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Kostspieliger Bettenberg

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Was muß im Gesundheitswesen dann erst geschehen, daß etwas geschieht?

Die Spitalskosten explodieren— und ein sinnvolles System der Spitalsfinanzierung läßt auf sich warten. Das Provisorium des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds, ungeliebt von Anbeginn, entwickelt Zählebigkeit. Zuletzt um zwei Jahre verlängert, wurden eineinhalb Jahre bereits wieder vertan.

Warum etwas ändern, wenn es doch irgendwie immer weitergeht? Und das beschränkt sich nicht nur auf die Spitalsproblematik.

Christian Richner, Direktor der Schweizerischen Versicherungsgesellschaft aus Winterthur, einer der Experten, die sich aus dem Bereich der sozialen wie der privaten Krankenversicherung, aus Ärztekreisen ebenso wie aus anderen Gesundheitsberufen und aus der Zunft der Spitalsmanager zur Tagung über die „Ideologie und Ökonomie des Gesundheitswesens" in Alpbach einstellten, lernte in Arbeitskreisgesprächen österreichische Mentalität kennen.

„Die Krankenkassen", faßte er sarkastisch zusammen, „seien finanziell in Ordnung und das System ist aus vielen Gründen richtig: erstens entspricht es der Tradition, zweitens ist es ideologisch richtig, drittens ist es verfassungsmäßig brauchbar, viertens fehlt die Aktualität für eine Änderung."

Was nicht heißt, daß die vom österreichischen College gemeinsam mit dem Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs veranstaltete Alpbacher Tagung nicht doch Anstöße zur Veränderung gebracht hätte.

• Ubereinstimmung herrscht, daß von den rund 100.000 Spitalsbetten in Österreich etwa zehn Prozent stillgelegt werden könnten. Motto: Wir sitzen auf einem kostspieligen Bettenberg. Nur: Wo die Reduktion beginnen? Auf diese entscheidende Detailfrage fehlt jede Antwort.

• Ebenso einvernehmlich wurde die Frage beantwortet, daß ökonomische Aspekte in die Ausbildung aller am Gesundheitswesen Beteiligten integriert gehörten.

• Unumstritten auch die Auffassung, daß eine Verschiebung von Aufgaben aus dem stationären Spitalsbereich zurück in die ärztliche Praxis wünschenswert wäre, was allerdings einen Ausbau der integrierten Sozialhilfe voraussetzt.

• Gemeinsam ist auch das Unbehagen mit der derzeit geübten pauschalierten Abgeltung der Spitalskosten, die sich lediglich an den Aufenthaltstagen im Krankenhaus orientiert. Gewünscht werden differenzierte Tagespauschalen, die — je nach Fall — diagnosebezogen errechnet werden sollen.

Für Theodor Detter, Generaldirektor der Collegialität-Versiche-rung, sind das richtige Ansätze, „wichtig für die Bewußtseinsbildung über die unmittelbaren Eigeninteressen hinaus".

Bewußtseinsbildung, die in vielen Fragen erst langsam voranschreiten kann: Sicherlich ist das von Herbert Weissenböck, dem Geschäftsführer der Münchner Sana-Kliniken, vorgetragene Modell der Reprivatisierung von öffentlichen Krankenanstalten so nicht auf Österreich übertragbar, doch die Anwendung privatwirtschaftlicher Methoden und Organisationsformen im Krankenhauswesen schiene erfolgversprechend. Für Heinz Dopplinger, Direktor der Ersten Allgemeinen Versicherung, mit dem Ziel, „den politischen Durchgriff via Beamtenschaft auf die Spitäler" zurückzudrängen. Der relative Erfolg privater Krankenhäuser weist auch hierzulande in die richtige Richtung.

Keinerlei Konsens konnte freilich in der (auch vom Wirtschaftspublizisten Horst Knapp angesprochenen) Frage eines Selbstbehaltes. erzielt werden. Erasmus Peer, Leiter des Spitalsfonds, hält ihn für ungeeignet, dadurch zu einer Kostensenkung zu kommen. Und auch viele andere Tagungsteilnehmer bezweifeln die erzieherische, nicht aber die finanzielle Bedeutung.

Nur: Peer ist ohnehin überzeugt, „daß uns nicht das Geld fehlt, nein, es fehlen präzise formulierte Zielvorgaben" im Gesundheitswesen. Was Herbert Schimetschek, den Präsidenten des Versicherungsverbandes, nach einem starken Gesundheitsminister rufen läßt: „Nicht auf die Person bezogen, sondern was seine Kompetenzen betrifft."

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