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Kroatien steht vor dem Ruin

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Die tatsächliche Zahl der innerkroatischen Flüchtlinge kennt niemand. Ohne genaue Bilanz der Wirtschaftsschäden durch den „Bürgerkrieg" wissen die Kroaten um ihre ruinöse Situation. Die Hotels, bisher devisenkräftigen Westeuropäern offen, sind heute Flüchtlingsquartiere.

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Die tatsächliche Zahl der innerkroatischen Flüchtlinge kennt niemand. Ohne genaue Bilanz der Wirtschaftsschäden durch den „Bürgerkrieg" wissen die Kroaten um ihre ruinöse Situation. Die Hotels, bisher devisenkräftigen Westeuropäern offen, sind heute Flüchtlingsquartiere.

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Der offizielle Sanitätsstab Kroatiens mit Sitz in Zagreb hat jetzt die neuesten Zahlen der Verwundeten und Toten im kroatisch-serbischen Krieg veröffentlicht, dabei aber darauf hingewiesen, daß die Dunkelziffer in beiden Fallen ein Vielfaches der dokumentierbaren Zahlen sei. Demnach hat der sogenannte Bürgerkrieg auf kroatischer Seite bisher 7.012 Verwundete (darunter 140 Kinder) und 1.194 Tote (13 Kinder, insgesamt 556 Ziviltote) gefordert. Beobachter in Zagreb betonen, daß die tatsächliche Zahl der Ziviltoten die der offiziell erfaßten bei weitem übersteige. Bei Vukovar sollen 4.000 bis 5.000 Armeeangehörige gefallen sein, darunter etwa 30 Prozent Kroaten.

Der Krieg in Kroatien hat enormen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. In Vukovar sind alle landwirtschaftlichen und industriellen Kombinate - wie Vupik, das Medikamente auf natürlicher Basis herstellte, und Vutex, ein Textilunter-nehmen - zerstört. In Sisak hat ein zweimaliger Brand der dortigen Raffinerie einen Schaden von 20 Millionen Dollar verursacht. Kombinate in Belisce wurden vollkommen zerstört, in Sibenik wurde die Aluminium-Industrie Vernichtet. Die Ernte in Ostslawonien konnte nicht eingebracht werden. Serben plünderten sowohl Unternehmen wie Privathäuser. „Das besonders Schreckliche an diesem Krieg ist die Tatsache, daß Armee Und Tschetniks auch Vor Krankenhäusern, Kindergärten und anderen Zivilobjekten nicht halt machen", so ein Augenzeuge zur FURCHE (siehe dazu auch Seite 4).

Präsident Tudjman verliert in der kroatischen Bevölkerung zunehmend an Vertrauen. Es kursiert der makabre Witz, wenn Tudjman einen Vertrag unterschreibe, dann laufen alle Bewohner von Osijek in den Keller. Zagreber hingegen verstehen die Versuche der Politiker, mit Waffenstillstandsabkommen ein paar Leben zu retten. Während der Ring um Vukovar immer enger wird, die Kämpfe um Dubrovnik einem neuen schrecklichen Höhepunkt zustreben, rätselt man in Zagreb über die „Bereitschaft" derTudjman-Riege, in Geheimvereinbarungen durch Gebietszugeständnisse den Serben entgegenzukommen. Viele Kroaten klagen, daß für den Osten des Landes nichts getan werde. Dies deute darauf hin, daß man Ostslawonien aufgegeben habe. „Die beste Lösung"-so ein Gesprächspartner aus Zagreb - „wäre die internationale Anerkennung Kroatiens, dann könnten wir endlich Verhandlungen über die Auflösung Jugoslawiens und über neue Formen der Zusammenarbeit aufnehmen."

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