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Küng & Kreisky

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Zum Schluß dürfte vor allem „Hausherr“ Bruno Kreisky befriedigt gewesen sein. Einem Auditorium, wie es in Zahl und Schichtung nur der Wunschtraum jedes Politikers sein konnte, hatte Hans Küng gerade noch zum Schluß, als sich die Reihen schon lichteten, versichert, daß auch ein Christ Sozialist sein könne.

Geärgert dürften sich zunächst, schon vor Beginn, alle jene haben, die sich dann vom Kanzler sagen lassen mußten, daß ja sonst niemand auf die Idee gekommen sei, den Tübinger Theologen einzuladen und ihn zur brisanten Frage, ob Gott existiere, sprechen zu lassen. Denn daß diese Frage, daß die Person des Vortragenden eine Einladung wert gewesen wäre - das hätte man auch andernorts wissen müssen, auch wenn die Veranstalter nun selbst über den Erfolg ihrer Einladung erstaunt waren.

Befremdet waren dann wohl alle jene - auffallend viele Geistliche saßen unter den Zuhörern, viele wohl ostentativ im Kollar, die sich von einem katholischen Theologen auch an der Heiligen Schrift orientierte Ausführungen zur Gottesfrage erwartet hätten. Pfarrer Bla-sche artikulierte für sie die Frage nach Christus. Denn Küng hatte ein fulminantes philosophisches Bild der Entwicklung von Atheismus und Agnostizimus gezeichnet, herausgewachsen aus der Wissenschaftsfeindlichkeit der Kirche von der beginnenden Neuzeit bis in unsere Zeit hinein, mit Zitaten von Leibnitz über Marx bis Marcuse gespickt. Er hatte begründet, warum der Skeptiker an der Existenz Gottes zweifeln könne - und warum der Gläubige ebenso berechtigt an die Existenz Gottes glauben könne, wenn er das Vertrauen zum Glauben aufbringe. Mit diesem Glauben aber werde die Welt erst im Letzten sinnvoll.

Aber im ganzen Vortrag kam der

Name Christus nur in der letzten Passage, gleichsam am Rande, einmal vor. Die Frage, wie Gottes Sohn in dieses Bild einzupassen wäre, blieb - von Küng - ungestellt und unbeantwortet. Was die Heilige Schrift, die Kirchenväter zu sagen hatten, blieb unerwähnt.

Küng antwortete auf Blasches Frage, er habe einen Gottesbegriff zeichnen wollen, der nicht nur dem Christen zugänglich wäre, um die gemeinsame Basis deutlich zu machen. Einverstanden - aber hat er sich dabei nicht zu sehr von der einladenden Institution beeinflussen lassen? Hat er nicht bedacht, daß sein Publikum - durchaus im Sinn der Einladenden - nicht vorwiegend aus Agnostikern und Atheisten bestehen würde? Daß in der Wiener Hofburg der Name Hans Küng doch wohl auch eine ganze Reihe Zuhörer anlocken würde, die sich von ihm eine Bestätigung ihres vorhandenen Glaubens erwarten würden?

Oder sieht Hans Küng seine Aufgabe vor allem darin, den Fernstehenden den Rückweg zu Gott zu öffnen? Im Sinn des Evangeliums vom schwarzen Schaf? Wie immer es gemeint war, die Schlußfolgerung konnten - hoffentlich alle unterschreiben: Gott existiert, meinte Küng. Man könne auch als Mensch des 20. Jahrhunderts durchaus an Gott glauben vielleicht leichter als vor Jahrzehnten. Man könne geradezu für wahre Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, für Humanität, Liberalität und soziale Gerechtigkeit sein, weil man an Gott glaubt.

Man gewann das Bild eines grandiosen Philosophen, eines tiefgläubigen Menschen, bemüht, seinen Glauben an Gott auch seinen Mitmenschen mitzuteüen. Man begann aber auch zu verstehen, warum die deutschen Bischöfe mit ihm in Konflikt geraten sind.

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