6930064-1982_25_17.jpg
Digital In Arbeit

Kultur aus dem Glauben

Werbung
Werbung
Werbung

Ausgangspunkt aller Fragen, die sich der gläubige Christ gegenüber dem Kulturleben zu stellen hat, wird sinnvollerweise eine Analyse des gegenwärtigen Zu-standes sein müssen. Ansgar Paus spricht von der Notwendigkeit eines „krisenempfindlichen Beobachters”. Ein solches analytisches Verhalten sollte, meines Erachtens, bewirken:

# Schutz vor retrospektiver Flucht und damit vor einem Kulturpessimismus aus reinem Konservativismus

• Schutz vor neuen modernistischen Zwängen und Konformitätsdruck

# Schutz vor einem neuen, das Christentum grundsätzlich nicht mehr berührenden Kulturdogmatismus

# Schutz vor ungeprüften Euphorien des Modernismus

• Schutz vor Kulturverzicht und Passivität weiter Kreise.

Alles in allem geht es um das Erkennen einer kulturellen Entwicklung, die Ansgar Paus wörtlich als „moralisch unverbindlich und folgenlos bleibend” bezeichnet. Der Christ wird die Frage nach dem großen „Kontinuitätsbruch” zwischen Kirche und Kultur, Glaube und Kultur stellen müssen.

Die Analyse des Zustandes stellt, meines Erachtens, eine erste unverzichtbare Grundproblematik, der nachzuspüren ist, dar. Eine zweite Grundfrage scheint sich zwingend für eine Katholikentagsveranstaltung zu stellen. Sie könnte etwa folgendermaßen umrissen werden: Wie ist die gläubige Existenz des Christen mit dem kulturellen Tun wieder in Ubereinstimmung zu bringen?

Gertrud Fussenegger spricht von der Profilierung des christlichen Glaubens und der christlichen Welterfahrung auch in den Werken der Kunst und von der Notwendigkeit einer neuen „kulturellen Gestalt-Werdung der Kirche”. Dazu wäre zu sagen, daß immer noch eine kulturelle Gestalt und Form der Kirche vorhanden ist. Sie erscheint jedoch zu sehr der Vergangenheit verhaftet und statisch. Das Vorhandensein jenes kulturellen Potentials ist ohne Zweifel ein großes geistiges Kapital, es wird aber noch nicht deutlich genug als Startkapital in eine immer neue Zukunft verstanden.

Die aktuelle Bedeutung der hohen Kulturtradition der Kirche wird oft leichtfertig in Frage gestellt und vielleicht ist auch darum das Schwächemoment so deutlich, daß die Kirche dazu „verurteilt” scheint, nicht weiter schöpfend oder neu-kreativ, verbindlich und von den Menschen angenommen, das kulturelle Gestalt-Werden und Gestalt-Sein erfüllen zu können.

In seiner Ansprache an Kulturschaffende, Künstler und Journalisten sprach in München Papst /Johannes Paul II. davon, daß die Kirche in ein neues Verhältnis zu Kultur und Kunst ohne Enge und Ängstlichkeit treten müsse, und dazu apostrophierte er eine neue Partnerschaft in Dialog und Freiheit. Es geht also, will der Katholikentag seine Aufgabe diesbezüglich erfüllen, um das geforderte neue Verhältnis zu Kultur und Kunst.

Das eigentliche Thema der Kirche ist der Mensch. Dies wird beglückend in allen theologischen Entwicklungen und Fragen sichtbar, zugleich aber auch erkennbar in den oft bedrückenden kontro-versiellen Auseinandersetzungen. Unübersehbar muß dem wachen Christen auffallen, daß es um einen Menschen geht, der in einer praktisch in allen Fundamenten erschütterten Welt lebt. Somit wird es zur ernsten Frage, ob Kultur und Kunst, wie sie sich heute oft darstellen, nicht zum Verlust der Fundamente und tragenden Säulen beitragen. Auch das Thema von Kultur und Kunst ist letztlich der Mensch.

Die Überlegungen auf dem Katholikentag haben daher auch nach den theologischen Grundpositionen auf kulturellem Gebiet zu fragen. Die christlichen Wurzeln aller Kultur im besonderen sollten wieder bewußt gemacht werden.

Dabei ist selbstverständlich der gegebene Meinungs- und Wertpluralismus nicht zu übersehen.

„Somit wird es zur ernsten Frage, ob Kultur und Kunst nicht zum Verlust der tragenden Elemente und Säulen beitragen”

Das elementar Christliche aber wird sich als hoffnungsstiftendes Angebot zu erweisen haben.

Kultur wäre auch zu sehen als Hoffnungs-Konstituante für einen die Generationen verbindenden Prozeß. Die österreichischen Kulturgespräche 1981 in Salzburg beschäftigten sich mit der Frage der sogenannten Jugendkultur. Aus dem Bandprotokoll der Plenums-Diskussion sei zitiert: „Ich muß Kompromisse schließen, um zu überleben. Wie weit kann ich mich anpassen, ohne dabei geistig zu sterben?... Man weiß nur, was man nicht will, nicht aber, was man will.”

Solches erweist, meiner Meinung, auch die, Notwendigkeit der ernsten Fragestellung nach den heute gegebenen Gegen- und

Subkulturen, vorhandenen Protesthaltungen und daraus sich ergebenden Unsicherheiten.

Endlich ist das Phänomen eines gewissen neuen religiösen Erwachens, neben und häufig gegen die etablierten Kirchen zu sehen, zu erforschen und zu hinterfragen. Neue religiöse Gemeinschaften haben völlig neue Phänomene einer religiös kulturellen Ausformung oft mit bedrohlichen und zerstörerischen Konsequenzen produziert. Welche, .Kultur” wird hiedurch konstituiert? Ein pseur do-religiöser Fanatismus schafft offensichtlich Zwänge, Unfreiheiten, die den Menschen häufig nach den Vorstellungen unseres christlichen Menschenbildes nicht mehr kulturfähig machen. Auch dieser Komplex sollte bearbeitet werden.

Das Papier „Gaudium et spes” wäre zu durchforsten. Die darin gefundenen Erkenntnisse gerade für den kulturellen Bereich wären erst noch umzusetzen. Neue Anregungen aus den neuen Erfahrungen der Gegenwart wären zu geben. Tradition und Avantgarde stehen heute beziehungslos einander gegenüber. Als Christ bloß ä la mode zu sein, ist ebenso untauglich wie zu wenig. Die Erkenntnis wäre durchzusetzen, daß der Glaube auch in unserer Zeit für das kulturelle Suchen, Verhalten und Gestalten nicht suspendiert werden darf.

Darum stellt sich die Generalfrage nach der Mitwirkung des Christlichen als Auftrag für und im kulturellen Leben. Es geht um die Neumobilisierung unseres geistigen Anteiles. Die Alterna-tiv-Szenen scheinen am Ende ihres Lateins. Sie transportieren in Literatur und Bildender Kunst allzu deutlich bloß menschliche .Defizite. Es geht um christliche Hilfen für die noch nicht gefundenen wirklichen Alternativen.

Ohne Zweifel geht es daher auch um die Stimulation zur Wiedergeburt der Schönen Literatur aus christlich existentiellem Denken. Die Kultur der Sprache selbst wie ihre Inhalte scheint bedroht. Das Suchen nach der Gotteserfahrung ist deutlich, die Hilflosigkeit aber noch viel exemplarischer, wenn man etwa bei Elias Canetti, Nobel-Preisträger für Literatur, nebeneinander liest: „Gott ist der größte Hochmut des Menschen; und wenn er ihn gesühnt hat, wird er nie einen größeren Hochmut finden”, und dann „Der Gottesglaube hat etwas für

„Das Suchen nach der Gotteserfahrung ist deutlich, die Hilflosigkeit aber noch viel exemplarischer”^

.sich, das schwer wiegt: man glaubt an die Existenz eines Wesens, das nicht zu töten ist, auch durch die bösesten Bemühungen nicht”

Frei zitiert sei hier wiedergegeben, was Professor Berglar, Köln, als christlichen Kulturauftrag bezeichnet hat: „Uberall auf der Welt, koste es was es wolle, ist das Johannes-Evangelium gegen Or-wells 4984' zu vertreten.” Dies scheint mir ein .zentrales Wort zu sein.

1982 ist für die Steiermark das Jahr des Gedenkens an den am 20. Jänner vor 200 Jahren geborenen Erzherzog Johann, den „steirischen Prinzen” (S. 23). Ihm, seinem Leben und seinem Wirken für die Steiermark sind auch alle Illustrationen dieser FURCHE-Sonderbeilage gewidmet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung