes" wegkommen will, um dem Laien verständlich zu sein, nicht unbedingt die Wortgewandheit des Spezialisten mit Anglizismen wie ,'4confligie-rende Sichtweisen", „dissentierende Gruppen" oder „modeste Zurückhaltung" demonstrieren sollte.

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