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Küng fragt die Lutheraner

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Der Tübinger Theologe Hans Küng ist in den vergangenen > Jahren mit seinen Ansichten vielfach auf Widerstand gestoßen - auch dort, wo er kritische Fragen an die katholische Kirche richtet, um der Wiedervereinigung im Glauben zu dienen. Nun formulierte er in einem Vortrag in Leipzig ebenso provokante Fragen an die evangelischen Christen. Hans Wiede berichtete darüber im Pressedienst des Lutherischen Weltbundes.

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Der Tübinger Theologe Hans Küng ist in den vergangenen > Jahren mit seinen Ansichten vielfach auf Widerstand gestoßen - auch dort, wo er kritische Fragen an die katholische Kirche richtet, um der Wiedervereinigung im Glauben zu dienen. Nun formulierte er in einem Vortrag in Leipzig ebenso provokante Fragen an die evangelischen Christen. Hans Wiede berichtete darüber im Pressedienst des Lutherischen Weltbundes.

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Als einen ersten Punkt, in dem seine Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil dem Anliegen Martin Luthers und der reformatorischen Kirchen entgegengekommen sei, bezeichnete der katholische Theologe die neue Hochschätzung der Heiligen Schrift. Es werde heute besser und mehr von der Schrift her gepredigt, es würden moderne Ubersetzungen verwendet, die Schriftlesungen in den Gottesdiensten seien reformiert; auch die Liturgie und Katechese würden deutlicher von der Schrift her gestaltet.

Auf der anderen Seite müsse er die evangelische Kirche fragen, ob sie bereit sei, ihrerseits der katholischen Kirche in der Verwirklichung „berechtigter katholischer Anliegen“ entgegenzukommen, zum Beispiel in einer entsprechenden Hochschätzung des biblisch begründeten Sakraments. Für jeden Katholiken sei es nach wie vor ein Ärgernis, wenn Evangelische das Abendmahl als Anhängsel an den Gemeindegottesdienst und damit nur für einen kleinen Kreis feierten.

Martin Luthers Anliegen, „echter Volksgottesdienst“, sei in der katholischen Kirche Wirklichkeit geworden. Es gäbe kaum noch lateinisch gesprochene Liturgien. Küng fragt daher die Kirchen der Reformation, ob sie ihrerseits das von den Reformatoren neu entdeckte „Priestertum aller Gläubigen“ in die Tat umsetzen, für die Jugend geeignete Gebetstexte, Choräle, Liturgien und überhaupt neue Gebete schaffen und damit die Aktivität der Gemeinde im Gottesdienst unterstreichen wollten. „Noch immer spricht der evangelische Pfarrer zu seinem eigenen Gebet selbst das Amen!“

Nach Ansicht Küngs ist in der katholischen Kirche inzwischen auch eine echte Aufwertung der Laienschaft erfolgt, so wie Luther es gewollt hat. Laien besäßen ein wachsendes Selbstbewußtsein, arbeiteten aktiv mit und seien in Pfarräten, Synoden und Seelsorgeräten vertreten. „Leidet nicht aber die evangelische Kirche noch immer an einem individualistischen Heilsverständnis, aus dem heraus die einzelnen ihre konkrete Gemeinde weithin vernachlässigen?“ Eine freiwillige aber gewisse Mindestteilnahme der evangelischen Laien am Gottesdienst gebe es nicht: „Warum wagt man das nicht zu fordern?“

Auch die Ortskirche, die Gemeinde als Kirche, würde seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stärker betont, erklärt Hans Küng. Nationale Bischofskonferenzen und Synoden hätten auf katholischer Seite zu einer praktischen Dezentralisierung geholfen, schon lange würde nicht mehr alles „von Rom diktiert“ werden. Hätten andererseits aber die Evangelischen mit ihrer Aufsplitterung in eigengesetzliche Landeskirchen nicht übertrieben? Nach Küngs Auffassung sollten sie ihren Provinzialismus überwinden und etwas von der „katholischen Weite“ lernen.

Auf katholischer Seite habe eine deutliche Reform der Volksfrömmigkeit, auch der Fastenvorschriften, stattgefunden. Das Andachtswesen sei durch die Konzentration auf die Eucharistiefeier von selber zurückgedrängt, ein neuer Sinn für die Ursprünge des Glaubens, für die Bibel gefunden und ein Gespür für die großen humanen und sozialen Anliegen wach geworden. Die evangelischen Kirchen müßten sich fragen lassen, ob ihre „hochgestochene Konzentration auf das Wesentliche“ nicht „eine überzogene intellektuali-stische Reduktion“ zur Folge hätten. Ob die Ablehnung des Symbolischen, Bildhaften und Volkstümlichen sich nicht intellektualisierend und rationalisierend ausgewirkt habe.

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