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Krieg um den „Messaggero“

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Die italienische Politik bietet gegenwärtig ein widersprüchliches Bild: Nach außen scheint mit der raschen Beilegung der 31. Regierungskrise der Nachkriegszeit alles zum besten bestellt zu sein. Die Möglichkeit einer Neuauflage des Links-Mitte-Kurses ließ viele Gemüter abermals Hoffnung auf eine stabilere Regierung schöpfen, und nicht wenige tragen sich noch immer mit dem Gedanken einer Legislaturregierung von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Republikanern und Linkssozialisten, die unter Mario Rumor bis 1977 dauern soll.

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Die italienische Politik bietet gegenwärtig ein widersprüchliches Bild: Nach außen scheint mit der raschen Beilegung der 31. Regierungskrise der Nachkriegszeit alles zum besten bestellt zu sein. Die Möglichkeit einer Neuauflage des Links-Mitte-Kurses ließ viele Gemüter abermals Hoffnung auf eine stabilere Regierung schöpfen, und nicht wenige tragen sich noch immer mit dem Gedanken einer Legislaturregierung von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Republikanern und Linkssozialisten, die unter Mario Rumor bis 1977 dauern soll.

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Wer Gelegenheit hat, mit italienischen Politikern unter vier Augen zu sprechen, bemerkt jedoch mehr Stirnrunzeln, Achselzucken und „Ja-aber“-Sätze als Zuversicht und Siegesstimmung. Mit vorgehaltenen Händen sprechen die Sachverständigen jetzt schon von der Zeit nach Rumors abermaligen Sturz, die für die Pessimisten bereits im September, für die Optimisten gegen Jahresende anbrechen wird.

Das große Fragezeichen der politischen Lage betrifft die wahren Absichten der Parteileitung der Demo-crazia Cristiana unter Fanfanis Führung. Daß der kleine große Mann wieder einmal Herr im Hause ist, läßt sich sogar an Äußerlichkeiten erkennen: Bei einer Zusammenkunft der christdemokratischen Parlamentarier wagte keiner, sich eine Zigarette anzuzünden, solange „II Capo“ es nicht tat, und da er es zwei Stunden lang nicht tat, blieben 300 Abgeordnete und Senatoren 120 Minuten lang ohne den „besänftigenden Glühstengel“ zwischen den Lippen.

Mit einer so kompakten Hausmacht im Rücken kann Fanfani nicht nur das gute und schlechte Wetter innerhalb der DC, sondern auch in der ganzen italienischen Politik machen. Die Unentschlossenheit der Linkssozialisten kommt den Christdemokraten vermehrt zugute. Zahlreiche politische Beobachter sind überzeugt, daß Fanfani jetzt und später den Bündnispartner der Regierung harte Bedingungen stellen wird. Geben sie nicht nach, so läßt er es vielleicht bereits in Jahresfrist zu Parlamentswahlen kommen, die der Democrazia Cristiana die absolute Mehrheit bescheren sollen. Mit einer solchen parlamentarischen Rückendeckung könnten die Christdemokraten dann tun und lassen, was sie wollen.

Unter diesen Vorzeichen kommt dem jeweiligen Zeitungskrieg um das römische Blatt „II Messaggero“ besondere Bedeutung zu. Der neue Mitinhaber, Rusconi, wollte den bisherigen Chefredakteur Allessan-dro Perroni einfach entlassen und durch Luigi Barzini ersetzen. Die Ernennung des ehemaligen liberalen Abgeordneten Barzini wurde jedoch von den Redakteuren des „Messaggero“ kurzerhand dementiert und „Rusconis verlängerter Arm“ vor einer Lagebesprechung kurzerhand aus „seinem“ Hause komplimentiert. Die Journalisten bestehen darauf, daß ohne ihre Zustimmung kein

Chefredakteur abgesetzt oder ernannt werden könne, und sie drohen mit einem neuen Streik, „falls der Verleger nicht endlich Vernunft annimmt“.

Nicht persönliche, sondern politische Differenzen stehen hinter diesem Zeitungskrieg. Bisher vertrat der „Messaggero“ einen linksliberalen Kurs, der den Lesern die Neuauflage des linken Zentrums als Italiens letzte große Chance anpries. Rusconi denkt aber bereits an die Zeit nach Humors Sturz, wenn die Christdemokraten allein, oder dm Verein mit den Liberalen, die Geschicke des Landes bestimmen sollen. Die Leser der prominenten Zeitungen müßten seines Erachtens jetzt schon auf die Renaissance eines wirklich schlagkräftigen Zentrums-kurses vorbereitet werden. Während die Linkssozialisten die Anliegen der die „Festung“ jetzt noch haltenden „Messaggero“-Redakteure vertreten, scheint Fanfani mit seiner Democrazia Cristiana hinter Rusconi zu stehen. Solange die bisherige Ohefredaktion noch nicht vom Verleger ausgebootet ist, spricht Perroni von Fanfanis „historischer Verantwortung“ und beschwört den neuen Generalsekretär der DC, die „Freiheit höher als die Macht'“ zu bewerten.

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