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Kuba: Fidel Castro im alten Fahrwasser

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Für die pompösen Panamerikanischen Spiele, die im August in Havanna und Santiago de Cuba stattfinden, hat Kuba seine letzten Mittel zusammengekratzt. Mit dieser Anstrengung ist die von den osteuropäischen Hilfen abgeschnittene Zuckerinsel am Ende. Dann halten nur noch der Dollar bringende Tourismus und eiserne Kontrolle die anachronistisch gewordene Revolution am Leben.

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Für die pompösen Panamerikanischen Spiele, die im August in Havanna und Santiago de Cuba stattfinden, hat Kuba seine letzten Mittel zusammengekratzt. Mit dieser Anstrengung ist die von den osteuropäischen Hilfen abgeschnittene Zuckerinsel am Ende. Dann halten nur noch der Dollar bringende Tourismus und eiserne Kontrolle die anachronistisch gewordene Revolution am Leben.

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„Null-Option" ist das Motto, unter dem Fidel Castro die Maßnahmen zusammenfaßt, mit denen er die Wirtschaft Kubas nach dem Zerfall des realen Sozialismus in Osteuropa verplant. Keine Rede ist von einer Öffnung in Richtung „freier Markt", die noch zu Beginn der achtziger Jahre der Bevölkemg große Erleichterungen inmitten einer auf den Export (in den COMECON) einiger weniger Produkte setzenden Planwirtschaft gebracht hatte. Castro - verschreckt von den kleinen Gewinnen selbständiger Bauern und Händler - setzte mit einer „Rectificacion" auf radikale Egalität und beendete Mas liberale Experiment bereits 1986.

Jetzt verordnet Castro seinen vor jedem Geschäft um die letzten Produkte schlangestehenden Landesleute eine „revolutionäre" Wirtschaftsidee, die so neu nicht ist: Da die Basis der Landwirtschaft, die Zuckerrohr-Monokulturen, nicht mehr zu halten ist, wird auf Gemüsebau umgestellt. Da Energie zur Mangelware geworden ist, greift man dabei auf Handarbeit zurück.

Die Arbeitseinsätze, natürlich freiwilliger Natur, dauern innerhalb dieses „Plan Agro-alimentario" 45 Tage bis zwei Jahre. In den Einsatz fährt man neuerdings mit dem Fahrrad (ein chinesisches Importprodukt, das weder Katzenaugen noch Scheinwerfer hat, und deshalb nachts zum Leben gefährdenden Gerät wird).

Die Arbeitskräfte rekrutieren sich aus Studenten, Städtern und ehemaligen Afrika-Kämpfern. Letztere finden nach ihrer Rückkehr zwar viele Ehrungen, aber keine Arbeitsplätze vor, weil Kuba die Industrieproduktion zurückgeschraubt hat. (So wurde etwa in der Leichtindustrie die Produktion gedrosselt -was doppelt Energie spart: wer keinen Kühlschrank oder Ventilator herstellt, spart bei der Produktion in der Fabrik wie auch bei der Nichtbenutzung dieser Geräte im Haushalt...)

Frustrierte Bevölkerung

Für schwere Arbeiten in der Landwirtschaft läßt Castro neuerdings Ochsen züchten. Dem Volk legte er diese Benzinsparmethode mit dem Satz nahe: „Bisher habe wir für die Tiere arbeiten müssen, jetzt aber lassen wir die Tiere für uns arbeiten!" (Rede vom 17. Mai 1991).

Zum erste Male in der 33 Jahre alt gewordenen Revolution machen sich die frustrierten Bürger über solche Sprüche Castros, der den Fruchtwechsel als Bodenpflege ebenso entdeckt hat wie besagte Ochsen als Zugtiere, lustig. Das „ordene" im überall prangenden Kampfslogan „Comandante en Jefe ordene!", „Führer, befiehl!", erhielt neuerdings das Tilde-Zeichen, sodaß der Spruch sinngemäß zu „Führer, melk uns lieber die Kühe!" wird.

Viel weiter gehen allerdings die Proteste der zermürbten Kubaner nicht, denn Castro hat wohl aus der DDR-Entwicklung gelernt, daß bereits die kleinste Demonstration im Keim erstickt werden muß. Als Ventil gibt es die Ausreise: Wer über 30 ist und ein Besucherticket aus Miami überwiesen bekommt (wobei Kuba 900 Dollar kassiert), kann fahren - ohne zurückkommen zu müssen.

Devisen bringt also nur noch der Tourismus. Was seinerzeit als eine von mehreren Optionen der Öffnung gedacht war, wurde nach der „Rectificacion" und dem Aus im Ostblock die Hauptdevisenquelle. An die 300.000 Touristen kommen (davon 12.000 aus Österreich) jährlich ins Land, um Sonne und Meer zu genießen oder an Konferenzen teilzunehmen. Alles Billigarrangements; die Touristen bezahlen dann im Land für jedes Extra mit Dollar. Dafür schwelgen sie im Luxus, der heute für die Kubaner nicht erreichbar ist: Sie fahren in den funkelnagelneuen Mercedes-Touristen-Taxis, genießen jene Rum-Drinks, die Hemingway berühmt gemacht hat und finden im ausgezeichneten Hotelspeiseplan auch Hummergerichte.

So wurden 1990 300 Millionen Dollar erwirtschaftet, und für den Fremdenverkehr läßt Kuba für Bauarbeiten sogar ausländische Firmen ins Land (während für die Bevölkerung kaum Baumaterial, geschweige denn Farbe fürs Anstreichen zu haben ist).

Überwachung funktioniert

Castros puritanische Revolution, einst auch gegen die „Hure Havanna" gerichtet, in der die Amerikaner all das trieben, was in den USA als verpönt galt, wird im Tourismus vollends anachronistisch: Jetzt können sich Ausländer auch blutjunger Prostituierter bedienen, deren Arbeit ohi\e Duldung der Behörden nicht möglich wäre... Obendrein schafft der Fremdenverkehr eine Apartheid besonderer Art -nämlich die der neben den prassenden Touristen schlecht lebenden eigenen Bevölkerung.

An solchen Widersprüchen muß Castro endgültig scheitern.

Wenn auch der Überwachungsapparat (noch) funktioniert, die informierten Kader wissen um das Ende des Weges Fidel Castros. Wohl deshalb hat der Commandante en Jefe schon 1989 ein Exempel statuiert, um vor allem die Armee zu warnen: Der „kubanische Rommel", General Ochoa, ein beliebter und tüchtiger Troupier während der Einsätze in Afrika, wurde 1989nach einem Schauprozeß erschossen - Castros Richter hatten ihm Rauschgiftschmuggel vorgeworfen.

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