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Kultur in Niederösterreich: Das Stichwort heißt „Dezentralisierung“

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Wenn Niederösterreich in absehbarer Zeit tatsächlich eine eigene Hauptstadt erhält, wie dies aufgrund des Ergebnisses der Volksbefragung am 1. und 2. März anzunehmen ist, dann dürfte dies auch mit neuen Akzenten in der Kulturpolitik verbunden sein. Dennoch sollte die niederösterreichische Kulturpolitik, so meint Kultursprecher LAbg. August Breininger zu diesem Thema, auch weiterhin das Konzept der Dezentralisierung, nämlich des Hinausgehens zu den Menschen in den Regionen, weiterverfolgen. Gerade dieses Konzept war in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich und hat zur Entfaltung unzähliger kultureller Initiativen in Niederösterreich geführt. Kulturpolitik wird selbstverständlich in erster Linie von seiten des Landes betrieben, aber keineswegs ausschließlich, sondern die Kulturförderung wird von vielen Stellen, nicht zuletzt auch aus dem Bereich der Wirtschaft, wahrgenommen.

Mit August Breininger, von Beruf Buchhändler in Baden, ist erstmals seit 1945 ein Unternehmer Kultursprecher der ÖVP-Fraktion im Niederösterreichischen Landtag. Auch damit wurde wohl die enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Kultur signalisiert. Dennoch meint gerade er, daß trotz der starken Wechselbeziehungen und der „Umwegrentabilität“ der Kultur, insbesondere im Bereich der Fremdenverkeh rswi rtschaf t, die Kultur ein eigenständiger Wert ist und daß es somit verfehlt wäre, kulturpolitische Initiativen und kulturelle Werte mit ihrer Umwegrentabilität entschuldigen zu wollen. Vielmehr hat nach seiner Meinung die Kultur von sich aus den Anspruch, Geld kosten zu dürfen, weil sie ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft ist.

Besonders hebt Breininger hervor, daß sich vor allem im Bereich der bildenden Kunst in den letzten Jahren eine neue Philosophie entwickelt hat, nämlich wegzugehen von der Depotkunst und hinaus zu den Menschen, um damit Kunst an Orten der täglichen Begegnung zu präsentieren. So findet man Kunstwerke heute nicht nur in Banken und Versicherungen, sondern auch in der „Galerie in der Handelskammer“, aber auch in Gasthäusern und bei Heurigen, überall dort also, wo es leicht ist, Menschen im Alltag mit der Kunst zu konfrontieren. Eine solche Entwicklung gibt es auch in der Musik, wo sich in letzter Zeit Versuche, moderne Musik beim Heurigen vorzustellen - „Jazz goes to Heurigen“ - in Breiningers Heimatstadt Baden sehr bewährt haben.

Neben der schon traditionellen Förderung von Orchestern und kleinen Musikergruppen, insbesondere des „Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters“, wird von Seiten des Landes auch ganz bewußt die neue Musik gefördert, indem Kompositionsaufträge vergeben werden. Ein Beispiel dafür sind etwa die „Waldviertler Lieder“ Gottfried von Einems. Die klassische Kammermusik kommt aber ebenfalls zu Wort, so etwa, wenn ein Buchhändler wie Breininger selbst seine Autorenlesungen mit musikalischen Darbietungen umrahmt. Nicht wegzudenken aus dem Fremdenverkehr sind die Kurkonzerte in Niederösterreichs erfolgreichster und wichtigster Fremdenverkehrsgemeinde Baden, wo das Orchester des Badener Stadttheaters nicht nur die Operettenaufführungen zu bestreiten hat, sondern im Sommer auch für die Kurkonzerte zur Verfügung steht. Für eine besonders wichtige Zukunftsaufgabe hält Breininger die Pflege des. Musiklebens durch den Ausbau der Musikschulen in den Gemeinden, wo Qualität und Quantität eine bessere Dotierung dringend erforderlich machen.

Viele und vielfältige Ambitionen gibt es im Bereich der Literatur auf lokaler Ebene, aber auch im Bereich des Landes. So kauft das Land Niederösterreich immer wieder Bücher zeitgenössischer Autoren, insbesondere von niederösterreichischen Verlagen, an und gibt sie in Form von Bücherpaketen an die Schulen weiter. Dies gibt nicht nur den niederösterreichischen Verlagen wichtige Impulse, sondern stellt auch eine bedeutende Förderung für die Autoren dar. Bücherpakete gehen aber auch zum „Andersen-Tag“ an Kindergärten und Kinder in den Spitälern, wobei das Land bei den örtlichen Buchhändlern Jugendbücher erwirbt und an die kleinen Leser weitergibt.

Eine Attraktion, die die Erwartungen weit übertroffen hat, stellt der im Vorjahr eingeführte niederösterreichische Bücherbus dar, der auf Initiative Breiningers zustande gekommen ist und das Lesen in Niederösterreich in einem ganz enormen Ausmaß fördert. Aufgrund der Rundfahrten des Bücherbusses gehen monatlich Tausende Bestellungen bei den örtlichen Buchhändlern ein. Drei Träger haben sich in der „Arbeitsgemeinschaft Bücherbus“ zusammengefunden, nämlich der Buchklub der Jugend, der Landesschulrat für Niederösterreich und das niederösterreichische Landesgremium des Buchhandels. Ziel dieser Initiative ist nicht der direkte Verkauf von Büchern, sondern eine bessere Versorgung jener Gebiete, die vom Buchhandel her nur schwer erreicht werden können. Auch diesen Bücherbus sieht Breininger als Instrument einer dezentralen Kulturpolitik und als einen von vielen kleinen Schritten, die in ihrer Gesamtheit die niederösterreichische Kulturpolitik ergeben. Dazu gehören auch die sehr beliebten Autorenlesungen, die in Geldinstituten, Schulen und Bibliotheken und nicht zuletzt in Breiningers Buchhandlung selbst veranstaltet werden und die stets einen beachtlichen Publikumserfolg aufweisen können.

„Niederösterreichs Stärke ist die Vielfalt“, betont Breininger, „und das gilt ganz besonders auch in der Kulturpolitik. Daher muß die Kulturpolitik dezentral gestaltet werden, auch dann, wenn Niederösterreich eines Tages über eine eigene Hauptstadt verfügt.“ Die Kulturpolitik muß daher auch weiterhin darauf achten, daß der besonderen Eigenart der einzelnen Landesteile Rechnung getragen wird. Die kulturellen Initiativen in den Regionen müssen weiterhin sorgsam gepflegt werden, gleichzeitig sollte aber im Zuge der Errichtung einer eigenen niederösterreichischen Landeshauptstadt auch ein kultureller Schwerpunkt gesetzt werden. Dafür würde sich nach Meinung Breiningers seine Heimatstadt Baden anbieten, wobei die beiden bereits bestehenden Theater durch eine Musikhochschule oder ein Musikkonservatorium ergänzt werden könnten. Dafür könnte die bereits vorhandene pädagogische Akademie ausgebaut werden. Er hielte es für ein sehr vernünftiges und erfolgversprechendes Konzept, wenn etwa St. Pölten zum wirtschaftlichen Schwerpunkt ausgebaut wird, Krems eine eigene Universität erhält und Baden kulturelles Zentrum des Landes wird. Besonders wichtig wäre es nach seiner Meinung, wenn in Baden das schon vorhandene „Kreativzentrum“ ausgebaut werden könnte, wo kreative Menschen zur Weiterentwicklung des kulturellen Lebens in Niederösterreich beitragen sollen.

Information der

Handelskammer Niederösterreich

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