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Kronprinz Sanjai
Die antiindische Orientierung des neuen Regimes im Nachbarstaat Bangladesch gab der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi den Vorwand für eine entscheidende Regierungsveränderung. Sie selbst übernahm das Verteidigungsministerium und sie berief den starken Mann, den Exekutor des Ausnahmezustandes, Bansila 1, an ihre Seite ins Unionskabinett.
Die antiindische Orientierung des neuen Regimes im Nachbarstaat Bangladesch gab der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi den Vorwand für eine entscheidende Regierungsveränderung. Sie selbst übernahm das Verteidigungsministerium und sie berief den starken Mann, den Exekutor des Ausnahmezustandes, Bansila 1, an ihre Seite ins Unionskabinett.
Vor den 600 Millionen Menschen der Union steht sie nun nicht nur als die Landesmutter, sondern auch als Schützerin vor vielen Feinden da. Vor der indischen Armee, die sich, getreu ihrer englischen Abfcunift und Tradition, bisher strikt unpolitisch gehalten hat, steht sie als die Verkörperung der neuen, der politischen Macht.
Zur neuen Konzentration der totalen Macht gehört der neue Kabinett-minister, Bansi Lal. In seinem Provinzstaat, Haryana, ist er als der rücksichtslose Einpeitscher einer Industrialisierung mit Hilfe billigster Arbeitskraft bekannt, im ganzen Land als einer der Exekutoren des Ausnahmezustandes. Er ist einer der engsten Freunde und ein Gefolgsmann des ehrgeizigen Sohnes der Indira Gandhi, ihres „Kronprinzen“.
Weder unter den Freunden noch unter den Feinden der Indira Gandhi zweifelt man heute — nach fünf Monaten des Ausnahmezustandes —, daß diese Tochter des Jawaharlal Nehru nicht nur ihre totale Macht, sondern auch die Nachfolge ihres Sohnes Sanjai sichern will. „Die Dynastie Nehru“ ist ein geflügelter, doch heimlich zugeraunter Satz.
Indiens Pro-Kopf-Einkommen steht auf der vierten Stelle der Weltliste — von oben. Indien hat die stärkste Armee Asiens, moderner als die chinesische Armee, und auf asiatischen Territorien nur der sowjetischen unterlegen. Indiens Rüstungsindustrie hat, inmitten des
Industrie- und Wirtschaftschaos, internationale Anerkennung erworben. Zum Teil unter der Administration des Provinzmillionärs Shukla, der heute Presseminister und Chefzensor ist, aufgebaut, erzeugt sie fast alle schweren Waffen, Kriegsschiffe, Panzer, MIGs. Nur die neuesten MIG-Typen und die fortgeschrittensten wissenschaftlichen Geräte kommen noch aus der UdSSR — neben den Produktionslizenzen für den Rest.
Indiens Polizei wurde seit 1971, dem Sieg über Pakistan, um eine Anzahl paramilitärischer Elitebrigaden erweitert und das Polizeibudget stieg in dieser Zeit um fast 100 Prozent. Da die konstitutionellen Föderativrechte der 22 Bundesstaaten durch den Ausnahmezustand aufgehaben sind, und Indira Gandhi die Chefminister der Bundesstaaten wie ihre Statthalter ein- und absetzt, kommen auch die bundesstaatlichen Polizeigewalten in ihre Hände. Sie verfügt schon neben der zwangsläufig willfährigen Armee über die größte Polizeimacht im nichtkommunistischen Asien. Diese Macht-und Waffenkonzentration sucht sich natürlich ihre Ziele, innen und außen.
Das offizielle Indien streitet Interventionspläne in Bangladesch pausenlos ab. Und es erscheint auch unwahrscheinlich, daß Indien einen offenen Konflikt vom Zaun brechen will. Doch die Presse der moskaukommunistischen Partei, regimeloyal und dennoch kontrolliert, liest sich wie die deutsche Presse 1939. Und unter den proindischen Partisanen des Tiger Siddikim in Bangladesch sollen mehr als zweihundert indische Freiwillige gefangengenommen worden sein.
Einer offenen Demonstration der Macht ist nur die Rücksicht auf die arabischen Staaten im Weg. Indien weiß zu gut, daß fast alle arabischen Staaten, ohne Unterschied der Ideologie, die Rückkehr von Bangladesch aus dem Säkularismus in die Bruderschaft des Staatsislams unterstützen. Die Aufnahme in Libyen der Mörder des inddenfreundlichen Präsidenten des vergangenen Regimes
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