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Korsett fürs Kapital

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Die von Schatzkanzler Barber in seinem Etat angekündigten und jetzt von der Bank von England veröffentlichten Vorschläge neuer Verfahren zur Kontrolle der Kreditvergabe auf dem Privatsektor könnte von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes sein, da die Expansion der Bankkredite einer der Hauptwege ist, über die neues Geld in die Wirtschaft gelangt.

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Die von Schatzkanzler Barber in seinem Etat angekündigten und jetzt von der Bank von England veröffentlichten Vorschläge neuer Verfahren zur Kontrolle der Kreditvergabe auf dem Privatsektor könnte von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes sein, da die Expansion der Bankkredite einer der Hauptwege ist, über die neues Geld in die Wirtschaft gelangt.

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Diese Vorschläge sind vorläufig nur eine Diskussionsgrundlage. Aber eine weitere angekündigte Änderung ist bereits wirksam geworden. In der Vergangenheit hat die britische Zentralbank, auf dem Börsenmarkt durch den „Government Broker“ vertreten, festverzinsliche Wertpapiere (Staatsanleihen) auf Verlangen automatisch angekauft. Seit Mitte Mai jedoch wurden nur noch Wertpapiere angekauft, die in spätestens einem Jahr fällig werden. Dadurch wird ein Kanal verstopft, durch den neues Geld von den Banken in die Wirtschaft sickern konnte, während die Behörden eine Politik des knappen Geldes betrieben.

Seit 1968 haben die britischen Regierungen den Verkauf kurzfristiger Obligationen an die Banken stark beschnitten, indem sie die Lücke zwischen ihren Einnahmen und Ausgaben verringerten und In vesit tionen der Öffentlichkeit in festverzinslichen Papieren sowie die Spartätigkeit förderten. Es bestand jedoch stets das Risiko, daß ihre Anstrengungen zunichte gemacht wurden durch hohe Nettoverkäufe von Rentenpapieren, wie in den letzten Monaten des Jahres 1968, als die Stimmung auf dem Wertpapiermarkt einen Tiefpunkt erreichte.

Damals mußte das Schatzamt die Nettoforderungen der Inhaber von Rentenpapieren durch Kreditaufnahme bei den Banken decken — also durch die Schaffung neuen Geldes. Seither hat die Bank von England unter Berücksichtigung der Geldschöpfungspolitik stärkere Kursschwankungen bei festverzinslichen Wertpapieren zugelassen als früher. Die jüngste amtliche Entscheidung, daß die Bank von England den automatischen Ankauf von Rentenpapieren auf Ersuchen einstellt, führt diese Politik einen Schritt weiter. Und es kann zu keinem massiven Nettoabfluß von Werten des Schatzamts in die Öffentlichkeit zum Schaden der Geldschöpfungspolitik mehr kommen.

Gegenwärtig erfolgt die Kontrolle der Bankenkreditvengabe vorwiegend durch „Aufforderungen“ der Zentralbank an die Banken und

Ratenkauf-Finanzierungsinstitute, dafür Sorge zu tragen, daß die Gesamthöhe ihrer Kredite eine bestimmte Höchstgrenze nicht überschreitet. Die maßgebenden Stellen geben ferner Richtlinien heraus, die bestimmten Klassen von Kreditnehmern Vorrang einräumen.

Während des letzten Jahrzehnts konnte die Bank von England ihre Liquiditätsreserve und damit zugleich die für Kredite verfügbaren Mittel reduzieren, indem sie die Banken aufforderte, Barmittel bei ihr zu hinterlegen. Diese Sonderguthaben, als prozentualer Anteü der gesamten Bankguthaben ausgedrückt, tragen die gleichen Zinsen wie Wechsel, dürfen jedoch nicht in die Liquiditätsreserve der Banken eingerechnet werden, deren Kreditspielraum dadurch eingeengt wird.

Liquiditätsreserve und Sanderguthaben gelten freilich nur für die Londoner Handelsbanken und die schottischen Banken. Aber ein steigender Prozentsatz von Sterling- Guthaben innerhalb des britischen Bankensystems wird von ausländischen Handels- und anderen Banken unterhalten. Die Bank von England hat jetzt vorgeschlagen, auf Kreditplafonds zu verzichten, wenn auch nicht auf qualitative Richtlinien für die Vergabe von Krediten und den Liquiditätssatz durch neue Mindestreserven zu ersetzen. Dies würde nicht nur für die Handelsbanken gelten, sondern für alle Banken in Großbritannien, mit parallelen Regelungen für die Ra ten- kauf-Finanzierungsdnstitute.

Durch diese Neuregelung würde die Höhe der Bankkredite durch das System der Sonderguthaben gesteuert, wobei der Abruf beziehungsweise die Freigabe dieser Gelder für alle Banken im gleichen Verhältnis erfolgen würde. Mehr Flexibilität als zur Zelt wäre gewährleistet, wenn sich die Abrufe oder Freigaben auf alle Guthaben im gesamten Bankensystem, auf Inlandsdepositen allein oder auf Auslandsdepositen allein bezögen — die Abrufe könnten aber auch für Inlands- und Auslandsdepositen in der Höhe differieren.

Dies würde ein geeignetes Mittel schaffen, die inflationäre Wirkung des Zuflusses von heißem Geld zu neutralisieren, ohne die inländische Kreditsituation zu beeinflussen.

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