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KP in der Telephonzentrale

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Seitdem der „Ritter von der Hoffnung“ Luis Carlos Prestes, der noch heute (illegal) die brasilianische ProMoskau-Partei leitet, vor etwa 45 Jahren mit seinem kommunistischen „Aufstand“ einen spektakulären Schiffbruch erlitten hat, haben die Sowjets keine gewalttätigen Revolutionen in Lateinamerika mehr organisiert.

Kuba beweist nicht etwa das Gegenteil. Als Fidel Castro gesiegt hatte, wollte er zuerst nach den USA fliegen. Er und sein Präsident Dorti-cös erklärten; daß ihre Revolution nicht „rot“, sondern — nach der Farbe ihrer Uniformröcke — „olivgrün“ sei, wobei sie ihre guten Beziehungen zur Kirche als Beweis für ihre damals scheinbar fehlende marxistische Haltung anführten. Erst das Vorgehen der USA nach der Enteignung der Zuckerplantagen trieb Castro in die Arme Moskaus. Die kommunistischen Parteien sind auch mit aller Schärfe von den Terroristen, die sie als Abenteurer bezeichnen, abgerückt. Unter den uruguayischen „Tupamaros“ gab es keinen „Partei-Kommunisten“.

Um so erstaunlicher sind die glaubwürdigen Enthüllungen im Zusammenhang mit der neuesten Kampagne der uruguayischen Militärpolizei. Diese zeigte der Presse 32 geschickt getarnte Schlupfwinkel, die freilich offensichtlich nicht als „Volksgefängnis“ sondern, umgekehrt, als Aufenthaltsort für untergetauchte Parteigänger benutzt wurden. Weiters wurden, zum Teil in Bleikästen,

1051 Waffen, darunter Flammenwerfer und AR-15-M-16 und 30.000 Stück Munition beschlagnahmt. Hundert Aktivisten der KP wurden verhaftet. Dabei deutet vieles darauf hin, daß diese Waffen schon vor der Periode der derzeitigen De-facto-Regierung herbeigeschafft worden waren. Besonders bezeichnend ist, daß kommunistische Angestellte der monte-videaner Telephonzentrale „Aguada“ 60 Leitungen illegal an ein Geheimnetz der KP angeschlossen hatten. Wie sich diese „Enthüllungen“ auf die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Uruguay und der Sowjetunion auswirken, bleibt abzuwarten. Obwohl man sie bisher offiziell „korrekt“ nannte, ist das „uruguayisch-sowjetische Kulturinstitut“ schon im Juli 1975 aufgelöst worden. Während die Sowjetunion (in der am 31. August 1975 abgelaufenen Jahresperiode) der größte Käufer uruguayischer Wolle war, hat sie die Fledschkäufe aus politischen Gründen storniert.

Nur in Argentinien, Kuba, Kolumbien und Venezuela arbeite die KP mit einem legalen Status, wenn sie auch etwa in Costa Rica, Mexiko und Panama unbehindert tätig sein darf, ohne jedoch als Partei an den Wahlen teilzunehmen. Als Perön 1973 zurückkehrte, gab er offiziell den Delegierten der KP Audienz und sagte in einer Pressekonferenz: „Ich empfange die Konservativen ebenso wie die Kommunisten und bin ihrer aller Freund.“ Die Kommunistische Jugend hielt im Juni 1974 ihren vier-

tägigen „10. Kongreß“ ab, an dem Delegierte aus der Sowjetunion, Kuba, Nord-Vietnam, Chile und Uruguay teilnahmen. Beim Schlußakt im Lunapark von Buenos Aires sah man 20.000 Personen. Als Ziel der Bewegung wurde proklamiert, daß sie 100.000 Anhänger erreichen wolle. In den letzten Monaten ist die KP wieder scharf von den Terroristenorganisationen „ERP“ und „Montoneros“ abgerückt und predigt — ähnlich wie ihre westeuropäischen Schwesterparteien — „Verfassungsmäßigkeit“ und „Demokratie“.

In Brasilien wird die KP nicht weniger verfolgt als in Uruguay und Chile. Bei dem Prozeß, der im Vorjahr vor einem Militärgericht in Rio de Janeiro gegen 20 Parteimitglieder stattfand, soll der frühere Deputierte Marco Antonio Tavares Coelho zugegeben haben, 330.000 Dollar aus dem Ausland erhalten zu haben. Im Oktober 1975 wurden in Säo Paulo 76 Personen als Kommunisten verhaftet, von denen 63 — unter ihnen ein Oberst — Mitglieder der Militärpolizei waren! Der brasilianische Präsident Geisel hat daraufhin die versprochene Demokratisierung gebremst, wenn auch der Wahlkalender eingehalten werden soll. Als einen der Gründe gab er die Gefahr der Subversion an. Die brasilianische Rechte will beweisen, daß die KP die einzige „Oppositionspartei“, das MDB, infiltriert habe. Nach dem „Verfassungsakt Nr. 5“ kann der brasilianische Präsident jedem Bürger ohne Angabe von Gründen die politischen Rechte auf zehn Jahre entziehen. Ein Hauptanliegen des MDB ist die Aufhebung dieser dik-tatorialen Alknacht. Geisel hat von diesem Recht sehr sparsamen Gebrauch gemacht. Er hat zuerst einen Parlamentarier wegen skandalöser Korruption, jetzt aber zwei weitere Abgeordnete — Marcelo Gato aus dem Bundeskongreß und Enelson Fabiano aus dem Parlament des Staates Säo Paulo — entrechtet, mit der Begründung, daß sie von der KP in die Oppositionspartei MDB geschleust worden seien.

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