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Krisenzeit für Galerien ?

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Nach der Schließung einer renommierten Wiener Galerie stellt sich die Frage: Liegt die Schuld bei der Finanzpolitik der Regierung, bei den Künstlern oder bei den Galeristen?

Der goldene Schriftzug „Eine Galerie nimmt Abschied“ und neun Fotos von früheren Ausstellungen und prominenten Besuchern auf der ersten Seite der letzten Einladung signalisieren das endgültige Aus für eine bekannte Wiener Galerie. Am 23. Dezember werden Friedl und Karl Schwarzer um 21 Uhr endgültig die Eingangstür ihrer Galerie in der Wiener Dorotheergasse 6 zusperren.

184 Ausstellungen mit rund 25.000 Exponaten von 550 Künstlern präsentierte das Verlegerehepaar Schwarzer in ihrer Galerie, die in den neun Jahren ihres Bestehens mehr als 75.000 Besucher angelockt hatte.

Die Gründe für die Schließung seiner erfolgreichen Galerie sieht Karl Schwarzer in der Tätigkeit der Bundesregierung.

„Wir haben die Galerie 1974 nicht gegründet, um einem Hobby zu frönen, sondern wir wollten es wirklich professionell machen“, meint der Ex-Galerist leicht resignierend. Auslösendes Moment für die Schließung waren „letztlich die neuerliche Erhöhung gesetzlicher Urlaube mit Anfang 1984 sowie die zu erwartende Zwangsregelung einer 35-Stun- den-Woche. Dies sind Entwicklungen in eine falsche Richtung, auch wenn die dafür Verantwort-lichen weder die Folgen zu bewältigen haben noch zur Verantwortung gezogen werden“.

Schwarzer macht teilweise auch die österreichische Wirtschaftssituation für die Schließung von Galerien verantwortlich. Doch es gibt auch andere Branchen, die über Geschäftsrückgang klagen, nicht nur die Kunsthändlerbranche. Und daher korrigiert Rudolf Otto, Vorsteher des Landesgremiums für den Handel mit Gemälden, Antiquitäten und Kunstgegenständen, die Ausführungen seines Kammermitgliedes Schwarzer:

„Mir geht’s schlecht, das ist der bekannte Gruß des Kaufmannes. Aber in Wirklichkeit haben die Schwierigkeiten der Galerien ganz andere Ursachen, doch die hört man eben sehr selten.“

Von den rund 700 Kunst- und Antiquitätenhandlungen in Wien sind es etwa 60 bis 70 Galerien, die mit moderner, zeitgenössischer Kunst handeln. Offizielle Umsatzziffern gibt es keine, doch schätzt Gremialvorsteher Otto den Galerienanteil auf rund zehn

Prozent des Gesamtumsatzes. „Der Markt für moderne Kunst ist in Wien sicherlich nicht besonders groß, doch wenn der einzelne Galerist was kann, so kann er auch überleben“, meint Otto.

Gut leben können zur Zeit jene Kunsthändler, die nicht mit moderner Kunst ihre Geschäfte machen, denn — so Otto — „die meisten Kunsthändler können durch die Maßnahmen der Bundesregierung eine deutliche Geschäftsbelebung feststellen“. Doch gekauft wird nur, was gut, teuer und — nicht modern ist. Und, wenn möglich, in einem Fachbuch erwähnt ist.

„Aber als eine Flucht ins Kapital würde ich es dennoch nicht bezeichnen“, meint John Sailer, Besitzer der Galerie Ulysses am Wiener Opernring und Präsident des Verbandes österreichischer Galerien moderner Kunst. Auch Ernst Hilger, vis-a-vis-Nachbar von Schwarzer in der Dorotheergasse, sieht die Krise seiner Kollegen nicht in der allgemeinen Wirtschaftskrise begründet. „Es ist vielmehr eine Krise der Qualität — und zwar der Qualität der Künstler als auch der Galerien. Sehr viele Galeristen haben geschlafen. Als Galerist verkauft man etwas, was eigentlich gar nicht lebensnotwendig ist. Ein permanenter Dialog zwischen Kunden und Verkäufern ist wichtig, Vertrauen muß entstehen.“ Hilger hat leicht reden, meinen einige Kollegen mit spitzer Zunge, macht er doch einen Großteil seines Umsatzes mit Druckgraphik und „investiert soviel in Werbung wie alle anderen Wiener Galerien zusammen“ (Hilger).

Karl Schwarzer sieht für zeitgenössische Kunst wenig Chancen. Seiner Meinung nach sei der Kunstbegriff zu diffus, dem Laien fehlen Leitlinien, an denen er sich orientieren könne.

Um den Beruf eines Galeristen ausüben zu können, ist unter anderem ein Nachweis einer zweijährigen Tätigkeit in dieser Branche notwendig. „Doch bei begründeten Fällen gewähre ich Dispens,

Gustav Klimt: Beethöven-Fries wenn es sich z. B. um einen kundigen Sammler handelt oder um einen Fachmann“, erklärt Rudolf Otto. „Die Vorschriften für die Gewerbescheinerlangung bleiben auch meistens Theorie“, meint Karl Schwarzer. Der B.eruf des Galeristen wird nirgends gelehrt, Galeristen sind Autodidakten. Dem Dilettantismus ist somit Tür und Tor geöffnet. „Viele sind berufen, doch nur wenige sind auserwählt“ zitiert Otto eine Bibelstelle. Und John Sailer weiß von Galerien, die eröffnet wurden, „weil es elegant und gesellschaftlich attraktiv sei, Galerist zu sein; oder die zweite Möglichkeit: die Galerie für die gelangweilte Ehefrau“.

Ängstliche Galeriebesitzer sehen Konkurrenten in den Alter- nativ-Cafės mit angeschlossener Galerie und in den Banken, die mittels Ausstellungen zeitgenössischer Künstler ihr Technokra- ten-Image aufzupolieren versuchen. „Wenn die BAWAG eine Galerie aufmacht, warum darf dann ich keine Bank eröffnen?“ fragt Karl Schwarzer. Und wirft den Banken reine Publicity sucht vor. John Sailer schwächt ab: „Im Prinzip ist es nicht sinnvoll, aber es gibt in Wien ein solches Potential an Sammlern, daß uns die Banken überhaupt nichts wegnehmen. Außerdem ist die Situation im Prinzip nicht schlecht.“ Galerien-Präsident Sailer muß es ja wissen. Und er hat auch Tips für’s gute Gelingen einer Galerie: „Verständnis, Liebe, ausreichend Kapital und intensive Beschäftigung mit dem Künstler und mit dem Kunden“.

Kann man in Zeiten wie diesen noch eine Galerie eröffnen?

„Die Zeit ist schlecht, da die wenigen guten Künstler in festen Händen sind“ (Hilger).

„Wenn die Voraussetzungen gegeben sind — siehe oben — warum nicht?“ (Sailer).

Und Karl Schwarzer?

„Ich kann da nur sagen — Um Gottes Willen, Hände weg, oder Sie sind ein Verrückter!“

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