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Kredite, Klubs, Kontenbesitzer

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„Jeder Student braucht heute ein Konto. Das merken Sie spätestens dann, wenn Sie sich in Griechenland sorgfältig auf das Wintersemester vorbereitet haben und, nach Hause zurückgekehrt, Strom und Gas abgesperrt vorfinden.” So schreibt die Creditanstalt in ihrem Prospekt über Studentenservice. Denn: Man will beim „Überfluß an Geldmangel” helfen.

Was früher mit schlichten Serviceeinrichtungen für Studenten begann, entwickelte sich in den letzten Jahren, und hier vor allem in Wien, immer mehr zu Freizeitangeboten von Banken und Sparkassen für Jugendliche.

Denn die Kreditinstitute betreiben regelmäßig Marktforschung. Die Erste österreichische Spar-Casse förderte zum Beispiel im April dieses Jahres interessante Ergebnisse zutage:

• Das Girokonto ist die „Drehscheibe” des Bankkunden, um die sich sämtliche Bankgeschäfte bewegen;

• die Österreicher sind eher kreditscheu - Schuldenmachen galt bisher immer als verpönt. Trotzdem haben 14 Prozent aller 14- bis 24jährigen Wiener einen Kredit bei einem Institut;

• vier von fünf Österreichern wechseln überhaupt nicht die Bank - außer, sie sind sehr unzufrieden.

Was liegt näher, als jenes zukünftige Kundenpotential anzusprechen, das noch nicht über ein Konto verfügt? Das Ergebnis heißt „Jugend- Marketing”: Während sich so etwa die Raiffeisenkasse ayf Kinder im schulpflichtigen Alter konzentriert und durch Förderung der Sparidee die zukünftigen Bankkunden zu pflegen versucht, sind andere Institute (Die Erste, Creditanstalt, Zentralsparkasse) dazu übergegangen, 15- bis 20jährige mit Clubs und Popveranstaltungen zu betreuen.

Die Creditanstalt verspürt inzwischen den Druck der Wiener Sparkassen und hat seit einiger Zeit ihre Konzerte in die Bundesländer verlegt. Gert Fischer, Manager der CA- Musikveranstaltungen: „Wir waren überhaupt die ersten, die auf diesem Sektor etwas unternommen haben.”

Die Erste fuhr im April des Vorjahres mit schweren Geschützen auf: Der „Club I” ist gegründet worden, der nun - darauf wird vom jungen Boß Walter Lutschinger hingewiesen - im Schnitt jeden zweiten Tag eine Veranstaltung durchführt. Man darf mit Starjoumalisten ein Fußballspiel auf Tonband kommentieren, mit Künstlern und Sportlern diskutieren, tanzen und viel Musik hören. Sogar ein Abendessen mit Niki Lauda ist zu gewinnen.

Das alles zu Minimalpreisen, die zusätzlich zum Jahresmitgliedsbeitrag von 50 Schilling dazukommen. Friedrich Knöbl, Marketing-Mann der Ersten und im Gegensatz zu Lutschinger Krawattenträger, rechtfertigt das Banktreiben: „Wir wollen nicht nur ein Kartenbüro sein, sondern den Freizeitmarkt bereichern. Und natürlich emotionelle Bindungen schaffen.”

Die „emotionellen Bindungen” hatte sich die Zentralsparkasse schon lange zuvor geschaffen: Mit einem seit 1975 eingerichteten „Z-Club”, der vor allem für Alternativexperimente und Linkskultur gedacht gewesen war. Damals war der „Z-Club” noch gratis. Doch die Geschäftsführung besann sich allmählich darauf- nachdem das Konkurrenzunternehmen der Ersten den „Club I” gründete -, daß man auch Jugendliche braucht, die ein Konto zu haben haben. Ein zweiter, kostenpflichtiger „Z-Club” folgte, der alte wurde auf „Z-Club-Alternativ” umgetauft. Jetzt hat die Bank nach eigenen Angaben

16.0 neue Konten (Die Erste: 6000), die von Jugendlichen eröffnet worden sind. Franz Schwartz, Chef des Altemativ-Clubs: „Unser Club hat ein Zielpublikum, und wir wollen nicht bloß konsumieren. Der Alter- nativ-Club verlangt nach wie vor keinen Eintritt.” Nach einer Denkpause macht Schwartz seinem Unbehagen Luft: „Es wäre ganz einfach unfair, jetzt nach vier Jahren ein Konto zu verlangen. Das würde ich moralisch nicht aushalten.”

Franz Küberl, Vorsitzender des österreichischen Bundesjugendringes: „Das Banktreiben hat sicher einen positiven Aspekt. Die Leute investieren viel Geld in die Jugend, und Kulturelles wird auch viel geboten. Negativ dabei ist, daß es ein Schritt in die Kommerzialisierung der Jugend ist. Ich betrachte die ganze Sache skeptisch.”

Daß die Jugendlichen durch Freizeitangebote aller Art zu einem bestimmten Kreditinstitut gelockt werden sollen, daraus macht niemand einen Hehl. So steht in einem Arbeitspapier der Raiffeisenbank: „Aus der Erkenntnis, daß die Jugend einen Marktfaktor darstellt, der die zukünftige Marktposition entscheidend beeinflussen wird, hat die österreichische Raiffeisen-Geldorganisation auch für das Jugend-Marketing eine spezielle Strategie entwickelt.” Das gilt aber für alle Institute.

Spätestens im Sommer 1980 werden Raiffeisen und Creditanstalt mit neuen Ideen auftrumpfen. Auch die Erste will den Jugendkundendienst weiter ausbauen. Konkretes verrät freilich keiner.

Genausowenig wie das Budget, das in Jugend-Marketing hineingebuttert wird.

Man gibt sich jedenfalls seitens der Banken in jeder Hinsicht Mühe. Im Oktober, wenn der ursprüngliche „Z-Club” wieder seine Alternativpforten öffnet, kann man sogar in der hauseigenen „Videothek” um 20 Schilling den ORF-„Club 2” mit Nina Hagen sehen.

Auch das bieten Sparkassen.

• Als „Wiener Serpico, nur nicht so brutal”, bezeichnete Wiens Vizebürgermeister Gertrude Fröhlich-Sand- ner die Arbeitsweise von acht jungen Sozialarbeitern, die die Methode des „Streetworks” in den nächsten zehn Monaten erproben werden. Sie werden sich dort aufhalten, wo sich besonders gute Anknüpfungspunkte an sozial geschädigte Jugendliche bieten: auf der Straße. Durch den Einsatz der Sozialarbeiter, die in Deutschland Erfahrungen gesammelt haben, sollen vor allem alkohol- und rauschgiftgefährdete Jugendliche, die erst im Änfangsstadium sind, betreut werden; aber auch solche, die sich am Rande der Kriminalität aufhalten.

Auch ÖVP-Stadträtin Gertrude Kubiena begrüßt diese Initiative, fragt sich jedoch,, was mit den in Rauschgiftkontakt aufgelesenen Jugendlichen geschehen solle, da ja in Österreich nur 30 Betten für eine wirkungsvolle Langzeitbehandlung zur Verfügung stünden. Nach den gemachten Erfahrungen wird man im Sommer 1980 darüber beraten, ob und wie ein Ausbau des „Streetworks” erfolgen könnte.

• Etwa vier von fünf Maturanten hätten nach ihrem Schulabschluß überhaupt keine konkreten Berufsvorstellungen, betonte eine Vertreterin der Wiener Handelskammer bei einer Feier anläßlich des 60jährigen Bestehens der katholischen Studentenverbindung „Liechtenstein” in Wien. Grundlage dafür sei eine vor kurzem durchgeführte Umfrage.

Die Studentenverbindung wird ihr Jubiläum zusätzlich mit einem Simultanschachspiel mit dem sowjetischen Jugendmeister feiern.

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