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Kraftakte um Kraftwerke

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„In dem Maße, als wir elektrischen Strom brauchen, in dem Maße brauchen die Polen das Geld - vielleicht sogar noch mehr.” Auf diese ebenso einprägsame wie einfache Formel reduzierte Bundeskanzler Bruno Kreisky das Ergebnis seines außerprotokollarischen Polen-Besuches am letzten Novemberwochenende 1979.

Begleitet von Vizekanzler Hannes Androsch, Handelsminister Josef Sta-ribacher sowie einem Gefolge von Bank- und Wirtschaftsleuten brachte der Regierungschef damals vielbejubelte Verhandlungserfolge im Reisegepäck nach Österreich zurück: Uber die Lieferung von 1,2 Millionen Tonnen Polen-Kohle über einen Zeitraum von 20 Jahren ab 1984, mit einer Optipn auf weitere 300.000 Tonnen jährlich, wurde grundsätzliche Einigung erzielt.

Nur zwei knifflige Fragen bei dieser Vereinbarung mit der staatlichen polnischen Firma WEGLOKOKS blieben noch offen: die Frage des Transportweges und die der Finanzierung.

Doch das tat der Freude über das gelungene Geschäft keinerlei Abbruch. „Die noch offenen Fragen des Transportweges und der Kreditmodalitäten werden in nächster Zeit gelöst werden; weder auf polnischer noch auf österreichischer Seite sieht man größere Schwierigkeiten”, gab sich das Zentralorgan der Regierungspartei, die „Arbeiter-Zeitung”, wissend und zuversichtlich.

Damit schien im Vorjahr Österreichs kernkraftlose Stromversorgung auch mittelfristig gesichert: die von Kreisky ausgehandelten Kohlelieferungen sollten den für die Zwentendorf-Ersatz-kraftwerke Voitsberg (Steiermark) und Moosbierbaum (Niederösterreich) erforderlichen Brennstoffbedarf decken.

In Voitsberg sollte Mitte der achtziger Jahre ein 350-Megawatt-Kraftwerk des steirischen Elektrizitätsunternehmens in Betrieb gehen, im niederösterreichischen Moosbierbaum entstehen nebeneinander zwei Einheiten: ein 380-Megawatt-Block der gesamtösterreichischen Verbundgesellschaft und eine 320-Megawatt-Einheit der niederösterreichischen NEWAG.

Seit Jahresbeginn wird in Moosbierbaum, wo der Kraftwerksbau auf dem Areal einer ehemaligen Raffinerie geplant ist, auf Hochtouren gearbeitet. Viele Millionen Planungs- und Planie-rungskosten hat das Projekt bereits verschlungen.

Nur weiß man bis zur Stunde nicht, ob nach Fertigstellung das zum Feuern da sein wird, was im Vorjahr so überschwenglich gefeiert wurde: die Polen-Kohle.

So lange die Finanzierungsfrage nämlich ungelöst ist, ist die Vereinbarung des Vorjahres nicht das Papier wert, auf dem sie steht.

Die Polen wünschen sich einen freien Finanzkredit - ohne Zweckbindung an Kohlelieferungen - in der Höhe von 300 Millionen Dollar, also rund vier Milliarden Schilling. Dieser Kredit wäre von der österreichischen Energiewirtschaft, wozu diese bereit ist, über den Kapitalmarkt aufzubringen. Der Haken dabei: Finanzminister Androsch müßte dafür eine Bundesgarantie übernehmen. Und dies zu tun, weigert er sich einstweilen.

Zugegeben: Der Polen-Wunsch nach, einem Kredit, der selbst nicht direkt die Kohlelieferungen finanzieren würde, aber als Voraussetzung dafür gewertet wird, ist ungewöhnlich. Daran stößt sich auch - offiziell - Staatskassier Androsch.

Inoffiziell macht aber ein anderes Motiv die Runde: Der Vizekanzler verweigere deshalb seine Unterschrift, weil er zwischenzeitlich fest mit einer zweiten Atomvolksabstimmung und etwa 1982 mit der Doch-noch-Inbetrieb-nahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf rechne, womit sich ein Ersatz erübrigen würde: eine Hoffnung, die auch' in den offiziellen Unterlagen der jüngsten Regierungsklausur durchklingt. Österreich werde, heißt es dort, letztendlich nicht auf Kernenergie verzieh- • ten können.

Allerdings, so verlautet aus der Energiewirtschaft, könne die Androsch-Rechnung nicht aufgehen. Vielmehr müsse der Finanzminister versuchen, die simple Kreisky-Gleichung „Tausche West-Devisen gegen Ost-Energie” trotz der heiklen Garantiefrage zu lösen.

Denn: „Die Polen-Kohle brauchen wir auf alle Fälle, egal, ob Kernkraft oder nicht. Und somit können wir auch auf den Kredit nicht verzichten”, beharrt Verbund-Generaldirektor Walter Fremuth im Vorjahr auch Kreisky-Be-gleiter nach Polen auf Einhaltung der Vereinbarung vom November.

Ähnlich enttäuscht über die Zwen-tendorf-Spekulationen, die nun unter Umständen die Kohlelieferungen aus Polen gefährden, ist man auch bei der NEWAG: „Das hat überhaupt nichts mit Zwentendorf zu tun. Wir hätten -auch bei Inbetriebnahme von Zwentendorf - ohnehin ein thermisches Kraftwerk geplant. Wir müssen bauen.”

Kraftwerke ohne die notwendige Kohle durch Kraftakte für das Kernkraftwerk Zwentendorf?

Durch das Taktieren des Finanzministers fürchten die Stromerzeuger, gehe wertvolle Zeit verloren, um -sollte das Polen-Geschäft platzen - Ersatzlieferungen etwa aus Amerika oder Südafrika einzukaufen. Und da sich das Karussell der Energiesparer schneller denn je drehe, werde auch Kohle immer schwieriger und teurer zu haben sein.

Damit riskiere Androsch, daß zuerst die Import;Kohle, letztlich aber auch der Strom, erheblich teurer wird - mit und ohne Zwentendorf. Das könnte ein Eigentor sowohl für die Zahlungsbilanz, wie auch für die Inflationsentwicklung sein.

Allerdings wird Österreich schon sehr bald daran erinnert werden, daß es mit Vereinbarungen nicht nach Belieben umspringen kann: noch im Juni rufen sich die Polen in Erinnerung.

Vom 25. bis zum 27. Juni kommt Po-, lens Ministerpräsident Edward Babi-uch auf Österreich-Besuch, um dort einzuhaken, wo Kreisky vor sechs Monaten Vielversprechendes an gemeinsamen Energieprojekten verhieß.

An der Vertragstreue Polens, meinte Handelsminister Staribacher damals, sei nicht zu zweifeln. Ob die Polen dies nun auch uns attestieren würden?

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