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Kult und Magie

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Eineinhalb Autostunden von Wien liegt Schwarzenau im Waldviertel und sein Wahrzeichen, ein Schloß, das mit der Ausstellung „Kult & Magie" (bis 28. Oktober 1990) erstmals zugänglich gemacht wird. Inmitten der wunderbaren Einöde dieser Region sollen Städ- ter und Touristen eine 3 0 Millionen Schilling teure optische Darbietung von Gedanken über ein aktuelles Thema besuchen - eine Ausstellung, die sich „Erlebnis" (was die Gestal- tung betrifft) und „eine Reise durch die Welt des geheimen Wissens" (was die Inhalte betrifft) nennt.

Esoterik, das Modewort der spä- ten achtziger Jahre, das der „Du- den" mit „Geheimlehre" übersetzt, scheint den aktuellen Anlaß für die Ausstellung vorgegeben zu haben. Nach einem kurzen Spaziergang durch den prächtigen, restaurier- ten Park entdeckt man am Ein- gang, mit Blick auf den kleinen Hof des Anwesens, den größten esoteri- schen Buchladen dieser Welt. Für die Dauer der Ausstellung wird Literatur zur Thematik angeboten: Literatur über eine entmateriali- sierte Welt im neuen Zeitalter, über die Kraft der Seele und des positi- ven Denkens, Wissenschaftliches und Pseudowissenschaftliches, Rat- geber in allen Lebenslagen.

Freilich, der Eintrittspreis könn- te den Besucher wieder auf die Erde zurückholen. Er beträgt immerhin 135 Schilling. Er könnte auch den Skeptiker, der sich über die Sinn- haftigkeit der Trenderscheinung Esoterik nicht im klaren ist, sich aber auf das Wagnis einläßt, weil man ja nichts von vornherein ab- lehnen sollte, abschrecken. Allent- halben siegt dann aber die Neugier, denn „Kult & Magie" soll grundle- gendes Wissen als Hintergrund der gesellschaftlichen Mode vermitteln: Uber Alchemie, Wahrsagerei, Woodoo-Mythen in Afrika, Scha- «lanismus, ägyptische und tibeti- sche Tempel und vieles mehr.

Der Rundgang, oder, wie es heißt, die „Reise" durch einzelne Statio- nen, beginnt mit einer Überra- schung: Erklärende Texte werden in jedem Raum über ein Tonband von einer Frauenstimme gespro- chen. Dahinter macht sich eine Geräuschkulisse bemerkbar: Was hier Musik zur Ausstellung genannt wird, schleicht sich aber als Mi- schung akustischer Reize mit äu- ßerster Penetranz in die Gehörwin- dungen des Besuchers. Während man den kecken Trommelwirbel zur Untermalung des Woodoo-Zaubers noch relativ gut verträgt, möchte man in der „Lichtwoge" mit Video- installationen, die positive Nach- richten von anderen Sternen ver- mitteln, aufgrund der im Hinter- grund spielenden Popschnulze „I was born in the Star" die Ausstel- lung am liebsten fluchtartig verlas- sen.

Zuvor darf sich das Auge noch an zahlreichen Showelementen wei- den: Kleine Scheinwerfer beleuch- ten, offenbar automatisch gelenkt und vorprogrammiert, die freilich nur zum Teil echten Exponate in meist dunklen Räumen, während die Stimme aus dem Hintergrund darüber spricht. Die übrigen Aus- stellungsstücke des jeweiligen Raumes bleiben dabei vorderhand im Dunkeln. Die multimediale Kommunikation zwischen Gestal- ter und Besucher ist zum Scheitern verurteilt, weil optische wie aku- stische Reize für sich zu stark sind, um ein Nebeneinander zuzulassen.

Man beachtet entweder die Stim- me oder die Musik oder die be- leuchteten Exponate, aber niemals alles gleichzeitig.

Die durchaus interessante Raum- gestaltung mehrerer phantasierei- cher Bühnenbildner verliert da- durch an Ausdruckskraft. Der er- ste Raum zeigt etwa die kosmische Beziehung zwischen Himmel und Erde. Im oberen Teil dieses Saales ist das Sternbild des Skorpions nachgebaut, unten befindet sich eine energetisch geladene Steinfor- mation in Form des Sternbildes Skorpion, die sich original in Kaut- zen im Waldviertel befindet. Damit soll der jahrhundertelange Glaube der Menschheit, der Geist entspre- che der Erde, angedeutet werden. Im nächsten Saal führt die Ausstel- lung unvermittelt ans Ende der Welt. Das Ende des Materialismus, wie der Titel lautet, wird durch ein effekthaschendes, apokalyptisches Szenario mit Donnergrollen, Blitz und Erdbeben und einer Videoin- stallation, über die ein Nachrich- tensprecher von Katastrophen re- det, dargestellt.

Die Schau wird nun immer deut- licher zu einer theatralischen Dar- bietung von bruchstückhaften Gedanken, einer Kolportage, der es am einheitlichen Konzept fehlt. Sie führt beinahe willkürlich von der Apokalypse in einen „schamani- schen Erfahrungsraum", der durch eine sogenannte schamanische Spirale, die zur „Aufladung" und „energetischen Reinigung" des Menschen dient, dominiert wird. Dieser erste schön gestaltete Saal zeigt nachdrücklich, daß manche Bühnenbildner unabhängig von der diffusen Gesamtkonzeption ein eigenes kleines Kunstwerk geschaf- fen haben. Dazu zählen sicher auch der darauffolgende Raum mit dem Titel „Die Welt als göttliche Bühne im rituellen Theater", der ein indo- nesisches Schattenspiel als das äl- teste Kino der Welt präsentiert und der schöne tibetische Gompa, ein Tempel-Innenraum, mit Akribie nachgebaut, mit Wandteppichen und kostbaren Klangmuscheln und mit dem Maitreya (Freund) in der Mitte des Saales, der nach der Pro- phezeiung Buddhas seine Lehre vervollkommnen wird und nicht im klassischen Lotossitz dargestellt ist, weil er sich sofort erheben wird.

Die Reise in die europäische Al- chemie und Magie des Mittelalters schließt sich qualitativ in allen Details an.

Die Kulte der Zivilisation mit Auto, Sport, Parfüm und Ikonen der Film- und Fernsehkultur, wie Alf, dem sympathischen, kindge- rechten Außerirdischen zum Ku- scheln und Batman sind dagegen wieder nur bruchstückhaft symbo- lisiert. Eine 30 Meter lange Röhre mit spiralenförmig angelegten Glühbirnen soll den Lebensweg verdeutlichen. Diese Ausstattung erinnert an einen schlechten Scien- ce Fiction-Film.

Man hebt danach gewisserma- ßen ab und wird nach nur einer Zwischenstation wieder auf die Erde geholt. Ein armseliger Ballon zeigt unseren Planeten und offen- bart neuerlich die qualitativen Kon- traste der Ausstellung.

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