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Kritik muß auch sein

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Juso-Wirbel um den Papstbesuch: Nachgedanken sind am Platz. Wir entnehmen sie einer Arbeit des Leitersder Kath. Sozialakademie und einem Gespräch mit einem SPÖ-Spitzenfunktionär.

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Juso-Wirbel um den Papstbesuch: Nachgedanken sind am Platz. Wir entnehmen sie einer Arbeit des Leitersder Kath. Sozialakademie und einem Gespräch mit einem SPÖ-Spitzenfunktionär.

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Die anläßlich des kommenden Papstbesuches in Österreich aufgeflammte Kritik an kirchlichen Verhaltensweisen, Aussagen und formen hat viele überrascht. Der dabei angeschlagene Ton hat - zu Recht - Unruhe und Besorgnis geweckt. Nicht zu übersehen ist dabei die Rolle, die gewisse Medien spielten, die um diese Kritik den „Rummel" erst entfachten.

Nun droht die Gefahr, daß von der ersten öffentlichen Abklärung, die den eruptiven und emotionsgeladenen Schlagabtausch abgebremst hat, zum landesüblichen „Schwamm-drüber" übergegangen wird. Diese Art von „Problemlösung" läge auf der Linie des pragmatischen Elitenkonsenses, der um eines faulen Friedens willen heikle Fragen eher ausklammert und mir gerade für unser Land so typisch zu sein scheint.

Ist es nicht überraschend, daß man über die Kritik überrascht sein konnte? Wurde durch einen pragmatischen Elitenkonsens in der Zweiten Republik die leidvolle Vergangenheit und die parteipolitisch verpolitisierende Rolle, die die Kirche dabei gespielt hatte, Gott sei Dank zurückgenommen, so wurde diese Vergangenheit doch nie auf breiter Basis und in allen Lagern in Analyse und Reue aufgearbeitet.

Ist aber durch diesen Elitenkonsens die von ihrem Sendungsauftrag her notwendige politische Existenz der Kirche nicht gleichsam unter Käseglocke" gestellt worden? War und ist diese politische Existenz der Kirche als Institution und die Kritik an ihrer Auswirkung für die Gesellschaft in Österreich (wie auch anderswo) nicht vielfach tabuisiert worden?

Die zum Teil cindischen" und überzogenen Angriffe auf die Kirche gefährden die so notwendige Auseinandersetzung in der Kirche und über die Stellung der Kirche in der Gesellschaft, da diese Art von Angriff zu einer Betonierung und falschen Solidarisierung in der Kirche führt. Zudem" haben sich viele Gruppen auch auf Äußerlichkeiten des Papstbesuches konzentriert, statt Fragen zu formulieren, die auch innerhalb der Kirche verstanden werden können.

Sicher würde manche Gruppierung die Gelegenheit des Papstbesuches gerne zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung nützen. Zu verstehen ist, daß bei einer solchen Veranstaltung Gruppengespräche illusorisch sind. Trotzdem wäre es wert, zu überlegen, wie die Kirche der Tendenz zur Ein-Weg-Kommunikation entgehen könnte.

Gerne würde man mit dem Papst diskutieren, wie die Assy-metrie zwischen dem politischen Engagement des Papstes und der Kirche in Polen und der Stellungnahme zu politischem Engagement vieler Bischöfe und Priester in anderen Notstandsgebieten der Welt zu verstehen ist. Wie die Stellungnahme zur „politischen Theologie" und Bewegung der „Solidarität" in Polen in Unterschied zur Stellungnahme gegenüber der Theologie der Befreiung und den Befreiungs- und Basisbewegungen in anderen Teilen der Welt?

Gern hätte man auch innerkirchliche Fragen diskutiert, die für die universelle Sendung der Kirche selbst von grundlegender Bedeutung sind - wie die Art und Weise der Bischofsbestellungen, die Frage der Entscheidungsfindung in der Kirche (also Ausbau und Gestaltung synodaler und konziliarer Strukturen), die Frage der Menschenrechte und der Konfliktregelung — mit einem Wort: die Macht- und Gerechtigkeitsfrage.

Eine gesellschaftliche Gruppe, wie es die Kirche in ihrer weltlichen Dimension ist, die sich eine Öffentlichkeitsverantwortung zuschreibt, bedarf der öffentlichen Auseinandersetzung nicht nur, sondern sie muß sie geradezu wünschen.

Unter dieser Perspektive ist es zu bedauern, daß der Katholikentag nicht zum Anlaß genommen wurde, auf einem Forum mit Repräsentanten der der Kirche fernstehenden Gruppierungen in einen Dialog zu treten. Die Auseinandersetzungen der letzten Wochen sollten die Kirche jedoch dazu ermuntern, einen solchen Dialog nach dem Katholikentag gleichsam auch offiziell zu eröffnen.

Auszug aus einem Beitrag, der im KSÖ-In-formationsdienst erscheinen wird.

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