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Krebsgeschwür Afrikas

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„Tribalismus? Sie sagten Triba-lismus?“ Dieses Wort ist vom Norden bis zum Süden Schwarzafrikas tabu. Aber viele Morde geschehen in seinem Namen. Stammesgegensätze verwüsten den Kontinent und zerstören die Länder für viele Generationen.

Die Rivalität zwischen den Volksgruppen der Tutsi, die die alte Aristokratie sind und mit 15 Prozent der Gesamtbevölkerung bis heute die Macht haben, und der Mehrheit der Hutu (80 Prozent der Bevölkerung), markierte immer die Geschichte Burundis, des ehemaligen belgischen Protektorats.

Das Land leidet jetzt wieder — wie in den Jahren 1969 und 1972 -unter blutigen ethnischen Konflikten. 1972 wurden an die 200.000 Hutu von den Tutsi ermordet. Bis heute — das heißt seit Beginn der zweiten Augusthälfte dieses Jahres — wurden offiziell 5.000 Tutsi ermordet. Manche sprechen sogar von 24.000 Tutsi. Es ist nicht bekannt, wie viele Hutu bei einer Intervention der Armee, in der die Tutsi das Sagen haben, ums Leben gekommen sind. Der Konflikt in der Provinz Kirundo — im Norden des kleinen Landes — löste einen Flüchtlingsstrom von fast 40.000 Hutu nach Ruanda, dem nördlichen Nachbarn Burundis, aus.

Warum kam es zu diesen neuen Brudermorden? Beide Volksgruppen beschuldigen einander, der Urheber zu sein. Die Regierung in Bujumbura wirft den oppositionellen Hutu vor, aus dem Exil in den Nachbarländern den ethnischen Haß zu schüren. Aber der ehemalige Präsident Jean-Baptist Bagaza, der 1987 gestürzt wurde, beteuerte aus seinem ugandischen Exil, nichts mit den jetzigen Vorfällen zu tun zu haben.

Zur Wiederherstellung der Ordnung verhängte der jetzige Präsident Burundis, Pierre Bu-yoya, ein Ausgehverbot.

Der Krebs des Tribalismus ist eine Wunde, die die afrikanischen Länder nach innen zernagt. Diese Wunde, in der die Kolonisatoren immer wühlten, können die unabhängigen schwarzen Länder nicht von selbst ausheilen. Deshalb verbergen die afrikanischen Führer bei solchen Konflikten gerne ihr Gesicht hinter dem Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder.

Wie kann in diesen vort den Kolonialherren künstlich geschaffenen Staaten ein Nationalgefühl entstehen? Bürgerkriege waren unumgänglich und unvermeidbar. Doch die Erziehung und der Zeitfaktor, aber auch das städtische Leben und die Uberzeugung der jungen Afrikaner, eine Zukunft mit Hoffnung zu haben, tragen dazu bei, daß das Nationalgefühl — als Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe — stärker wird. Doch der Tribalismus ist ein Handicap für diese Entwicklung.

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