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Kuhhandel um Bosnien-Herzegowina

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Machen die Vertreter „Großkroatiens" mit jenen „Großserbiens" auf der Londoner Jugoslawien-Friedenskonferenz diese Woche gemeinsame Sache und teilen Bosnien-Herzegowina auf? Kann diese Teilung Voraussetzung für ein Schweigen der Waffen sein? Dann bliebe die Gerechtigkeit auf der Strecke.

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Machen die Vertreter „Großkroatiens" mit jenen „Großserbiens" auf der Londoner Jugoslawien-Friedenskonferenz diese Woche gemeinsame Sache und teilen Bosnien-Herzegowina auf? Kann diese Teilung Voraussetzung für ein Schweigen der Waffen sein? Dann bliebe die Gerechtigkeit auf der Strecke.

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„Wir sind gegen einen militärischen Beistand der UNO, wir sind selbst in der Lage, den Frieden in Bosnien abzusichern." Mit solch großen Worten wandte sich unlängst Mate Boban, selbsternannter,.Präsident" der in Bosnien liegenden „Republik Herzeg" an seine kroatischen Landsleute. Der Kroatenführer ließ bei einem TV-Auftritt die Katze aus dem Sack: Bösniens Präsident Alija Izetbegovic und seine Clique seien eigentlich islamische Fundamentalisten, mit denen man nichts zu tun haben möchte.

Die Kroaten Bosniens wollen auch eine eigene Republik. Man könne diese auch Kanton nennen, jedenfalls fordere man die gleichen autonomen Rechte, wie sie die Serben verlangten. Mate Boban brachte den Vorschlag, daß nun die Zeit gekommen sei, nicht weiter zu kämpfen, sondern Friedenswillen zu zeigen. Dabei sollte der derzeitige Status quo auf dem Kampffeld als „vorläufige Grenze" für die Kan-tonisierung Bosniens dienen.

In Sarajewo verstand man schnell, wie man diese Worte zu interpretieren hatte. Auch in Serbien und Montenegro reagierten die Medien sofort auf

die Äußerungen des Kroatenführers. Denn Boban und seine „Kroatischen Verteidigungskräfte" (HVO) halten das Hinterland von Dubrovnik, den südlichen Teil Herzegowinas, seit Wochen in ihren Händen. In verlustreichen Schlachten hatten sie es letztlich „von den serbischen Aggressoren zurückerobert" - mit Hilfe Zagrebs.

Wenngleich das offizielle Zagreb stets beteuerte, man hege keine Absicht, Bosnien in drei Kantone zu teilen, die Grenzen des jungen Staates seien unantastbar, so verstummte das seit Monaten laufende Gerücht keinesfalls, das von „geheimen Teilungsplänen" der Serben und Kroaten wissen wollte.

Geheimverhandlungen

Slowenische Zeitungen behaupteten, ihrem Geheimdienst seien Pläne in die Hände gefallen, nach denen die Kroaten ein Drittel des Territoriums Bosniens für sich beanspruchten und den Serben ohne weiteres zwei Drittel überlassen würden. Beide Seiten - hieß es - würden pausenlos Geheimverhandlungen über die Köpfe der Moslems hinweg führen, ihnen maximal zehn Prozent des bosnischen Territoriums in Aussicht stellen, obwohl die Moslems 43 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Anzeichen für die Teilungspläne gibt es mehrere. Obwohl seit vergangener Woche (siehe FURCHE 34, Seite 6) in Bosnien eine eigene Landeswährung im Umlauf ist, der bosnische Dinar, so gilt in der „Republik Herzeg" ausschließlich der kroatische Dinar, in den okkupierten Gebieten der Serben der alte Dinar Jugoslawiens. Außer

in Sarajewo wehen nirgends bosnische Fahnen. Die kroatische „Republik Herzeg" mit der neu erkorenen Hauptstadt Mostar strahlt keine bosnischen Fernseh- und Radioprogramme mehr aus, außer kroatischen Zeitungen werden keine anderen Publikationen mehr geduldet, das Telefonnetz wurde an Kroatien angeschlossen, als „Paß" gelten provisorische kroatische Kennkarten. In den letzten Wochen wurden zahlreiche Hilfstransporte von der kroatischen Adriaküste, die für Sarajewo bestimmt waren, nicht nur von serbischen Freischärlern gestoppt, sondern auch von kroatischen Kämpfern, die die Hilfsgüter nach Mostar umleiteten.

Kroatiens Präsident Franjo Tudj-man nannte vor kurzem seinen Amtskollegen Izetbegovic" einen Fundamentalisten, mit dem es schwer sei, „gerechte Lösungen auszuhandeln". Bei dieser Gelegenheit verteidigte Tudjman die Geheimgespräche mit Serbiens Präsidenten Slobodan Milosevic vom Juli des Vorjahres, bei denen lange vor Ausbruch des Krieges in Bosnien Gedankenspiele ausgeheckt wurden, den damals völkerrechtlich noch nicht anerkannten Staat in drei „historisch begründete Kantone" aufzuteilen.

Als Ende 1991 der damalige Kroatenführer in Bosnien, Stjepan Klujid, vor einem solchen Kuhhandel mit den Serben warnte, wurde er von Zagreb kurzerhand abgesetzt. An seine Stelle trat Mate Boban - kein Unbekannter. Er war bereits vor zwei Jahren bei den ersten Mehrparteienwahlen in Jugoslawien mit Forderungen nach einem Großkroatien aufgetreten.

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