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Krisenmanagement ist nicht genug

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Die Regierungsklausur ist vorbei, der neue Finanzminister vier Monate im Amt. Wirtschafts- und budgetpolitische Veränderungen sind bisher keine sichtbar geworden.

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Die Regierungsklausur ist vorbei, der neue Finanzminister vier Monate im Amt. Wirtschafts- und budgetpolitische Veränderungen sind bisher keine sichtbar geworden.

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Unter dem neuen Finanzminister ist das Finanzministerium nicht wie erwartet zu einem Kraftzentrum geworden, sondern das Ministerium wird immer stärker zur bloßen Finanzkassa, wo die von den einzelnen Ressortministern ausgestellten Rechnungen kommentarlos beglichen werden müssen:

# Der neue Finanzausgleich bringt in den nächsten Jahren erhebliche Mindereinnahmen für den Bund.

• Die Gehaltsabschlüsse im öffentlichen Dienst erforderten gegenüber dem Bundesvoranschlag Mehrausgaben in Höhe von über einer Milliarde Schilling.

• Die Bemühung um eine Wiederbelebung des Kapitalmarktes endete mit einem untauglichen Kompromiß, der dem Finanzminister künftig ein Drittel der Einnahmen aus der Zinsertragsteuer entzieht, aber den Kapitalmarkt nicht belebt hat.

• Mit dem Ende der Rohstoffkonjunktur werden auch die von SPÖ und FPÖ im Parlament beschlossenen 16,6 Milliarden Schilling Sanierungshilfe für die Verstaatlichten Betriebe zu Ende gehen. Eine neuerliche Finanzhilfe wird vom Vorstand der österreichischen Industrieverwaltungs-AG für notwendig erachtet.

• Und für die notleidenden Betriebe des Konzerns der Creditan-stalt liegen zwar noch keine von den Organen beschlossenen Sanierungskonzepte vor; aber die erforderliche budgetäre Hilfestellung wird vom Finanzminister derzeit bereits mit fünf bis acht Milliarden Schilling beziffert. Teüweise wurden bereits Mittelzusagen gegeben, jedoch nicht budgetiert. Die stolz angekündigte neue 7000-Schilling-Förderung für die Anschaffung umweltfreundlicher Autos ist entweder mit Budgetkosten von mindestens zwei Milliarden Schilling verbunden oder sie bringt kurzfristig nur einen marginalen Beitrag zur Bekämpfung des Waldsterbens.

Wenn die derzeitige Regierung ihren Weg fortsetzt, dann wird sie am Ende ihrer Tätigkeit mit einem Budgetdefizit von 150 Milliarden Schilling konfrontiert sein. Die Regierung Sinowatz/Steger hätte dann in nur vier Jahren das Budgetdefizit von 73 Milliarden Schilling (Bundesvoranschlag 1983) auf 150 Milliarden Schilling verdoppelt.

Wie groß die Hypotheken auf die Zukunft aufgrund der Budgetentwicklung der letzten zehn Jahre bereits sind, zeigt ein Vergleich der Defizit- und Staatsschuldenentwicklung mit der BRD und den USA. Im Zeitraum 1973 bis 1983 hat

• in Österreich die Verschuldung des Zentralstaates (Bundes) in Prozent des Bruttoinlandproduk-tes (BIP) um 24 Prozentpunkte,

• in der BRD um 14,1 Prozentpunkte und

• in den USA um 6,7 Prozentpunkte zugenommen.

Das bedeutet, daß die Schuldenzunahme zwischen 1973 und 1983 in Osterreich beinahe doppelt so rasch erfolgte wie in der BRD und beinahe viermal so rasch wie in den USA.

Dazu kommt:

• 1981 wiesen Osterreich und die BRD mit 2,6 bzw. 2,5 Prozent BIP in etwa gleich hohe Nettodefizite auf; die USA lagen mit 1,9 Prozentpunkten unter diesem Wert.

• 1983 betrug das Nettodefizit in Österreich und den USA 5,4 Prozent. Der BRD gelang eine Reduktion des Nettobudgetdefizits auf 1,9 Prozent.

• 1985 ist in der BRD mit einem geplanten Nettodefizit von 1,3 Prozent die Sanierung der Staatsfinanzen praktisch abgeschlossen.

• Osterreich weist mit 4,4 Prozent ein rund dreimal so hohes Nettodefizit auf. In den USA könnte keine entscheidende Verringerung des Budgetabganges (geplantes Defizit 5-5,3 Prozent des BIP) erreicht werden.

Blick ins Ausland

Die aufgelisteten Budgetsalden der einzelnen Länder dürfen allerdings nicht losgelöst von der wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet werden, da die Budgetentwicklung immer auch im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit und Inflation, Wachstumsund Währungspolitik gesehen werden muß. Hier zeigt sich seit 1983 eine für Österreich unerfreuliche Entwicklung:

# Die Rückführung des Nettodefizits in zwei Jahren von 5,4 auf 4,4 Prozent ist ausschließlich auf das von der derzeitigen Regierung in Kraft gesetzte 30-Milliarden-Schilling-Belastungspaket zurückzuführen.

Die Inflation wurde dadurch hausgemacht um mindestens 2,5 Prozentpunkte erhöht, das reale Wachstum um 1 bis 1,5 Prozent aus eigener Schuld verringert. Die Arbeitslosenrate blieb trotz internationalem Konjunkturaufschwung mit 4,6 Prozentpunkten unverändert, und die Arbeitslosenrate bei den 19- bis 25jährigen Jugendlichen erreichte Ende Dezember mit 7 Prozent eine für österreichische Begriffe wahre „Horrorgrenze”.

# Daß die Entwicklung nicht noch ungünstiger verlaufen ist, verdankt Osterreich wie alle europäischen Staaten vornehmlich den USA, die sich in den Jahren 1983/84 als Konjunkturlokomotive für die gesamte westliche Welt betätigten. Das gegenüber Osterreich in den USA um rund ein Prozent höhere Budgetdefizit ist insofern von untergeordneter Bedeutung, als dadurch in den USA der stärkste Wachstumsschub seit den vierziger Jahren ausgelöst werden konnte und das Defizit primär aus einer Steuerentlastungsoffensive resultierte. Die Inflationsrate lag in den USA 1984 mit vier Prozent unter dem österreichischen Wert, und die Arbeitslosigkeit konnte bei einer wesentlich angespannteren demographischen Situation um mehr als zwei Prozentpunkte verringert werden.

• Im Gegensatz zu den USA zeigt die Wirtschaftsentwicklung in der BRD Parallelen zur österreichischen Situation. Auf dem Arbeitsmarkt kam es trotz internationaler Konjunkturbelebung zu keiner durchgreifenden Besserung. Die Arbeitslosenrate verharrte auch im Jahr 1984 auf dem für die BRD extrem hohen Wert von 8,5 Prozent. Während damit die deutsche Arbeitslosenrate rund doppelt so hoch ist, weist die Inflationsrate mit 2,5 Prozent einen nicht einmal halb so hohen Wert auf wie jene Österreichs im Jahr 1984.

Unter Berücksichtigung aller Fakten ergibt sich somit für die Beurteilung der drei Länder folgendes Bild:

# Für die BRD kann man in Anlehnung an den deutschen Wirtschaftswissenschafter, Herbert Giersch, feststellen, daß die neue Regierung die finanzpolitische Solidarität wiederhergestellt, aber keine neue Dynamik erzeugt hat

• In den USA steht die Sanierung der Staatsfinanzen noch aus, es wurde aber eine neue Dynamik geschaffen, die auch die Budgetsanierung erleichtern kann. Die Sanierung muß dabei die Konjunktur nicht unbedingt dämpfen, wenn es gelingt, parallel zu einer restriktiven Finanzpolitik, die realen Zinssätze durch eine mit der Finanzpolitik abgestimmte Geldpolitik zu senken.

# In Österreich hingegen wurden vom „Kabinett I nach Kreisky” alle Steuererhöhungsmöglichkeiten ausgereizt, keine neue Dynamik erzeugt und kein entscheidender Schritt in Richtung Budgetsanierung gesetzt.

Während in der BRD in den nächsten Jahren eine Steuerentlastungsoffensive im Ausmaß von 20 Milliarden D-Mark geplant ist, sieht sich in Österreich der Finanzminister nicht in der Lage, die Anpassung der Steuertarife an die eingetretene Geldentwertung durchzuführen. Uberfordert vom aktuellen Krisenmanagement hat sich das Kabinett Sino-watz als nicht fähig erwiesen, eine erfolgversprechende Sanierungsund Wachstumsstrategie für die zweite Hälfte der achtziger Jahre zu entwickeln.

Es fehlt dieser Regierung offensichtlich eine finanzpolitische Autorität und Führungspersönlichkeit, die das Denken in Alternativen vorantreibt, längerfristige Konzeptionen entwickelt und diese dann auch konsequent durchführt.

Der Autor ist in der OVP-Bundesparteüei-tung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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