6905279-1980_42_03.jpg
Digital In Arbeit

Kräfte sammeln sich"

Werbung
Werbung
Werbung

Wir wissen es längst: Nicht alles, was machbar ist, ist auch ethisch vertretbar. Und weil Ärzte wie auch das Kranken-pflegepersonal immer wieder und beinahe ununterbrochen mit ethischen Problemen konfrontiert werden und eine Plattform brauchen, um gemeinsame Erfahrungen und Probleme, aber auch deren Lösungsmöglichkeiten auszutauschen, fand Ende September ein Weltkongreß zum Thema „Medizin und Ethik" in Dublin (Irland) statt.

Die Palette der Themen war weitgefächert und reichte von Fragen der Ethik in der medizinischen Ausbildung, über Abtreibung und Fruchtbarkeit bis hin zur Pflege der Sterbenden und Problemen der Strafgefangenen und ihrer ärztlichen Betreuung bzw. ihres Mißbrauches.

Mehr als 400 Teilnehmer aus 40 Ländern waren der Einladung der Veranstalter, der „World Federation of Doc-tors who respect Human Life" (Weltvereinigung der Ärzte, die das menschliche Leben respektieren), gefolgt und aus der Fülle der Themen ragte eines, als Punkt, zu dem man stets wiederkehrte, heraus: die Abtreibung, die Unterdrückung der Schwächsten, das vorsätzliche Töten eines Menschen über Wunsch eines anderen.

Dieser Themenkreis war auch der Grund, weshalb ich nach Dublin gereist war. Und wenn ich meinen Eindruck in einem Satz zusammenfasse, kann ich sagen: Es ist weder sinn- noch hoffnungslos, sich für den Schutz der ungeborenen Kinder und ihrer Mütter einzusetzen. Dieses Thema kann niemand vom Tisch wischen, die Diskussion schläft nicht ein. Ganz im Gegenteil.

Zwar soll sich niemand der Illusion hingeben, das Problem werde kurzfristig zu lösen sein. Das ist sicher nicht der Fall. Denn vorher muß ein Umdenkprozeß stattfinden und der ist nicht in einigen wenigen Jahren zu bewältigen.

Aber je länger die ungeborenen Kinder der Willkür ihrer Umgebung ausgeliefert sind, und ich meine damit vor allem nicht die Frauen, sondern die Menschen rund um sie, denen ein Kind als unnötige Bürde erscheint - desto massiver formieren sich die Gegner dieses Unrechtes.

Nun mag man argumentieren - und das hat^ ja auch zur Genüge. getan -, daß es immer Abtreibungen gegeben habe. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das sicherlich auch. Es stimmt aber zumindest ebenso, daß die Anzahl der Abtreibungen immer mehr zu- / nimmt, jedenfalls kann man es überall dort beweisen, wo man die Abtreibungen zählt.

Viel schwerer in der Auseinandersetzung wiegt aber, daß man noch nie -niemals zuvor in der ganzen Geschichte der Menschheit - so genau davon Kenntnis hatte, was hier geschieht, wer getötet wird.

Das wissenschaftlich gesicherte Wissen um das ungeborene Kind reicht bereits ins kleinste Detail: Man kann es mit Hilfe der Fetoskopie vom Scheitel bis zur Sohle sehen, seine Bewegungen kann man filmen. Man kann seine Gehirnströme messen, man kann es behandeln und ihm Bluttransfusionen geben, wie einem anderen Patienten auch.

Das heißt: Das Unrecht, das geschieht, wird immer offensichtlicher. Und es gibt eine Reihe von Ärzten, die, obzwar sie früher Abtreibungen nicht verwerflich fanden und sie selbst auch durchführten, angesichts der neuesten Erkenntnisse davor zurückschrecken.

Einer der Vorkämpfer des legalisierten Schwangerschaftsabbruches in den Vereinigten Staaten, der selbst Tausende Abtreibungen vorgenommen hat und Vorstand der größten Abtreibungsklinik New Yorks war, berichtet in einem aufsehenerregenden Buch über seinen Gesinnungswandel (Die FURCHE wird in einer ihrer nächsten Ausgaben darüber ausführlich berichten.): „Es wurde mir schmerzlich klar, daß es sich (beim Fötus) um einen Patienten handelt. Dieser, der Fötus ist eine Person. Er ist nicht ein Klumpen Fleisch."

Und weiter: „Mit Hilfe der neuen Instrumente können wir durch die Bauchdecke und die Gebärmutter der Frau hindurchsehen. Die Öffentlichkeit kann nicht sehen, was wir sehen können: Wir sehen uns selbst!"

Aber nicht nur Ärzte denken um, auch Religionsgemeinschaften. So haben zum Beispiel große Teile der evangelischen Kirchen, vor allem die des an-glo-amerikanischen Sprachraumes, Jahre hindurch dem Abtreibungsproblem gegenüber eine eher ambivalente Haltung eingenommen. Das fängt an, sich zu ändern. Und mir scheint, es gibt kein Thema, das die ökumenische Bewegung in den nächsten Jahren mehr einen wird als der Schutz defungebore-nen Kinder.

Die Kräfte sammeln sich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung