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Krise genau nach Plan

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Ist die Sozialpartnerschaft in Gefahr? In einer kritischen Phase ist sie sicher. Sogar Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (siehe Kasten) bat deshalb, „den ehrlichen Willen zur Partnerschaft wachzuhalten". Und die SPÖ machte der Wirtschaft die Einladung, ander Endredaktion des Wirtschaftsprogramms mitzuberaten. Weil der SPÖ klargeworden sein dürfte: Wirtschaftspolitik ohne Wirtschaftspartner bleibt graue Programmtheorie.

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Ist die Sozialpartnerschaft in Gefahr? In einer kritischen Phase ist sie sicher. Sogar Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (siehe Kasten) bat deshalb, „den ehrlichen Willen zur Partnerschaft wachzuhalten". Und die SPÖ machte der Wirtschaft die Einladung, ander Endredaktion des Wirtschaftsprogramms mitzuberaten. Weil der SPÖ klargeworden sein dürfte: Wirtschaftspolitik ohne Wirtschaftspartner bleibt graue Programmtheorie.

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Bruno Kreisky bescherte sich am 1 L März in all^įOffentlichkeit: als Parteichef und gemeinsam mit ÖGB-Präsident Anton Benya Vorsitzender der SPÖ-Wirtschaftskommission überreichte er sich als Bundeskanzler den Entwurf für das neue Wirtschaftsprogramm der Regierungspartei, das bis Mai einer „breiten ökonomischen Diskussion“ unterzogen werden soll.

Die ist fraglos notwendig. Denn über die tatsächlichen wirtschafts- und bud

getpolitischen Pläne gibt der Entwurf nur unzureichend Auskunft: Vage Formulierungen überwiegen.

Auch Kanzler Kreisky weiß mit den Allerweltsfeststellungen noch wenig anzufangen: „Natürlich muß man sich klar sein, daß es Empfehlungen sind“, Empfehlungen der Partei, „die der konkreten Ausarbeitung der Ressorts bedürfen“.

An Empfehlungen hat es freilich auch bisher nicht gefehlt. Trotzdem haben wir jetzt die Bescherung.

„Die Rezessionserscheinungen der letzten Jahre haben die Strukturschwächen der österreichischen Wirtschaft erkennen lassen. Deshalb haben wir das Programm zur Reform der österreichischen Wirtschaft ausgearbeitet, von dem wir überzeugt sind, daß es … dadurch möglich sein wird, ausösterreich einen modernen Industriestaat zu machen.“

Die Hoffnung, daß aus diesen Programmempfehlungen eine zukunftsweisende Strukturpolitik entwickelt wird, wurde freilich schon begraben: Dieses Zitat ist nämlich dem Kreisky- Vorwort zum SPÖ-Wirtschaftspro- gramm des Jahres 1968 entnommen.

Die seinerzeitige Arbeit der legendären 1400 Experten scheint überhaupt ein wirtschaftspolitischer Evergreen zu sein, dreizehn Jahre alt und kein bißchen weiter, wirtschafts- ebenso wie budgetpolitisch.

Um die Bedeutung des neuen Wirtschaftsprogramms abzuschätzen, lohnt es sich daher schon, sich der alten Programmtheorie zu erinnern. Denn immerhin hätte die SPÖ elf Jahre hindurch die Möglichkeit gehabt, erkannte Entwicklungen zu steuern.

Aus dem Steuern ist freilich ein Besteuern geworden, wobei 1968 längst jene Parolen ausgegeben wurden, die die SPÖ-Denker des Jahres 1981 wieder in den Mund nehmen.

„Die Steuerpolitik“, so der dreizehn Jahre alte Vorsatz, „muß deshalb vor allem eine rigorose Beseitigung von Besteuerungslücken, Begünstigungen und Umgehungsmöglichkeiten im Bereich der direkten Steuern in Angriff nehmen. Überdies wird auch die Anhebung der Spitzenbesteuerung Mehreinnahmen erschließen. Dafür kommt nicht nur die Einkommens-, sondern auch die Erbschafts- und Vermögenssteuer in Frage.“

Und mit Wehmut studiert man die alten Empfehlungen für eine Neuorien

tierung der Budgetpolitik, weil die Folgen falschen Haushaltens dramatisch vor Augen geführt wurden:

„Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und der noch auf uns zukommenden Budgetdefizite besteht für die nächsten Jahre die Gefahr einer permanenten Budgetkrise. Diese Krise kann sehr leicht die gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen der Budgetpolitik in Frage stellen und damit die von uns angestrebte Modernisierung der Wirtschaftsstruktur verhindern.“

Aus der Horrorvision wurde Wirklichkeit: eine Krise genau nach Plan. Und die Liste der Beispiele für die tiefe Kluft zwischen Programmtheorie und politischer Praxis ließe sich beliebig fortsetzen.

Da es sich beim neuen Wirtschaftsprogramm in vielen Bereichen um die Fortschreibung mißachteter Empfehlungen alter Grundsätze handelt, darf sich die SPÖ nicht wundern, wenn Öffentlichkeit und Wirtschaft dem Entwurf skeptisch gegenübersteht.

Sieht man davon ab, daß das Programm in. der Aufwertung der Klein- und Mittelbetriebe sowie bei der Bewertung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen ein echtes Umdenken signalisieren könnte, ist so viel daran nicht neu.

Alt ist die durchgehende sozialistische Philosophie, daß mit mehr staatlicher Lenkung besser gewirtschaftet würde.

Alt sind auch viele allgemeine Forderungen auf den 59 Programmseiten („Das Fremdenverkehrsangebot soll noch familienfreundlicher gestaltet werden.“ „In Zentralräumen sind Verkehrsverbundsysteme auszubauen.“ usw.). Und so mancher Vorschlag (Beteiligungsgesellschaft für Risikokapital, Einsparungen bei Subventionen, Aufstockung der Forschungsförderung) taucht auf, der schon wiederholt in von der SPÖ belächelten X9pposi- tionsprogrammen zu lesen war.

Nicht neu - das aber ist ein harter Kern des Programms - sind auch die Belastungspläne: Sie reichen von der Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage in der Krankenversicherung bis zur Anhebung der Grund- und Wohnraumeinheitswerte auf den Verkehrswert, vom Wegfall von Steuerbegünstigungen bis hin zur Sparzinsensteuer auf anonyme Konten, nunmehr verschämt „Anonymitätsabgabe“ benannt.

Für Kreisky wäre diese zehn- bis zwanzigprozentige Steuer nicht mehr als „eine Prämie auf das beste Bankgeheimnis Europas“. Die Masse der kleinen Sparer wird sie hingegen als Strafe und als Eindringen des Staates in die Privatsphäre empfinden.

Und als Frotzelei angesichts der Werbung, die derzeit von mehrheitlich staatlichen bzw. SPÖ-dominierten Instituten für das anonyme Prämiensparen gemacht wird.

Die Theorie, daß mit der „Anonymitätsabgabe“ einigen Schwarzgeldsparern das Wasser abgegraben werden kann, steht nur auf schwachen Beinen.

Zur Kasse werden die kleinen Sparer gebeten, die Großmütter, die auf den Vornamen ihrer Enkerln Pensionsschillinge Zusammentragen.

„Anonyme Spareinlagen“, so eine Studie des Finanzministeriums aus dem Vorjahr, „sind auch jene Form des Sparens, die von der sozial und wirtschaftlich schwächeren Schicht bevorzugt werden. Die Anonymität wird … als Symbol für die Privatsphäre empfunden. Ein Symbol, das weit über den monetären Bereich hinaus gesehen wird … “

Im Wirtschaftsprogramm steht diese Steuer deshalb vielleicht auch symbolisch: für das Vordringen des Staates.

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