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Kuchen backen

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Frauen in der Kirche sind Laien. Sie teilen Erfahrungen, die auch Männer als Laien machen. Dennoch ist es für ein differenziertes Verständnis des Laienstandes notwendig, sich in die Situation weiblicher Laien gesondert hineinzuversetzen.

Oberflächlich gesehen stimmt es für unser Land, daß Frauen die treueren Kirchenglieder und verläßlicheren Gottesdienstbesucher sind. Viele Pfarren leben heute überwiegend vom Engagement der Frauen, die in Verkündigung und Liturgie, in der Sakramen-tenpastoral, im Wohnviertelapo-stolat, in sozialen und karitativen Dienste^ in Aufgaben für Missi-

ons- und Entwicklungshilfe, in der Verwaltung, in Haus- und Putzdiensten — vor allem ehrenamtlich und unbezahlt — tätig sind. Darüber hinaus arbeiten zahlreiche Frauen hauptamtlich in der Kirche: im Religionsunterricht, in der Gemeindekatechese, in Liturgie, Verkündigung und Pastoralen Diensten, in der Jugend- und Erwachsenenbildung und so weiter.

Wir müssen aber auch feststellen, daß trotz der großen Bereitschaft zu Identifikation und Mitarbeit, Frauen auf Distanz zur Kirche gehen, sie teilweise oder ganz, lautlos oder auch unter Protest, verlassen. Das kommt von der Säkularisierung, hört man dann oft. Aber ist es nicht normal, daß sich die Glaubens- und Lebenspraxis von Frauen verändert, wenn die gesellschaftliche Entwicklung die Stellung der Frau einem tiefgreifenden Wandel unterworfen und Frauen zu einer

neuen Auffassung ihrer Identität geführt hat?

Frauen können das in ihnen erwachte Selbstbewußtsein, ihre Verantwortlichkeit, ihren

Wunsch nach Authentizität und Selbständigkeit nicht am Portal der Kirche niederlegen. Sie können nicht mehr in der Ambivalenz von Gleichwertigkeit und Unterordnung in der Kirche weiterleben, verharrend/ausharrend in der zwiespältigen Situation zwischen Eva unten, dem Urbild der Verführung, und Maria oben, dem unerreichbaren Vorbild.

Papst Johannes XXIII. hat bereits 1963 in seiner Enzyklika „Pa-cem in terris“ die Tatsache, daß die Frau „sich immer mehr ihrer Menschenwürde bewußt wird und teilnimmt am öffentlichen Leben“, als Zeichen der Zeit gewertet. Er stellte die in allen gesellschaftlichen Schichten, in allen Völkern, Kulturen und Religionen zu beobachtende Entwicklung zur vollen Gleichberechtigung der Frau und ihre Teilhabe und Mitverantwortung in allen Bereichen des Lebens nicht nur als gesellschaftlich bedeutsame Veränderung fest, sondern als ein „Zeichen“, durch das Gott in der Geschichte unserer Zeit wirkt und gläubige Antwort verlangt.

Die Emanzipationsbewegung der Frauen — von der Papst Johannes so prophetisch sprach — stellt sich heute als eine in hohem Maße geschlossene und ganzheitliche Bewegung dar. Frauen weisen nicht nur auf die männliche Dominanz in Gesellschaft und Kirche hin, sie wollen auch nicht nur mehr Rechte und Positionen für Frauen erreichen, sondern sie versuchen, andere Werte und Lebensformen als die des Patriarchats zur Geltung zu bringen.

Das heißt, um ein Beispiel von Dorothee Solle aufzugreifen: Frauen wollen nicht nur einen größeren Anteil am bestehenden Kuchen; es geht ihnen auch nicht darum, daß einzelne von ihnen vermehrt Rosinen und Schokola-

desplitter in eine bestehende Kuchenmasse streuen dürfen. Es geht nun darum, daß Frauen und Männer gemeinsam neue Kuchen bak-ken..

Um auch in der Kirche die Partnerschaft von Frauen und Männern neu gestalten zu können, lassen sich zunächst viele Frauen auf den Prozeß des „Sich-selber-Fin-dens“ ein. Sie versuchen sich selbst zu entdecken und anzunehmen — mit ihren Wünschen, Ängsten, Freuden und Hoffnungen, mit ihrem Leib und ihrer Seele, ihrer Phantasie und ihrer Vernunft.

Dabei kommen der verstärkten Auseinandersetzung mit biblischen Frauengestalten, den „weiblichen“ Aspekten des Gottesbildes und einer von weiblichen Erfahrungen geprägten Theologie große Bedeutung zu. Auch eine Sprache und Sprachkultur, die Frauen einbezieht, ist

erforderlich und zu entfalten. Ebenso ist die Anerkennung der Tatsache notwendig, daß nur ein Drittel des Erwachsenenlebens einer Frau voll von der Aufgabe des Mutterseins ausgefüllt wird.

Aber auch die Männer sind gefordert. Sie sollen weibliches Besinnen und Verändern zulassen. Sie müssen sich aber vor allem um ein fundamentales Besinnen und Verändern ihrer eigenen Person mühen. Frauen in der Kirche ist es ein Anliegen, daß Männer — um mit dem Bild des Exodus zu sprechen — nicht bei den Fleischtöpfen und in der Sklaverei Ägyptens zurückbleiben, sondern sich ebenso aufmachen in das Land, wo Milch und Honig fließt, wo Menschen — Männer wie Frauen — eine Gemeinschaft bilden, die uns Jesus mit dem Reich Gottes angekündigt hat.

Die Autorin ist stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

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