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Kreisky — wie Klaus
Ähnlich wie Dr. Klaus bei den für die ÖVP so verhängnisvoll ausgegangenen Nationalratswahlen vom 1. März 1970, setzt nun auch Dr. Kreisky alles auf eine Karte: So wie vorher sein Amtsvorgänger, peilt auch er für die Oktoberwahlen dieses Jahres die absolute Mehrheit als Wahlziel an.
Ähnlich wie Dr. Klaus bei den für die ÖVP so verhängnisvoll ausgegangenen Nationalratswahlen vom 1. März 1970, setzt nun auch Dr. Kreisky alles auf eine Karte: So wie vorher sein Amtsvorgänger, peilt auch er für die Oktoberwahlen dieses Jahres die absolute Mehrheit als Wahlziel an.
Im Rückblick sind sich freilich heute nahezu alle politischen Kommentatoren darüber einig, daß die harte Forderung an den Wähler, der Volkspartei 1970 noch einmal einen Alleinregierungsauftrag zu geben, Klaus’ Absage an jede Koalition und seine Erklärung, nur Kanzler sein zu wollen, wenn die ÖVP allein regieren kann, damals der ÖVP den Rest gegeben haben dürfte.
Nun macht Dr. Kreisky offenbar nach, was sich bei Dr. Klaus so verhängnisvoll auswirkte.
Wie also ist die Papierform zu W ahlkampfbeginn?
Glaubten vor den Wahlen vom März 1970 nur wenige eingefleischte Optimisten aus den Reihen der Volkspartei an deren durchschlagenden Erfolg, so geben diesmal selbst die Meinungsforscher der SPÖ reale Chancen, die Hürde zu nehmen. Immerhin notierte sie bei letzten Meinungsumfragen mit 48 Prozent nur sehr knapp unter diesem Ziel. Indessen gibt es in ganz Europa einen Trend in Richtung auf Verbreiterung der Wechselwählerschichten, deren Verhalten sich nur schwer vorauserfassen läßt. Prognosen werden immer mehr zu unzuverlässigen Bundesgenossen. Das erfuhr schließlich vor nicht allzu langer Zeit Wilson in England, der ähnlich Kreisky den für ihn günstig scheinenden Zeitpunkt für Neuwahlen wählte und den damals gleichfalls die Meinungsforscher eindeutig zum Favoriten stempelten. Trotzdem entschied der Wähler Btäers’.
In Österreich tritt als Unsicher heitsfaktor noch hinzu, daß das Wahlrecht umstritten ist. Gerade der Streit um die Volkszählung, angeheizt von einem der gewiegtesten Taktiker der Volkspartei, dem Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer, könnte noch einige, emotionell bestimmte Änderungen bringen.
So trügerisch Meinungsumfragen auch sein mögen, angesichts so vieler Faktoren, die das politische Geschehen und das Wählerverhalten beeinflussen können, richten die Parteien ihre Strategie dennoch weitgehend nach ihnen aus:
• So versucht die SPÖ, die Wahlstimmung eher unterkühlt zu halten. Zeigte sie sich lange vor den letzten Wahlen mit Plakaten und Inseraten sehr angriffslustig, hält sie sich nun sehr zurück. Die Sozialisten verlassen sich diesmal auf die Disziplin ihres Anhanges stärker als auf die Werbung neuer Schichten. Denn die Meinungsforschung sagt schließlich, daß die SPÖ bloß um 2 Prozent stärker zu werden braucht, um allein regieren zu können. Die Meinungsforschung sagt aber auch, daß sie sich nicht allzusehr anzustrengen braucht, um wenigstens relativ die Nase vorne halten zu können.
• Der SPÖ ist Regierungsverantwortung in der kommenden Legislaturperiode weit sicherer als der Volkspartei. Diese hat nur reale Chancen, wenn sie im Land wieder stärkste Partei und damit mit der Regierungsbildung beauftragt wird.
• Während die Sozialisten daher ihf Süppchen im Vorwahlkampf eher auf
Sparflamme kochten, sah sich die Volkspartei veranlaßt, diesmal den Spieß umzudrehen und offensiv schon in der Vorphase in den Angriff überzugehen.
Sie tat dies im August mit einer Kampagne, die in erster Linie darauf abzielte, in der Bevölkerung das Bewußtsein für die nichterfüllten
Versprechen Kreiskys zu wecken.
Diese Kampagne, optisch tief in schwarz gehalten, umfaßte ein Plakat und eine dosierte Inseratenwerbung, die in der Feststellung gipfelte, daß „Politik ehrlich sein müsse“.
Während die Sozialisten ihren Wahlkampf vorwiegend als Leistungswahlkampf führen wollen und darauf hinweisen, was Kreisky und sein Team alles zustande gebracht haben, steht die Volkspartei in ihrer Kampagne auf zwei Beinen: Sie hält den Sozialisten vor, was sie von ihren Versprechen nicht erfüllt hätten und will sich auf der anderen Seite selbst als Alternative präsentieren.
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