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Krejci: Eine 2. Volksabstimmung? Weiser: Bonus für Stromsparer

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Nach der Volksabstimmung über Zwentendorf bewegt nun alle die Frage: Wie geht's weiter? Prof Herbert Krejci, stellvertretender Generalsekretär der Industriellenvereinigung und Pro-Zwentendorf-Kämpfer, glaubt, daß die Bevölkerung die Atomkraft noch einmal bejahen werde. Eine zweite Volksabstimmung hält er für möglich. Prof. Peter Weiser, Chef der Energieverwertungsagentur, plädiert für einen Stromtarif nach dem Bonus-Malus-System und für die Kleinwasserkräfte. Die Gespräche führte Alfred Grinschgl.

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Nach der Volksabstimmung über Zwentendorf bewegt nun alle die Frage: Wie geht's weiter? Prof Herbert Krejci, stellvertretender Generalsekretär der Industriellenvereinigung und Pro-Zwentendorf-Kämpfer, glaubt, daß die Bevölkerung die Atomkraft noch einmal bejahen werde. Eine zweite Volksabstimmung hält er für möglich. Prof. Peter Weiser, Chef der Energieverwertungsagentur, plädiert für einen Stromtarif nach dem Bonus-Malus-System und für die Kleinwasserkräfte. Die Gespräche führte Alfred Grinschgl.

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FURCH,E: Sie haben sich sehr stark für die Kernkraft engagiert. Haben Sie das als Repräsentant der Industrie oder als Staatsbürger Herbert Krejci getan?

KREJCI: Ich habe diese Funktion ad personam eingenommen - aber mit vollem Wissen und mit Zustimmung des Präsidenten Dr. Igler und des gesamten Präsidiums der Industriellenvereinigung. Die Idee war, in dieser wichtigen Frage auch einen sozialpartnerschaftlichen Konsens öffentlich zu demonstrieren.

FURCHE: Von der Seite der Kernkraftbefürworter wurden hauptsächlich Argumente der wirtschaftlichen Vernunft in die Diskussion eingebracht. Gibt es auch andere Gründe, die für die Kernkraft sprechen?

KREJCI: Wir habenüns im Kjj-gri-, tee nicht nur mit der wirtschaftlichen Seite auseinandergesetzt, sondern uns auch im Rahmen eines eigenen Symposions mit den psychologischen Motiven der Furcht vor Kernenergie befaßt. Ebenso haben wir uns auch bemüht, Argumente über technische Aspekte und über die Sicherheit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu verbreiten.

Eines der Argumente, das wir versucht haben zu verbreiten, war auch die heute von vielen Fachleuten nicht bestrittene Tatsache, daß zur Dek-kung der zu erwartenden Energielücke bis zur Jahrtausendwende die Energie aus der Kernspaltung unbedingt gebraucht wird; eine Ansicht, die übrigens auch der „Club of Rome“ in seinem jüngsten Bericht teilt. Ich sage das deshalb, weil man erwartet, daß etwa um die Jahrtausendwende die Fusionsenergie (also, die aus der Kernverschmelzung) kostengünstig im Großen genützt werden kann.

FURCHE: Markiert für Sie die Zwentendorf-Abstimmung das Ende des allgemeinen Glaubens an die Technik?

KREJCI: Die Aktivität um Zwentendorf hat eines besonders deutlich werden lassen: Eine sehr tiefgreifende Verunsicherung über die moderne Technik und den technischen Fortschritt überhaupt. Hier wurden Urängste zum Teil deutlich, zum Teil auch künstlich geschürt.

Es wird daher eine der wichtigsten Aufklärungsarbeiten der nächsten Zeit sein, durch vernünftige Information einem Aufkommen einer neuen Art von „Maschinensturm“ entgegenzuwirken und der Öffentlichkeit klar zu machen, daß eine Rückkehr in eine „heile Welt“ mit schweren Einschränkungen, Opfern und wahrscheinlich auch einer Verschlechterung unserer internationalen Konkurrenzposition verbunden wäre.

FURCHE: Vor der Abstimmung wurde hinter der Kernkraft-Gegnerschaft oft eine Verschwörung der Maoisten mit den Faschisten gesehen.

KREJCI: Ich glaube, das Zwen-tendorf-Resultat hat gezeigt, daß das

traditionelle Parteien- und Lagerge-füge aufgebrochen und in Bewegung geraten ist. Das sollten die etablierten politischen Kräfte, ohne Uberschätzung, ernst nehmen.

FURCHE: Halten Sie es für möglich, daß unter den Zwentendorf-Gegnern viele dabei waren, die ihr Unbehagen gegenüber den herkömmlichen Machtstrukturen, einschließlich der Sozialpartner, zum Ausdruck brachten?

KREJCI: Unter den Nein-Stimmen waren sicher auch viele Österreicher, die „denen da oben“ einen Denkzettel verpassen wollten.

Eine Lehre aus Zwentendorf sollte auch die sein, daß wieder eine engere Tuchfühlung zwischen „Spitze und Basis“ hergestellt wird. Ein Kommunikationsprozeß müßte in beiden Richtungen intensiviert werden.

FURCHE: Wie geht es nun weiter: Wäre es nicht denkbar, daß auch die Entwicklung alternativer Energien eine sehr positive innovatorische Kraft auf unsere Wirtschaft ausüben könnte?

KREJCI: Was jetzt notwendig ist, ist eine Abkühlungsphase für die hochgekommenen, Leidenschaften, damit in ruhiger und sachlicher Arbeit, die energiepolitischen Probleme im weitesten Sinne gemeistert werden können. Aber auch dabei werden sich Realismus und Kreativität vereinigen müssen, da der praktische Nutzen von Sparmaßnahmen nicht überschätzt werden sollte. Darüber hinaus muß in der Frage der alternativen Energien vor allem an den kostengünstigen und raschen Einsatz auf breiter Front geachtet werden.

FURCHE: Können Sie sich vorstellen, daß sich die Meinung der Öffentlichkeit in zehn oder 20 Jahren ändert?

KREJCI: Ich könnte mir vorstellen, daß das Thema früher noch zur Sprache kommt, falls es eine tiefschneidende Energiekrise gibt. Die Gegner der Kernkraft müssen auch damit konfrontiert werden, was dann geschieht, wenn wir weitere Wasserkraftwerke bauen. Ist es besser Zwentendorf in Betrieb zu nehmen oder noch ein Tal und noch ein Tal zu zerhacken?

FURCHE: Können Sie sich vorstellen, daß neuerlich das Volk um seine Meinung zur Kernkraft gefragt wird?

KREJCI: Unter Umständen schon.

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FURCHE: In der öffentlichen Diskussion vor der Volksabstimmung hat man Ihre Stimme vermißt. Wäre diese Auseinandersetzung für Sie nicht der geeignete Zeitpunkt gewtsen, die Österreicher zum Energiesparen aufzurufen? -,. - -.■

WEISER:Da; -.hätte j abgesehen?'' als würde ich sagen; daß-<äuFeh Eneii-i! giesparen; Z wentendtfrf nerteetzlTTveT- &#9632;1 den kann. Die Gebiete, wo Energiesparen am wichtigsten wäre, sind ja der Erdöl- und Erdgasbereich. Abfer Zwentendorf erzeugt ja Strom!

FURCHE: Wird der Strom nicht auch vergeudet?

WEISER: Die Stromverschwendung liegt auf dem Gebiet, das nur langfristig zu beeinflussen ist: Das ist der Bausektor und das ist die Industrie. Am privaten Sektor sind das die elektrischen Raumheizungen auf Widerstandbasis. Elektroheizungen sollte man in Hinkunft nur noch als Fußbodenheizungen auf Niedertemperaturbasis einbauen.

FURCHE: Sollte man nicht auch einen Stromtarif finden, der nicht die Stromverschwender, sondern die Stromsparer belohnt?

WEISER: Der neue Chef eines Warenhauses in Graz hat kürzlich auf die

Klimaanlage verzichtet und mit Wärmerückführung zu arbeiten begonnen. Der Energieaufwand konnte um zwei Drittel gesenkt werden. Eines Tages kam ein Brief ins Haus geflattert, in dem mitgeteilt wurde, man sei nicht mehr Großabnehmer und müsse den normalen Tarif bezahlen. Wer Energie spart, wird also bestraft.

Mein Vorschlag: Jeder Haushalt, dessen Stromverbrauch über einer bestimmten Grenze liegt, kommt in den Malus. Wer wenig Strom verbraucht, sollte dafür in den Bonus-Bereich kommen.

FURCHE: Die entscheidende Frage in der Zukunft wird sein, ob es gelingt, die Zuwachsraten im Stromverbrauch einzubremsen. Sind Sie hier optimistisch?

WEISER: Wenn man die Elektroheizungen nicht einschränkt und nichts für das Energiesparen in den Gebäuden tut, dann könnten die Zuwachsraten fünf Prozent betragen. So lautet die Prognose bei annähernd gleichem Wirtschaftswachstum. Die Wachstumsrate im Stromverbrauch ist aber leicht unter drei Prozent zu bringen, wenn man - außer in Sonderfällen - keine Klimaanlagen mehr installiert, nur mehr Fußbodenheizungen auf Niedertemperaturbasis einbaut und auch sonst Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden vornimmt.

FURCHE: In welchem Ausmaß ist eine Entlastung vom Einsatz alternativer Energien zu erwarten?

WEISER: Durch den Einsatz alternativer Energien, von der Sonnenenergie, über Wärmepumpen bis zur Bio-Energie, könnte der Stromzu-waehs auf 1,5 oder 1,9 Prozent hini untergedrückt wefdferi. Sonnenkol-lektorem“wären in'Österreich für Schwimmbäder und Warmwasser als Zusatzheizung gut geeignet.

FURCHE: In Österreich wird in der Energieversorgung immer von den großen Projekten gesprochen. Ist es nicht ein Jammer, daß so viele Kleinkraftwerke brach liegen?

WEISER: Für die Aktivierung der Kleinwasserkräfte würde ich folgende Vorgangsweise vorschlagen: Bestehende Anlagen muß man zuerst einmal modernisieren. Im nächsten Schritt müßten stillgelegte Kraftwerke reaktiviert werden; das sind etwa 1000 Werke in ganz Österreich. Schließlich ist daran zu denken, die ausbauwürdigen Kleinwasserkräfte auch in Angriff zu nehmen.

Dies ergäbe bei einer klugen Politik vermutlich ein zusammengefaßtes Potential, das der Leistung eines Atomkraftwerkes oder dreier Donaukraftwerke entsprechen würde.

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