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Künstler sind gläubig

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FURCHE: Wie kam es zu Ihrer Tätigkeit im “Rat der Erzdiözese Wien für Kunst und Kultur“?

ROBERT LETTNER: Ich wurde eingeladen, weil ich bis Mitte der siebziger Jahre dem Kreis um die Galerie nächst St. Stephan angehörte. Monsignore Otto Mauer hatte mich geholt, die Galerie hat meine Interessen vertreten und ich habe die Interessen der Galerie vertreten. Wenn jetzt von seiten der Kirche das Bedürfnis besteht, eine Galerie aufzumachen mit dem Charakter der Galerie nächst St. Stephan, dann bin ich daran interessiert.

Bei den vorbereitenden Sitzungen für die Konstituierung des “Kunstrates“ habe ich nicht viel Stellung beziehen können, denn es standen immer wieder organisatorische Fragen im Vordergrund. Es ging weniger um schöpferische Fragen, manche Künstler, die ich nur am Rande kenne, meinten, Weihbischof Krenn sollte ein Machtwort sprechen hinsichtlich künftiger Perspektiven. Weihbischof Krenn hat dazu - meiner Meinung nach sehr umsichtig - gesagt, so etwas könne man nicht erzwingen, so etwas müsse sich entwickeln, die Aufgabe der Kirche könne es nur sein, solche Entwicklungen zu fördern.

Die Bedürfnisse der Kirche in dieser Frage müßten klar formuliert werden. Nach Otto Mauer hat sich die Kirche nicht um die bildende Kunst gekümmert.

FURCHE: In welcher Weise sollte sich die Kirche Ihrer Meinung nach um die Kunst kümmern?

LETTNER: Es wird nicht funktionieren, wenn man sagt, wir haben ein Ohr für die Künstler, die’ Künstler sollen zu uns kommen, wir werden sie anhören und dann etwas machen - niemand wird kommen. Was ich in die Diskussion eingebracht habe, war, daß ein Dialog stattfinden muß zwischen Kirche und Kirnst, zwischen Kirchenleuten und Künstlern und daraus für unser Land und für die internationale Kunst wichtige Aspekte sich entwickeln sollen.

FURCHE: Meinen Sie nicht, daß zuerst innerhalb der Kirche Gesprächspartner der Künstler zu suchen wären, die es derzeit fast nicht gibt?

LETTNER: Das stimmt sicher, man weiß ja wie Otto Mauer die österreichische Kunstszene überhaupt beeinfluß hat, etwa Arnulf Rainer Er hat die Künstler betreut, sich mit ihnen auseinandergesetzt undsieauch starkbeeinflußt. Er hat praktisch eine Generation von Künstlern geführt und begleitet. Ich meine, daß Künstler sehr gläubige Menschen sind - wenn das anders wäre, könnten sie keine Kunst schaffen. Die Kirche hat aber nie gewußt, was das für ein Glaube ist, Otto Mauer hat das gewußt.

Es wäre naiv zu meinen, die Künstler kommen von selbst, weder ökonomisch noch moralisch braucht man hier im Westen die Kirche. Aber die Künstler sind sozial am schwächsten und daher opportunistisch - sie glauben einfach an das Kapital. Da wäre von seiten der Kirche eine Stütze notwendig.

FURCHE: Glauben Sie, wenn unter den Mitgliedern des “Kunstrates“ mehr schöpf erische Menschen wären, daß dieser dann seine Auf gar be besser erfüllen könnte?

LETTNER: Weihbischof Krenn scheint die Situation klar zu sein. Innerhalb der Kirche müßte von den Theologen, nicht von den Funktionären, die Gewichtigkeit dieser Fragen erkannt werden. Wichtig ist, daß sich die Kirche wirklich kritisch auseinandersetzt. Der Beitrag der Kirche ist auch dann schöpferisch, wenn sie Widerstand leistet.

Freilich wäre es auch interessant, wenn sich künstlerische Werke mit den religiösen, theologischen Fragen auseinandersetzen würden. Wahrscheinlich ist da die Begriffs klärung aber sehr schwierig. Zum Beispiel ist der Begriff “Kosmos“ im Grunde religiös, aber vermutlich ist es nicht leicht, dies für den Betrachter verständlich und einleuchtend gestalterisch umzusetzen.

FURCHE: Es gibt zwei Wettbewerbe im kirchlichen Bereich, den “Otto Mauer-Preis“ und die “Geist und Form“-Wettbewerbe der Katholischen Hochschulgemeinde.

LETTNER: Ich finde den Otto Mauer-Preis bis jetzt falsch verstanden. Otto Mauer hat Menschen beeinflußt, Künstler, die heute eine Bedeutung haben. Die Preisträger dieses Wettbewerbes setzen sich aber nicht mit inhaltlichen Fragen auseinander, es ist ein Wettbewerb wie jeder andere, denn es geht in erster Linie ums Formale, ums Ästhetische. Da der Künstler in dem vorhin erwähnten Sinn ein gläubiger Mensch ist, sollte dies auch zum Tragen kommen. Wenn man heute wirklich den Dialog beispielsweise um Sinnbilder führt, dann ist es sehr wichtig, daß sich dieser bildnerisch niederschlägt. Das muß erkannt und gefördert werden.

Robert Lettner ist Maler und Graphiker und betreut die Zentralwerkstätten Graphik-Druck an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Mit ihm sprach Leonore Kambosek.

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