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Kostbarer Schatz

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Quam bene convenuit - Wie V^gut passen sie zusammen“ — Glaube und Wissenschaft, Friede und Kunst, Glaube und Hoffnung; auch wenn sie von Laster, Trägheit und Habsucht bedroht werden. Diesem benediktinischen Motto hat Paul Troger 1735 sein in dem Farbdreiklang Rot-Blau-Gelb gemaltes und jetzt restauriertes Deckenfresko im Marmorsaal des Stiftes Seitenstetten unterworfen.

Unter diesem Motto könnte auch die Niederösterreichische Landesausstellung 1988 stehen, die vom 7. Mai bis 30. Oktober in dem wenig bekannten Barockklo-

ster unweit von Neuhofen an der Ybbs stattfindet: In einer Urkunde aus dem Jahr 996, die sich in der Ostarrichi-Gedenkstätte in Neuhofen befindet, wurde zum ersten Mal der Name unseres Landes entdeckt.

Auf der Abteistiege, im Marmorsaal, in der Bibliothek, im Gästespeisesaal und im Sommerrefektorium des als Vierkanter angelegten Stiftes sind die wertvollen Kunstschätze, die der höheren Ehre Gottes dienten, zu sehen. Leihgaben aus Klosterneuburg, Göttweig, Kremsmünster und St. Florian sowie der Graphischen Sammlung Albertina, des Kunsthistorischen Museums und der österreichischen Nationalbi-bliothek ergänzen die stiftseigenen Sammlungen.

Bereits 1983 hatte das Stift sich um die Landesausstellung beworben. Das angeblich im Jahr 1112 von dem Edelfreien Udalschalk von Stille gegründete Stift wurde wahrscheinlich — neueren Forschungen entsprechend — von dem 1116 geborenen Magdeburger Erzbischof und Kanzler des Staufenkaisers Friedrich I. Barbarossa, Wichmann, gegründet.

Nach Erstellung eines umfassenden Restaurierungskonzeptes begannen dann 1985 die Instandsetzungsarbeiten an dem von Joseph Munggenast barockisierten Klostergeviert. An dessen wehrhafte Vorgängerbauten erinnern lediglich die in ihrem Gemäuer frühgotische Kirche und die kleine Ritterkapelle. Seit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Seitenstetten baulich und künstlerisch lediglich „am Leben erhalten“, die Gesamtkosten für die nunmehrige Restaurierung — einschließlich des im späten 18. Jahrhundert entstandenen Meierhofes —belaufen sich auf sechzig Millionen Schilling.

Zwanzig Millionen steuerte das Land Niederösterreich bei, für den Rest kamen Wissenschafts-, Handels- und Wirtschaftsministerium auf. Die Bevölkerung der Region arbeitete kostenlos Hand in Hand mit Handwerkern, Restauratoren und dem stiftseigenen Bautrupp mit.

Zahlreiche Objekte aus dem Stiftsmuseum wurden durch die Abteüung für Restaurierung und Konservierung von Denkmalen des Bundesdenkmalamtes restauriert oder zumindest gesichert. So wurde etwa eine Madonnenstatue in der Ritterkapelle von dieser Fachabteilung auf Glanz gebracht. Einen Teil der stiftseigenen Büdexponate betreute die Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung an der Hoch-

schule für angewandte Kunst in Wien. Die denkmalpflegeri sehen Maßnahmen werden voraus sichtlich 1990 abgeschlossen sein.

Bei der Restaurierung des ausgedehnten vier Höfe (großer Hof, Arkadenhof, Konventhof, Gartenhof) einschließenden Baukomplexes hat man sich für eine „barocke“ Farbgebung entschieden: glattverputzte Gliederungselemente in leicht gebrochenem Weiß heben sich von den Wand-flächen in sattem Gelbocker ab.

Die Innenausstattung des Stiftes zeugt von Liebe zum Schönen,

aber nicht von Prunk. Denn anders als der eine oder andere „Stiftspalast“, der zeitweise als Residenz für Kaiser und Hof diente, suchten die seit eh und je aus dem Mostviertel stammenden Benediktinermönche Seitenstettens den Kontakt zu den Menschen ihrer Umgebung. Man verstand sich deshalb als Hüter und Vermittler einer Kultur, deren Träger aus den Bauernfamilien des Landes kamen und es verstanden, dem Alltag Glanz zu verleihen. Die besten Werke unter den in der Ausstellung zu sehenden Gemälden eines Paul Troger und eines Kremser Schmidt (Martin Johann Schmidt), die meisten Grafiken, die kostbaren Kelche, die Monstranzen und geistlichen Gewänder, die seltenen Musikinstrumente, die Kleinplastiken und die Altäre sind Auftragswerke, die Barockkünstler für das Stift geschaffen haben. Die in der Schau gezeigten Werke eines Alessandro Magnasco, Giacomo Francesco Cipper, Johann Carl von Reslfeld und Daniel Gran wurden gezielt gesammelt.

Für die Dauer der Landesausstellung birgt das viel zu wenig bekannte Barockkloster auch Grafiken eines Albrecht Altdor-fer und Albrecht Dürer. Eingebunden in ein Ensemble kostbarer Blätter aus eigenem Besitz, stellen sie die Funktion der Grafik als Medium dar. Nicht zuletzt sieht man selten gewordene Gesangbücher aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert.

Im Meierhof des Stiftes wird eine Schau über „Der Most und sein Viertel — eine Region stellt sich vor“ präsentiert. Auch sie ist nicht mehr und nicht weniger als eine Darstellung benediktinischer Tradition. Heute zählt das Stift 36 Ordensangehörige — davon drei Novizen. Sie verwalten 14 Pfarren und betreuen das Stiftsgymnasium.

Ein Leben aus dem Gebet und aus der Gemeinschaft, die Pflege der Gastfreundschaft, der Seelsorge, der Erziehung und der Wirtschaft zählen auch heute zu dieser Tradition.

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