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Kostenexplosion und Bürgeraffront

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Exakt fünf Tage nach den Wiener Gemeinderatswahlen tat man den ersten Spatenstich zu der umstrittenen Kunsthalle auf dem Wiener Karlsplatz. Argumente für den Bau einer neuen Halle für Ausstellungsprojekte modemer Kunst halten offensichtlich angesichts der äußeren Gestaltung des blau-gelben Containers nicht stand. Mittlerweile sind die kritischen Stimmen nicht einmal mehr für die Befürworter zu überhören. Wie ein monumentaler Fremdkörper liegt die fensterlose Kunstlagerhalle inmitten der historischen Bauten am Karlsplatz auf einer ehemaligen Grünanlage. Für den geplanten Fußgängerzu- und -Übergang in Form eines tunnelartigen Stahlgerüstes wurde bereits weiteres Grün im gegenüberliegenden Girar-dipark geopfert.

Zunächst von den zuständigen Gremien gebilligt, wurde ohne Befragung der Bevölkerung mit den vorbereitenden Arbeiten begonnen. Die „störenden" Bäume wurden unsachgemäß umgepflanzt.

Der mangelnden Information der betroffenen Bürger dürfte es zuzuschreiben sein, daß erst zu diesem Zeitpunkt von den Anrainern, allen voran vom Ehepaar Kurt und Gretl Menasse, der Kampf gegen das Projekt angesagt wurde: eine Bürgerinitiative „Gegen Verbauung der Grünfläche auf dem Karlsplatz" erbrachte an die 1.900 Unterschriften gegen den Bau des Riesenquaders. Bezirksvorsteher Karl Lengheimer von der Wieden war zunächst für den Bau, ließ sich nach Besichtigung jedoch von den Gegenstimmen überzeugen -er hätte nicht gewußt, daß das Gebäude gelb-blau bleiben würde.

Im September des Vorjahres hatten ÖVP, FPÖ, die Grünen und sogar die SPÖ in der Bezirksvertretungssitzung des vierten Wiener Gemeindebezirkes gegen die Errichtung des von Kulturstadträtin Ursula Pasterk als „Schuhschachtel" bezeichneten Baus gestimmt. Einer der Gründe dagegen war nicht zuletzt die Kostenfrage: Gegenüber zunächst veranschlagten Errichtungskosten von rund 15 Millionen Schilling werden nun die Gesamtkosten für die Errichtung, den Betrieb für fünf Jahre, für Abbruch und Wiederaufstellung auf rund 87 Millionen Schilling geschätzt. Bekanntlich soll die Kunsthalle des Architekten und Secessionspräsidenten Adolf Krischanitz als Provisorium für diesen Zeitraum bis zur Fertigstellung des Museumsquartiers im Messepalast Ende der neunziger Jahre dienen.

Der Kultursprecher der Ö VP Wien, Robert Kauer, sprach bereits im Juni 1991 von einer unverantwortlichen Vorgangsweise seitens der Kultur-stadträtin, als die Alternative zum Kunsthallen-Provisorium, eine Anmietung des Künstlerhauses - im Kostenvergleich erheblich günstiger -von der SPÖ-Mehrheit im Kulturausschuß abgelehnt wurde.

Berichteten die Medien noch vor kurzem von einer Fertigstellung der 54 mal 18 mal zehn Meter großen Halle mit 1.000 Quadratmeter großem Ausstellungsraum und 600 Quadratmeter Fassungsraum für Cafe und Büros im Mai 1992, verlautet nun aus dem Büro der Kulturstadträtin, plangemäß werde der Abschluß der bautechnischen Arbeiten Ende Juni erfolgen.

Nach Probebetrieb der Klimaanlage soll die Halle Ende August benutzbar sein. Am 15. September wird voraussichtlich eine Eröffnungsausstellung die Kunsthalle für Besucher zugänglich machen. Dieser Tage fällt unter Bewerbern aus der BRD, der Schweiz, den Niederlanden und aus Österreich die Entscheidung über den künftigen Leiter/die Leiterin für die Kunsthalle.

Bis zum Abschluß der Arbeiten hat Architekt Krischanitzjedenfalls noch einiges durchzustehen: Werden die aufgebrachten Bürger seine Pläne noch im nachhinein zunichte machen? Er selbst gab zu, daß bereits einmal „eine Bürgerinitiative eines seiner Projekte umgebracht" habe. Die Frage nach dem „Warum" hätte er vielleicht sich selbst zu stellen.

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