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Kriminelle Isolation

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Im Libanon bewirkt die scheinbar unaufhaltsame Eskalation von Terror und Gegenterror zwischen extremistischen palästinensischen Guerillagruppen und Israel zunehmende Besorgnis bei den Behörden und allerdings sehr unterschiedliche Unruhe unter den Bevölkerungsgruppen. Die „Schweiz des Orients“ sieht sich, wie schon einmal in der Periode zwischen Sechstage- und Ramadan-Krieg, hilflos den katastrophalen Folgen des von ihrem Territorium ausgehenden Kleinkriegs ausgesetzt.

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Im Libanon bewirkt die scheinbar unaufhaltsame Eskalation von Terror und Gegenterror zwischen extremistischen palästinensischen Guerillagruppen und Israel zunehmende Besorgnis bei den Behörden und allerdings sehr unterschiedliche Unruhe unter den Bevölkerungsgruppen. Die „Schweiz des Orients“ sieht sich, wie schon einmal in der Periode zwischen Sechstage- und Ramadan-Krieg, hilflos den katastrophalen Folgen des von ihrem Territorium ausgehenden Kleinkriegs ausgesetzt.

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Von Beirut aus kann man besser beurteilen als in Jerusalem, wie falsch die israelische Doktrin ist, der nördliche Nachbar könne sehr wohl etwas gegen die Freischärlerbasen im Südlibanon unternehmen, wolle bloß nicht und müsse daher durch gezielte militärische Gegenschläge dazu gezwungen werden.

Fest steht zwar, daß die Terroristen nicht, wie sie vorgeben, von Geheimzellen innerhalb Israels aus operieren. Das Arkub-Gebiet diesseits der israelischen Nordgrenze, im Volksmund schon lange „el-Fa-tach-Land“ genannt, ist seit Inkrafttreten des syrisch-dsraelischen Truppenentflechtungsabkommens wieder Zentrum eines offenkundig von langer Hand vorbereiteten und ebenso zielstrebigen wie diskreten strategischen Aufmarsches der Guerilleros. Trotzdem blieb er den feindlichen Spähern offenbar nicht verborgen.

Fest steht aber auch, daß Präsident Suleiman Frandschiej, ein Teil von Parlament, Regierung und Bevölkerung sowie die Streitkräfte liebend gern den lästigen „Fedaijin“ den

Garaus machen würden. Die Flüchtlingslager, die im Zusammenhang mit dem blutigen „Schwarzen September“ im Jordanien von 1970 zu letzten Bastionen der Extremisten wurden, entziehen sich jedoch völ-

lig dem behördlichen Einfluß und bilden regelrechte „Staaten im Staat“. Die Armee kann nicht viel mehr tun, als sie zu isolieren. Die Macht der Extremisten zu brechen, bedürfte es eines libanesischen „schwarzen Juni“. Ihn zu riskieren, wäre höchstwahrscheinlich gleichbedeutend mit dem Zerfall des Libanon.

Die Moslembevölkerung, die längst die zahlenmäßige Mehrheit stellt, neigt sark zur bedingungslosen Unterstützung der Palästinenser, und sei es auch nur, um der christlichen Oberschicht das Landes zu schaden. Hinzu kommt der Druck Syriens, das sich im Gefolge des Truppenentflechtungsvertrages die Freischärler zwar selbst vom Hals zu schaffen versucht, dies aber durch den Kunstgriff, ihnen dafür die freie Entfal-

tung im benachbarten Südlibanon sozusagen zu garantieren.

Auch arabische Beobachter geben zu,, daß der in letzter Zeit ungewöhnlich erfolgreiche Terror gegen feindliche zivile Ziele Israel gegenüber der eigenen Bevölkerung in Schwierigkeiten bringe. Ubereinstimmung herrscht auf arabischer Seite jedoch darüber, daß die israelische Gegenwehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt psychologisch unklug sei. Jedermann habe voraussehen können, daß sogar die entfernteste Chance zu einer Vernunftlösung des Palästinakonfliktes mindestens die Extremisten unter den Guerrilleros auf den Plan rufen werde. Diese Chance sei in den Augen der Freischärler durch die Unterschrift des bislang am konsequentesten antizionistischen Syrien unter das Genfer Entflechtungsabkommen in greifbare Nähe gerückt. Nicht nur die Extremisten, sondern auch viele andere Palästinenser fürchten, den von Amerika und Israel auf der einen,

Ägypten, Jordanien, Libanon und, mit gewissen Einschränkungen, Syrien auf der anderen Seite angestrebten Kompromißfrieden könne es nur auf ihre Kosten geben.

Viele Beobachter sind zudem der Ansicht, daß die Extremisten unter den Guerrilleros zwar lautstark auf sich aufmerksam machen können, im Grunde jedoch nur noch Randerscheinungen sind. In Israel übertreibe man ihre Bedeutung und ihren Einfluß. Allem Anschein nach würden die meisten Flüchtlinge sich heute mit einem Rumpfstaat aus den noch besetzten Gebieten zufriedengeben. Sei er erst einmal entstanden, könnten seine Behörden mit der Autorität der auf Wahlen fußenden Staatsmacht die Extremisten in die Ecke der kriminellen Isolation zurückdrängen. Die Urteile gegen die Attentäter von Khartum, auch wenn sie hernach gemildert und die Delinquenten freigelassen wurden, könnten dabei schon einen Wendepunkt markieren.

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