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Kultur im „Lentia 2000”

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Seit der Gründung der Neuen Galerie der Stadt Linz im Juni 1947 sind 32 Jahre vergangen. Das Institut, das in seinem zweiten Namen auf den Initiator dieses1 Museums, den aus Berlin stammenden Kunsthändler, Verleger und Sammler Wolfgang Gurlitt (1888-1965) hinweist, eröffnete am 28. September dieses Jahres seine neuen, nach modernsten Gesichtspunkten gestalteten Räumlichkeiten im Hochhaus „Lentia 2000”.

Abgesehen von vertraglichen Verpflichtungen mit dem Bund und der notorischen Raumenge im ehemaligen Gebäude .der Kunsthochschule am Hauptplatz, war der schon seit langem bestehende Wunsch nach einer adäquaten Unterkunft für die über Österreichs Grenzen hinaus bekannte Galerie der wichtigste Grund für die nunmehr abgeschlossene Übersiedlung. Neues Domizil des Wolfgang-Gurlitt-Museums ist der in Urfahr gelegene, zehn Gehminuten vom Linzer Hauptplatz entfernte Hochhauskomplex des Lentia 2000. Die Neue Galerie befindet sich dort in der ersten Etage als Nachbar eines großen Oberstufenrealgymnasiums inmitten eines von etwa 1500 Personen bewohnten Wohn- und Geschäftskomplexes.

Sieht man von der sehr beachtlichen Vergrößerung unserer Räumlichkeiten von 700 auf nunmehr 3000 Quadratmeter und ihrer perfekten technischen Einrichtung ab, so erweist sich die getroffene Lösung gerade unter den zuletzt genannten soziologischen Gesichtspunkten als neuartig und interessant. Der in den letzten Jahren von verschiedenster Seite gemachte Vorschlag einer sinn- und wirkungsvollen Einbindung kultureller Einrichtungen in neue, expandierende Stadtteile wurde in Linz jedenfalls in die Praxis umgesetzt.

Abgesehen von den wesentlich verbesserten innerbetrieblichen Notwendigkeiten wie Depots, Werkstätten, Büroräume und Lastenauf zug, umfaßt das neue Raum- und Funktionsprogramm zahlreiche Einrichtungen, die zweifellos dazu beitragen werden, dem Publikum den Zugang zur Kunst unserer Zeit zu erleichtern.

Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang ein für Vorträge, Lesungen, Film- und Videovorführungen, Diskussionen, Workshops, Kindermalaktionen und kleinere Aufführungen vielseitig verwendbarer Mehrzwecksaal. Er fungiert als Zentrum der erläuternden Begleitprogramme zu den Sammlungsbeständen und Sonderausstellungen. Ganz auf der Linie fundierter Wissensvermittlung und eines deutlich verbesserten Service liegt auch der neugeschaffene Studiensaal für Graphik mit der ihm angeschlossenen Bibliothek und Katalogsammlung. Hier können sich Schüler- und Studentengruppen sowie Einzelpersonen die wertvollen Originale unserer 2500 Blätter umfassenden graphischen Bestände vorlegen lassen (Aquarelle, Zeichnungen, Radierungen, Lithographien usw.).

Neben einem großen Verkaufstisch für Kataloge, Kunstpostkarten und Plakate im geräumigen Eingangs- und Empfangsbereich erwarten den Besucher der von Fritz Gof- fitzer in gleicher Weise funktionsgerecht wie ästhetisch anspruchsvoll gestalteten Galerie Aufenthalts- und Lesezonen, ein Automatenbuffet sowie spezifische Vorkehrungen für Rollstuhlfahrer.

Um dem Publikum hinsichtlich der Besuchsmöglichkeiten noch mehr als bisher entgegenzukommen, hält die Neue Galerie zusätzlich zu den Öffnungszeiten an Samstagen von 10 bis 13 Uhr und den anderen Wochentagen von 10 bis 18 Uhr nun auch jeden Donnerstag durchgehend von 10 bis 22 Uhr offen.

Daß wir daran Hoffnungen knüpfen und im Zusammenwirken mit unseren neuen Einrichtungen sowie den vorhin kurz umrissenen Maßnahmen zum soliden Grundstock eines interessierten und aufgeschlossenen Stammpublikums neue Freunde hinzugewinnen wollen, liegt auf der Hand. Um dieses Ziel zu erreichen, soll vor allem die Zusammenarbeit mit den Schulen, die erfreulicherweise in einigen Fällen schon sehr gut funktioniert, und diversen Einrichtungen der Erwachsenenbildung verstärkt werden.

Belebung und Bereicherung der kulturellen Szene erwarten wir aber auch von jenem Prozeß voranschreitender Bewußtseinsbildung und kultureller Selbstfindung, der auf eine noch stärkere Aktivierung der Bürger dieser Stadt und ihrer vielen auswärtigen Freunde im Sinne eines in zeitgemäßer Weise modifizierten Mäzenatentums gerichtet ist Umreißt man Bestände und Aktivitäten unseres Hauses in Verbindung mit den gerade in den letzten Jahren erzielten Steigerungsquoten und Verbesserungen, so scheint das gesteckte Plansoll erreichbar. Nahezu 600 Objekte der Malerei, Graphik und Plastik des 19. und 20. Jahrhunderts, 2500 Graphiken, der 600 Blätter umfassende Kubin-Fundus sowie die erst jüngst erfolgte Stiftung von Erika und Karl Rössing ergeben einen nach Qualität und Umfang ausgezeichnet zusammengetragenen Bestand, der in Verbindung mit den zumeist international ausgerichteten Ausstellungen die Grundlage kontinuierlicher Weiterarbeit bildet.

Das Spektrum bekannter Namen, die in der Neuen Galerie der Stadt Linz - in vielen Fällen sogar mit Hauptwerken - vertreten sind, reicht von Liebermann, Slevogt, Trübner, Romako, Corinth, Kokoschka, Schiele, Klimt, Pechstein, Thöny, Egger- Lienz und Nolde über die Maler der Zwischenkriegszeit bis zur Szene nach 1945.

Ihr gilt das besondere Interesse unserer Sammeltätigkeit, obwohl die budgetäre Lage bei Ankäufen empfindliche Schranken setzt und die Berücksichtigung der internationalen Entwicklungsverläufe und Tendenzen meist nur auf dem Sektor der Druckgraphik zuläßt. Trotzdem konnten auch hier informative Ensembles mit erstrangigen Graphiken auf den Gebieten des Informel (Tä- pies, Pasmore), der angloamerikani- schen Pop Art (Warhol, Rauschenberg, Dine, Rosenquist, Paolozzi, Hamilton, Hockney, Tilson und Lichtenstein) und der Konkreten Kunst bzw. Geometrischen Abstraktion erworben werden..

Besonders innerhalb der abstrakten Malerei und Objektkunst gibt es darüber hinaus auch größere Unikate, darunter Gemälde von Schumacher, Dahmen, Baumeister, Herbert Bayer, Villalba, Dieter Roth, Wardy, Kassak und Nay.

Plastik und Objektkunst sind u. a. mit repräsentativen, typischen Werken von Luginbühl, Caro, Rinke und Christo vertreten, die österreichische Malerei und Graphik der sechziger und siebziger Jahre mit Arbeiten na hezu aller maßgebenden Künstler. Ein umfassender Sammlungskatalog mit mehr als 550 Abbildungen (darunter 160 in Farbe) liegt nun als informative Visitenkarte und Nachschlagewerk vor.

Das offene, durch die Aktivitäten der öffentlichen Hand zielführend begünstigte kulturelle Klima in Linz und Oberösterreich hat in den letzten Jahren u. a. zum Bau des Brucknerhauses, zu einem regen Konzert- und Ausstellungsbetrieb, zur Adaptierung des Landeskulturzentrums im Ursulinenhof, zu Kulturtagen in nahezu allen Gemeinden, zur internationalen Freilichtschau moderner Plastik unter dem Titel „Forum Metall” und zu der erst vor wenigen Wochen durchgeführten „ars electroni- ca” geführt. Die neue Heimstätte des Wolfgang-Gurlitt-Museums im Lentia 2000 setzt diese Bemühungen akzentuiert als verstärkte Herausforderung an alle kulturell Interessierten fort.

(Der, Autor leitet die Neue Galerie der Stadt Linz)

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