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Kritik und Unterhaltung

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Das Ansehen von international bedeutenden Persönlichkeiten, die vor wenigen Jahren starben, hat Rolf Hochhuth in zweien seiner Stücke aus ethischem Furor durch Aufzeigen angeblicher Verfehlungen zu schmälern versucht. Ging es ihm da um eine Revision von Geschichtsurteilen, so greift er nun mit gleicher Rasanz üble gegenwärtige Zustände in der Bundesrepublik an: das Obdachlosenproblem. Diesmal bediente er sich ingrimmigen Spotts. So entstand das Stück „Die Hebamme“, das heuer Anfang Mai am selben Abend an fünf Bühnen uraufgeführt wurde. (Die „Furche“ hat über das Stück bereits berichtet.)

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Das Ansehen von international bedeutenden Persönlichkeiten, die vor wenigen Jahren starben, hat Rolf Hochhuth in zweien seiner Stücke aus ethischem Furor durch Aufzeigen angeblicher Verfehlungen zu schmälern versucht. Ging es ihm da um eine Revision von Geschichtsurteilen, so greift er nun mit gleicher Rasanz üble gegenwärtige Zustände in der Bundesrepublik an: das Obdachlosenproblem. Diesmal bediente er sich ingrimmigen Spotts. So entstand das Stück „Die Hebamme“, das heuer Anfang Mai am selben Abend an fünf Bühnen uraufgeführt wurde. (Die „Furche“ hat über das Stück bereits berichtet.)

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Gute, überaus notwendige Taten, mit unzulässigen Mitteln erreicht, haben das Publikum stets für sich: Die Hebamme und CDU-Stadträtin Sophie kassiert unberechtigt Geld (die Rente einer Feldmarschallswitwe), um es an Bedürftige zu verteilen, sie stiftet Obdachlose an, ihre Elendsbaracken niederzubrennen und eine für die Bundeswehr errichtete Wohnanlage zu besetzen. Ein weiblicher Tausendsassa. Daß dabei die Vertreter aller drei demokratischen Parteien schön gleichmäßig als korrupt dargestellt werden, steigert die Wirkung dieser primitiv zubereiteten, bis zu schwankhaften Situationen reichenden Szenen. Beißender Spott zielt in den Dialogen treffsicher. Die Bezeichnung „Totgeburt“ durch maßgebliche bundesdeutsche Kritik ist unberechtigt, die Mache erreicht ihren Zweck.

Dieses handfeste Typenstück wird von Regisseur Gustav Manker stückgerecht und handfest in den Typen herausgearbeitet. Derlei läßt sich an fast allen Bühnen gut besetzen, trefflich gelingt es auch hier. Hüde Sochor gibt der Hebamme vor allem jene Schläue, die sie allen überlegen macht. Unter den zahlreichen Mitwirkenden ist Peter Hey als Musikoberst ganz Vertreter der Wehrmacht, explosiv wirkt Rudolf Strobl als SPD-Oberstadtdirektor, mehr behäbig Ludwig Blaha als CDU-Landgerichtsdirektor. Als gutmütig hilflos zeichnet Egon Jordan einen Monsignore in mancherlei Verlegenheit, hitzig aufgeregt Albert Rolant einen protestantischen Pfarrer. Kurt Konrad Loewe erstellt als Bühnenbildner nichts als Möbel und Versatzstück, dahinter mitunter eine Wand, meist aber ein wandhohes Riesenphoto.

Im Theater der Courage wird das Originalzaubermärchen „Der Verschwender“ nach Ferdinand Raimund gespielt, „nach“, da das Stück von Berner, Grusch und Remoundos durch Amputationen und Einschübe entscheidend verändert wurde. Die Bearbeiter folgen damit dem derzeitigen Trend, alte Stücke umzufunktionieren. Dabei geht aber fast alles verloren, was den Reiz dieses szenischen Märchens ausmacht. Mit dem Verzicht auf die Feen schwindet das Hereinragen einer zweiten Welt, das Doppelschichtige, vor allem aber sind nun Menschen und Vorgänge bar aller Wärme, das Liebenswürdige, das Raimunds Witz und selbst noch seinem Spott eignet, ist radikal beseitigt. Aus Flottwell wurde ein anmaßender, rüder Kerl, aus Azur, dem Boten aus der Geisterwelt, ein Vertreter in Nordbahnaktien. Nur in der Gestalt des Valentin ist noch etwas von Raimund spürbar. Was erreichen die Bearbeiter? Eine Uberbetonung des im Text vorhandenen Sozialkritischen, die einem nun bereits überalternden bundesdeutschen Sog modisch folgt.

Im Gegensatz zu Aufführungen der vorherigen Spielzeit wird diesmal unter der Regie von zweien der Bearbeiter recht mäßig gespielt, Hans-Henning Heers ist ein norddeutscher barscher Flottwell, Werner Prinz erweist sich als passabler Valentin. Alte, Väter sind mit jungen, Kinder mit älteren Darstellern besetzt. Das Bühnenbild besteht lediglich aus verschiedenen zusammenzustellenden quaderigen Teilen. Der engagierte Einsatz dieser jungen Leute, der anzuerkennen wäre, ist hier leider vertan.

Der Bruder des derzeitigen britischen Außenministers, William Douglas-Home, schrieb die Komödie „Gute Freunde“, die derzeit in den Kammerspielen aufgeführt wird. In ihr begibt sich fast das gleiche wie in der reizenden Komödie „Die Kinder“ von Hermann Bahr, nur spielt sie unter Diplomaten und in Rom. Nehmen Engländer Kenntnis vom Wiener Theater? Zwei junge Menschen, die sich lieben, können nicht heiraten, weil man glaubt, sie seien Halbgeschwister. Da aber der vermeintliche Vater gehörnt wu“de, entfällt das Hindernis. Unterschied zu Bahr: Bei ihm gibt es zwei Gehörnte, hier nur einen, dennoch zwei Ehebrüche, die, wie bei Bahr, zwei Jahrzehnte zurückliegen. Verjährung? Jedenfalls schmunzelndes Verzeihen mit Einverständnis des Publikums. Unter der Regie von Ernst Waldbrunn spielt er und Hans Holt als Väter sich selbst. Man kennt da längst jeden Tonfall, jede Geste. Waltraud Haas fällt in einer der Rollen angenehm auf, Heli Finken-zeller ist die ungetreue Gattin.

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