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KULTURSTADT LINZ IST BESSER ALS IHR RUF

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Linz ist besser als sein Ruf - das trifft auch auf Quantität wie Qualität des künstlerischen Angebotes der Stadt zu, die sich längst sehen lassen können. Unter den großen Veranstaltern nimmt das Landestheater eine dominierende Stellung ein. Schauspiel, Musiktheater, Ballett, aufgeteilt auf drei Bühnen - das Große Haus, die Kammerspiele, die aufgrund der Spielplangestaltung eigentlich als Kleines Haus bezeichnet werden sollten, und der Theaterkeller im Ursulinenhof -, stellen eine fortwährende künstlerische, technische und administrative Herausforderung dar.

Der Spielplan soll einerseits dem kulturellen Auftrag Rechnung tragen; andererseits Unterhaltung auf gehobenem Niveau bieten. Bildungstheater, wie es beispielsweise in dieser Saison mit der Wallenstein-Trilogie an einem Abend oder Aischylos' Tragödie „Die Perser" in überraschend guten Inszenierungen geboten wurde, muß einen Gegenwartsbezug haben. Wichtige Stücke aus verschiedenen dramatischen Epochen des Welttheaters, Stücke von Gegenwartsautoren -Thomas Baum, Gabriel Barylli, Barbara Frischmuth, Felix Mitterer, um nur einige Österreicher zu nennen -, haben ihren Platz.

Im Musiktheater gilt das Linzer Landestheater im deutschen Sprachraum als führend bei Uraufführungen von Opern und musikdramatischen Werken: „Der Aufstand" und „George Dandin" von Helmut Eder, „Don Perlimplin" von Balduin Sulzer oder das Musical „Die goldenen Zwanziger" von Fridolin Dallinger. Man darf gespannt sein, wie im April die Oper „Die Bakchantinnen" von Egon Wel-lesz, die seit der Wiener Uraufführung 1931 zum ersten Mal wieder in Österreich gezeigt wird, aufgenommen wird.

Verblüffend, aber nicht unerklärlich ist, daß neue oder noch nie gesehene Opern (Rossinis „Graf Ory", zum Beispiel) -, vom Publikum eher mit Begeisterung angenommen werden als vertraute Werke, die man womöglich in verklärter (Jugend) Erinnerung hat. Kassenfüllend sind nach wie vor Musicals -, Jesus Christ Superstar" oder „Linie 1" waren Superhits! - und die ewig jungen Operetten. Es gehört zur Verkaufsstrategie des Landestheaters, gängige Stücke als Köder für die Abonnenten anzubieten, um auch Raritäten bringen zu können.

Seit einer Reihe von Jahren wird in Linz auch beim Ballett kontinuierliche Aufbauarbeit geleistet. So gab es in jeder Saison mindestens einen Ballettabend in guter Mischung aus klassischem und modernem Ballett. Die beharrlichen Bemühungen kulminierten kürzlich in der bejubelten Premiere von Tschaikowskys „Nußknacker", wo bereits zusätzliche Aufführungen angesetzt werden mußten.

Obwohl die Statistik für die Spielzeit 1990/91 eine Gesamtzahl von 230.000 Besuchern einschließlich der „Abstecher" aufweist (Auslastung rund 70 Prozent), ist die Zahl der Besucher des Theaterkellers im Ursulinenhof rückläufig (Auslastung rund 63 Prozent). Daran ändern auch kulinarische Programme wie etwa die,,Lo-riot"- oder „Valentin"-Abende nichts. Vielleicht liegt es auch daran, daß es derzeit keine guten Stücke geben soll, für die der Theaterkeller als Studio-und Experimentierbühne ursprünglich gedacht war.

Rolle der Universität

Eine Ursache für mangelndes Interesse an „schwereren Brocken" beim Linzer Publikum hat meiner Meinung nach historische Gründe: Linz hat zwar seit 1966 eine Universität, ist aber noch keine Universitätsstadt geworden, da man die Johannes Kepler-Universität an die Peripherie gebaut hat und man dort Jus, Soziologie, Mathematik, Physik, Informatik und Chemie studieren kann, aber keine Geisteswissenschaften. Das ist nicht ohne Auswirkung auf das geistige und kulturelle Leben dieser Stadt. Die Studenten nehmen nicht daran teil.

Für Schüler, hauptsächlich der AHS, gibt es nicht nur Aufführungen, sondern auch Probenbesuche, Einführungen in die Arbeit hinter den Kulissen, Teilnahme an Rollenspielen und Märchenaufführungen, aber nach der Matura gehen sie als Theaterbesucher offenbar großteils verloren.

Wer weiß, welche Entwicklung das Geistesleben dieser Stadt genommen hätte, wenn Adalbert Stifter 1849 in seiner „Begutachtung des Vorschlages in Oberösterreich (...) eine Universität zu gründen", nicht zu einer Ablehnung gelangt wäre. Allgemein ist zu beobachten, daß man lieber in ein Abonnementkonzert ins Brucknerhaus geht als daß man sich im Theater mit Inhalten auseinandersetzt.

Das Einzugsgebiet der Landestheater-Vorstellungen reicht weit über die Landesgrenzen hinaus bis Passau, ins Waldviertel und bis Amstetten, wobei man unter neun verschiedenen Abonnements wählen kann.

Das Budget 1991/92 beträgt 200 Millionen Schilling, die zu je 50 Prozent von Stadt und Land kommen. Durch die Tätigkeit des (Theater-) Bruckner-Orchesters für Veranstaltungen der Stadt verschiebt sich dieser Schlüssel auf 25 zu 75 Prozent, außerdem stehen für das Orchester weitere 85 Millionen (aus Landesmitteln) zur Verfügung. Da das Landestheater eine künstlerische Durststrecke überwunden zu haben scheint, sollte die laufende Spielzeit eigentlich eine Einnahmensteigerung bringen.

Notwendiger Neubau

Immer schon war das Linzer Landestheater ein Sprungbrett für junge Talente, Romuald Pekny, Ernst Anders, Wolfgang Böck kamen von hier.

Entscheidend für die Feststellung, Linz sei besser als sein Ruf, wird im Herbst dieses Jahres die Weichenstellung für den Neubau des Musiktheaters sein. Aufgrund verbindlicher Erklärungen von Landeshauptmann Josef Ratzenböck und des neuen Landesrates für Kultur, Josef Pühringer, sollten nach jahrelangem Tauziehen zwischen Land und Stadt endlich jene Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Als ökonomisch wie künstlerisch optimale Lösung schwebt Intendant Roman Zeilinger eine Spartentrennung analog dem Grazer Modell vor: je eine Direktion für Schauspiel und Musiktheater mit einer übergeordneten Intendanz. Im Hinblick auf das 200-Jahr-Jubiläum des ehemals „landständischen Nationaltheaters" im Jahr 2003 ist die Neubau-Entscheidung dringend geboten.

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