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Krieg: Legales Mittel

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Interview mit dem Palästinenser Ahmad Türk, Kinderfacharzt in Wien, über den Golfkrieg

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Interview mit dem Palästinenser Ahmad Türk, Kinderfacharzt in Wien, über den Golfkrieg

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FURCHE: Wodurch läßt sich die Begeisterung der arabischen Bevölkerung in den einzelnen Staaten für 'Saddam Hussein erklären?

AHMAD TÜRK: Als Person wird Saddam Hussein nicht bejubelt und vergöttert. Er hat die Lücke erkannt, die schon lange zu besetzen war: Die Araber sind in ihrem Stolz beleidigt. Da ist auf der einen Seite der Kolonialismus, auf der anderen - wie sich am Beispiel Palästina leicht zeigen läßt - die schreckliche Lage der Menschen, Not, Elend, Unsicherheit. Palästinenser sind Menschen zweiter Klasse. Da ist es völlig egal, wer kommt und eine Lösung der Probleme verspricht. Hätte ein anderer die Lösung der Probleme versprochen, mit oder ohne Krieg, dann wären sie auf dessen Seite gewesen.

Verschärft wird das Problem noch durch die Politik der,Amerikaner. Ihre Freunde sind die reichen Feudalherren. Die Araber sind politisch gesehen gegen Israel, die Amerikaner sind für die Israelis, daher sind die Araber gegen die USA, weil sie eine Politik gegen die arabischen Interessen (Palästina) machen. Das ist die Wurzel des Erfolgs für Saddam Hussein.

FURCHE: Ist den Arabern eigentlich bewußt, daß sich Saddam Hussein um die Menschenrechte überhaupt nicht schert, daß er bereits Giftgas gegen die eigene kurdische Bevölkerung eingesetzt hat?

TÜRK: Wenn Menschen mit ihren Gefühlen reagieren, weil sie eine Chance sehen, daß ihre Probleme gelöst werden, denken sie nicht an die anderen Taten, die Saddam Hussein begangen hat. Viele wissen von ihnen auch gar nichts, weil kein ausreichendes Informationsnetz zur Verfügung steht.

Müßte man sich in diesem Zusammenhang nicht die Frage stellen, woher denn Saddam die Möglichkeit hatte, Giftgas zu erzeugen? Wo waren die massiven Proteste der Amerikaner und Europäer, als die Kurden getötet wurden? Schwiegen sie nur, weil es ihnen in den Kram paßte, weil der Kampf gegen den Iran damals wichtiger war als alles andere?

Damit sie mich nicht falsch verstehen: Ich bin gegen den Krieg,

gegen die Chemie- und Atomwaffen, doch dürfen wir nie übersehen, daß unsere Probleme gelöst werden müssen. Das Palästinenserproblem ist das Problem Nummer eins im Nahen Osten. Dann darf nicht übersehen werden, daß die Palästinenser verbittert sind. Es kann nicht wundern, daß sie den Krieg, nachdem sie soviel Gewalt erlebt haben, als legales Mittel begreifen. Das gilt natürlich auch für die Israelis. Auch für sie ist nach der Geschichte der Krieg ein legales Mittel.

Mit dem Palästinenser AHM AD TÜRK, Facharzt für Kinderheilkunde und - neuropsychiatrie in Wien, Verfasser einer UNO-Studie über Waisen in Palästinenserlagern, sprach HELMUT A. NIEDERLE.

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