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Krems blickt nach Osten

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Die Diskussion um eine Univer- sität für Niederösterreich hatte mit einer Willenserklärung des nieder- österreichischen Landeshauptman- nes am 14. Februar 1984 begonnen. Parallel zur Diskussion um eine eigene Landeshauptstadt für Nie- derösterreich mehrten sich die Stimmen derer, die zusammen mit einer Neuordnung der zentralen Strukturen dieses Landes auch die Gründung einer Donau-Universi- tät verlangten. Denn Niederöster- reich ist wie kein anderes Bundes- land für eine Universität mit neuen Organisationsformen, Inhalten und Kombinationen von Fachgebieten prädestiniert. „Die Vision der Donau-Universität muß Wirklich- keit werden" forderten damals Universitätsprofessoren wie bei- spielsweise der heutige wissen- schaftliche Leiter der in Krems entstandenen Landesakademie, Peter Kampits.

Die Öffnung des Ostens vermehrt sicherlich die Chancen dieser wis- senschaftspolitischen Ziele, des Landes Niederösterreich, da dieses Land mit seiner langen bis vor kurzem toten Grenze im Osten und im Norden plötzlich in die Mitte Europas gerückt ist. Auch der Bund neigt immer mehr der Ansicht zu, daß wissenschaftspolitisch neue Chancen in Europa auch für Nie- derösterreich genützt werden kön- nen, indem hier eine Stätte der mit- teleuropäischen Begegnung im Sinne einer interdisziplinären Wis- senschaftspflege und zwar in der Form der postgradualen Weiterbil- dung entstehen könnte.

Es ist Ziel der Wissenschaftli- chen Landesakademie für Nieder- österreich, erste österreichische Universität für akademische Wei- terbildung und interdisziplinäre Wissenschaftspflege zu werden. Als Donau-Universität wäre sie gleich- zeitig ein ideales Zentrum der Ost- West-Begegnung. Der Vorteil einer Ausrichtung von Krems auf post- graduale Lehre und Forschung liegt darin, daß es hier reiche Betäti- gungsmöglichkeiten gibt.

Im Paragraph 1 des Universitäts- organisationsgesetzes wird zwar den Universitäten die Aufgabe auferlegt, die graduierten Absol- venten nach dem Stand der Wis- senschaften aktuell weiterzubilden. In der Tat ist es so, daß sie zu diesem Zweck auch eine Fülle von Hoch- schullehrgängen und Hochschul- kursen abhalten.

Aus Kapazitätsgründen und aus anderen Gründen sind die Univer- sitäten aber letztlich nicht in der Lage, diese Aufgabe ausreichend wahrzunehmen, was viele außer- universitäre Einrichtungen zu nut- zen wissen. Hochschullehrgänge dienen der Vermittlung vorwiegend praktischer Kenntnisse zur Fort- bildung oder als ergänzende Aus- bildung in bestimmten Fachgebie- ten neben oder nach dem ordentli- chen Studium.

Sie können also entweder im klassischen Sinn als post-promo- tionelle Lehrgänge abgehalten, aber auch von Studierenden nebenbei belegt werden. Sie sind der rechtli- che Rahmen, in dem am einfach- sten und mit größtmöglicher Rechtssicherheit ausgestattet die Landesakademie ein postgradua- les Angebot entfalten kann, da die- se Lehrgänge mit einer Berufsbe- zeichnung abschließen können, zum Beispiel mit dem Titel eines akade- misch geprüften Versicherungs- kaufmannes. Das in Österreich so wichtige „Akademisch geprüf- ter..." wird jedenfalls verliehen.

Die Landesakademie wurde 1987 durch ein Landesgesetz als eine Einrichtung öffentlichen Rechts geschaffen. Sie hat aber damit noch keinen bundesrechtlichen Status. In den Augen des Bundes handelt es sich um eine private Einrichtung. Dies hatte zur Folge, daß die Lan- desakademie bisher zur Durchfüh- rung von Hochschullehrgängen immer eine Universität als Partner gebraucht hat. Denn nur von einer Universität ausgestellte Zeugnisse genießen bundesrechtliche Aner- kennung und sind österreichweit gültig.

Dem wird in Kürze abgeholfen sein. Eine Novellierung des Allge- meinen Hochschulstudiengesetzes und des Universitätsorganisations- gesetzes steht unmittelbar bevor. Noch vor dem Sommer soll die Landesakademie auf ihre Rechnung kommen: Außeruniversitären Ein- richtungen wird künftig in Öster- reich das Recht zuerkannt, Hoch- schullehrgänge und Hochschulkur- se aus eigenem durchzuführen. Eine Verordnung des Ministeriums wird ihnen auf entsprechendes Ansuchen den universitären Charakter zuer- kennen.

Das Lehrgangsangebot der Lan- desakademie kann sich dann freier entfalten. Bisher gibt es:

• Einen Österreichischen Univer- sitätslehrgang für Fremdenverkehr mit der Wirtschaftsuniversität Wien

• Hochschulkurse für System- und Automatisierungstechnik mit der Technischen Universität Wien

„Teilnehmergebühren soll- ten langfristig zu einer Ko- stendeckung führen"

• Postgraduale Kurse für Juristen und Absolventen verwandter Stu- dienrichtungen zu aktuellen juri- dischen Fragen mit Professoren der Universität Wien

• Dissertantenseminare und Dok- toratsstudien aus Pädagogik mit dem Institut für Pädagogik der Uni- versität Wien

• Ein völlig neues sechs-semestri- ges Modell zur Facharztausbildung zum Facharzt für Psychiatrie. Dar- über hinaus eine Fülle von Einzel- veranstaltungen, die den sechs Fachbereichen der Landesakade- mie entsprechen.

Die Fachbereiche der Landes- akademie sind: Wirtschaftswissenschaften Technische Wissenschaften Geistes- und Kulturwissenschaften Umweltwissenschaften Medizin und Rechtswissenschaften

Absicht der Landesakademie ist es, in den genannten sechs Fachbe- reichen systematische postgradua- le Lehrgangsangebote aufzubauen und damit die Universitäten zu entlasten, an denen in bezug auf die Einrichtung von Hochschullehr- gängen eine restriktive Haltung auf Grund der Ressourcenknappheit zu verzeichnen ist.

Die Akademie wird auf Grund ihrer Lehrgangsplanungen den verschiedenen privaten Bildungs- institutionen keine Konkurrenz machen, weil sie eine systemati- sche Marktnischenpolitik betreibt und ihre Lehrgänge eine Kontinui- tät von durchschnittlich vier Se- mestern aufweisen beziehungswei- se aufweisen werden. Derart lang- fristige Bildungskonzepte sind bei den genannten privaten Institutio- nen auf universitärem Niveau nicht vorgesehen.

Selbstverständlich können die Programme der Landesakademie nicht kostenlos angegeben werden; es werden jedenfalls Teilnehmer- gebühren vorgeschrieben, die lang- fristig zu einer Kostendeckung führen sollten. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß Ermäßigungen im Bedürftigkeitsfall gewährt wer- den.

Abschließend noch einige Hin- weise auf aktuelle Lehrgangspla- nungen, Angebote, die ab Herbst 1990 oder Frühjahr 1991 zu erwar- ten sind:

• Einrichtung eines Management- Hochleistungsstudiums „Master of Business- Administration-Austria", ein Programm, das sich auf Ost- West-Management, Technologie- Management oder Kultur-Manage- ment spezialisieren wird und sich an bereits erfolgreich berufstätige Manager wendet.

• EinEG-Postgraduate-Lehrgang, gemeinsam mit der Technischen Universität Wien, der sich vor al- lem dem Europarecht widmen und an Juristen, Sozial- oder Wirt- schaftswissenschafter sowie Tech- niker wenden wird.

• Ein Lehrgang zur Ausbildung von Kuratoren für Kunstmuseen und Kunstausstellungen als pra- xisorientierte Weiterbildung für Personen, die im Kulturbetrieb ar- beiten beziehungsweise arbeiten wollen.

• Ein Lehrgang für Effizientes Stoff- und Energiemanagement für Techniker, Wirtschafts- und Rechtswissenschafter, mit dem Ziel der Vermittlung von Spezialkennt- nissen in den Bereichen der Abfall- vermeidung beziehungsweise Ent- sorgung und der sinnvollen Ener- gieplanung und Energieverwen- dung.

• Teile der Turnusärzteausbildung zum praktischen Arzt in verschie- denen Theoriefächern, wie Hals- Nasen-Ohren-Medizin, Kinderheil- kunde, Unfallchirurgie und Haut- krankheiten.

• Lehrgänge für Gerontologie und Geriatrie, Supervision, Bewegungs- therapie und Pflegewissenschaften zur Bildung eines neuen Schwer- punktes „Angewandte Humanwis- senschaften" an der Landesakade- mie.

Natürlich erhebt diese Aufzäh- lung keinen Anspruch auf Vollstän- digkeit. Sie soll nur die wichtigsten Stoßrichtungen und Planungen der Kremser Akademie aufzeigen. In- formationsmaterial ist selbstver- ständlich über die Akademie er- hältlich. Die Chancen von Krems liegen also sehr klar in der Durch- führung von Angeboten zur Wei- terbildung.

Für das Management in Krems bleibt es logische Aufgabe, seinen Weg zur ersten österreichischen Postgraduate-Universität konse- quent weiterzugehen.

Der Autor ist Geschäftsführer der Wissen- schaftlichen Landesakademie für Niederöster- reich in Krems.

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