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Kulturkampf in Algerien
Von allen arabischen Staaten macht Algerien die wenigsten Schlagzeilen. Unter seiner scheinbar ruhigen Oberfläche wachsen jedoch Spannungen und nationale Konflikte.
Von allen arabischen Staaten macht Algerien die wenigsten Schlagzeilen. Unter seiner scheinbar ruhigen Oberfläche wachsen jedoch Spannungen und nationale Konflikte.
Seit der Wachablöse in der algerischen Führung nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Houari Boumedienne Ende 1978 hat man von Algerien fast nichts mehr gehört.
Nur einmal horchte die Welt auf: Als die Universität von Tizi-Ouzou in der Kabylei, rund 100 km östlich von Algier, im Mittelpunkt von Unruhen der Berber-Minderheit stand.
Seitdem sind wieder Jahre vergangen, doch hält die Unrast unter Algeriens Berbern an. In diesem Herbst mehren sich auch wieder die blutigen“ Zusammenstöße mit 50 und mehr Toten und Verletzten.
Die Nachrichten-Agenturen und selbst die algerische Regierungszeitung „Al-Mudschahed“ (Der Kämpfer) schweigen sich darüber aus.
Nur Radio Algier führt in seinen Lokalnachrichten die Opferbilanz ohne Angabe der Hintergründe.
Algeriens Berber, Nachkommen der alten nordafrikanischen Christen und als solche vom französischen Kolonialismus umworben, konnten zunächst auch nach der algerischen Unabhängigkeit von 1962 unter arabisch-islamischem Firnis ihre Eigenart weiter bewahren.
Traditionelle Großfamilie und Stammesverband blieben für sie wichtiger als die von Algier aus zentralistisch regierende Einheitspartei der früheren Nationalen Befreiungsfront FLN.
Inzwischen ist aus dem säkular-marxistischen Algerien seines ersten Präsidenten Ben Bella eine äußerst fromme Volksrepublik im Sinne des islamischen Fundamentalismus geworden.
Wo das Hochland der west-al-gerischen Salzseen vom Schott esch-Schergi in malerischen Stufen zum Mittelmeer abfällt, liegt das Berberstädtchen Tlemcen: ein Bahnhof, ein paar Fabriken, doch viele alte Moscheen und Derwischklöster.
Hier hatte vor 700 Jahren Abu Madian den „Schazilia“-Orden gegründet, der bis in die Zeit der Franzosen- und Italienerherrschaft hinein die Magrebländer von Mauritanien bis Libyen und auch noch die berberischen Küstenstriche und Oasen Westägyptens geprägt hat.
Noch der russenfreundliche, volksdemokratische Boumedienne trug - in magrebinischer Aussprache und französischer Schreibung - den Namen des Stifters der „Schazilia“, des „Nationalordens“ der Berber.
Die Demokratische Volksrepublik Algerien hatte nach dem erfolgreichen Freiheitskampf und unter dem Einfluß des Nasserismus auch Religion und Volksfrömmigkeit als reaktionären Ballast abzuschreiben versucht.
Darauf folgten Jahre größerer Toleranz, dann einer staatlichen Förderung des islamischen Kultus.
Für die Berber, mit ihrer von christlichen Restbeständen, oberflächlichen Anleihen aus dem Islam und vor allem sehr viel Individualismus gekennzeichneten Mischreligion, waren das die besten Zeiten.
Dazu kam, daß zwischen 1965 und 1975 auch die Parteiideologen der FLN in den Wohn-, Dorf- und Agrargemeinschaften der Berber ihr Vorbild für den vorübergehend in Algerien vertretenen freiwilligen „Kommunitäts-Kom-munismus“ zum Unterschied vom Staats- und Zwangskommunismus der Marxisten erblicken wollten.
Kampagne gegen Berber
Die Abschaffung des Sonntags in ganz Algerien und seine Ersetzung durch ein islamgerechtes Wochenende vom Donnerstag nachmittag bis Samstag vormittag im August 1976 war aber dann der Auftakt für die durchgreifende Re-Islamisierung des Landes.
Sie richtet sich fast ausschließlich gegen die religiösen und damit verbundenen Volkstums-Ei-
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Premier Bendjedid: Stärkere Hinwendung zum Islam (Viennareport) genheiten der Berber. In Tlemcen ist ihre „Schazilia“-Bruderschaft längst wieder zurückgedrängt. Das Gleiche gilt für den „Rahma-ni“-Orden in der Kabylei und die erst 1919 gegründeten Alauwis von Monstaganem bei Oran.
Neben der Re-Islamisierung fühlen sich Algeriens Berber von den jüngsten Regierungsmaßnahmen gegen die Bevölkerungsexplosion akut bedroht und in ihrem ethnischen Fortbestehen gefährdet.
Zur Zeit machen sie etwa 3 der insgesamt 22,6 Millionen Algerier aus. Künftig erhalten Berberfrauen aber nur mehr alle 33 Monate für ein neues Kind staatliche Fürsorge.
So soll die Minderheit möglichst klein gehalten werden, während die Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2000 fast 36 Millionen Köpfe betragen dürfte.
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