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Kriminalität: Tendenz steigend

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1953 wurde erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kri-minalstatistik veröffentlicht. Die Gesamtzahl der Verbrechen und Vergehen betrug damals 194.916. Im Vorjahr lag die entsprechende Zahl bei etwas mehr als 400.000. Die Kriminalität hat sich somit in diesem Zeitraum von fast 4 0 Jahren in etwa verdoppelt. Das ist zwar eine beachtliche Steigerung, im Vergleich zu den übrigen Industrie-ländern schneidet Österreich mit diesen Werten aber relativ gut ab.

Gesunken ist im selben Zeitraum allerdings die Aufklärungsquote -und zwar auf 50 Prozent. In Wien liegt sie derzeit sogar bei nur etwa 30 Prozent (1986 noch bei fast 40 Prozent). Bei manchen Delikten -es sind vor allem jene, die die Men-schen im Alltag unmittelbar be-treffen - ist die Wahrscheinlichkeit, den Täter auszuforschen, sogar schon auf etwa eins zu zehn abgesunken: "Von 100 Einbrüchen, von 100 Diebstählen an PKWs oder Motorrädern werden kaum mehr zehn aufgeklärt, von 100 Fahrrad-diebstählen überhaupt nur mehr vier," hält Wendelin Ettmayer, Sicherheitssprecher der ÖVP in einer Untersuchung der Situation der Kriminalität in Österreich (siehe Fußnote) fest.

Wien ist Spitzenreiter bei den unaufgeklärten Delikten, aber keine Ausnahme unter Österreichs Städten. Auch in Klagenfurt, Graz, Salzburg und Innsbruck werden weniger als die Hälfte der Delikte aufgeklärt.

Besonders stark ist die Eigen-tumskriminalität gestiegen. Allein in Wien hat sich die Zahl der Dieb-stähle und Einbrüche von 1988 auf 1989 um 20 Prozent auf 122.828 erhöht. Damit wird ein weiterer Aspekt der Kriminalitätsentwicklung angesprochen: die unterschiedliche Stadt-Land-Situation. Folgende Daten illustrieren es:

Auf 100 Einwohner entfielen 1988 im Burgenland 2,4, in Oberösterreich 4,6 (im ländlich Bezirk Rohrbach nur 2,9), in Wien aber 8,9 Delikte. Die Kriminalität konzentriert sich also auf den städtischen Bereich und sie steigt dort bei Eigentumsdelikte am stärksten an. Die höchsten Werte werden allerdings nicht in Wien, sondern in den Städten der westlichen Bundesländer registriert: In Innsbruck mit 11,4 und in Salzburg mit 11,3 ist die Delikthäuf igkeit etwa doppelt so hoch wie im österreichischen Durchschnitt.

Österreich ist mit diesen Phäno-menen keineswegs allein unter den Industrieländern. Es liegt sogar -wie gesagt - im internationalen Vergleich eher recht günstig. So wurden etwa 1986 in Wien 471, in Amsterdam aber 6.500 Autos gestohlen, gab es in Wien 5.625 Autoeinbrü-che, in Amsterdam aber 49.500!

Wie reagiert aber die Bevölkerung auf die steigende Kriminalität? Sie macht den Menschen nachweislich große Sorgen. Einer IMAS-Umfrage zufolge rechnet jeder zweite Österreicher mit einem weiteren Anwachsen der kriminellen Handlungen und mit einer zuneh-menden Machtlosigkeit der Exeku-tive. 40 Prozent der Österreicher fühlen sich von diesem Phänomen innerlich stark berührt. Das Thema Kriminalität ist daher in Österreichs Haushalten ein häufiger Gesprächs-stoff (ein ebenso häufiger wie das Sportgeschehen oder Probleme der Kindererziehung).

Was nach Meinung der Österrei-cher zur Eindämmung der Krimi-nalität geschehen sollte? 64 Prozent der Erwachsenen haben den intensiven Wunsch nach hartem Durchgreifen gegen das Überhand-nehmen der Kriminalität. 43 Prozent fordern eine Verschärfung der Strafen.

Was die Bereitschaft zu persönli-chem Engagement bei der Ver-brechensverhütung anbelangt, sind die Österreicher aber äußerst-zu-rückhaltend. Nur 38 Prozent der Erwachsenen würden Nachschau halten, wenn nachts Schreckens-schreie aus einer Wohnung zu hören wären. Auch in dieser Hinsicht ist das Verhalten in den Städten auffallend, und zwar durch beson-dere Gleichgültigkeit. Nur 30 Prozent würden - sollten sie selbst einen Ladendiebstahl beobachten - ver-suchen, diesen zu verhindern. Und gar nur 17 wären bereit, einem in Bedrängnis geratenen Polizisten beizustehen.

Näheres siehe "MUSS ES IMMER MEHR VERBRECHEN GEBEN?" Von Wendelin Ett-mayer, Schriftenreihe Standpunkte der Politi-schen Akademie Bd. 42, Wien 1990,136 Seiten

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