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Der weltweite wirtschaftliche Strukturbereich, der in den siebziger Jahren einsetzte, machte auch vor der Kreditwirtschaft nicht halt. Die wichtigsten Stationen auf dem Weg der Abkehr von den hohen Wachstumsraten der späten sechziger und frühen siebziger Jahre waren der erste ölpreisschock 1973, die erste gravierende Nachkriegsrezession 1975, der zweite ölpreisschock 1979 mit anschließend tiefer Stagnation bis 1981/82 und die bis heute fortdauernde internationale Schuldenkrise.

Auf die internationale Kreditwirtschaft hatten diese Ereignisse

insofern nachhaltigen Einfluß, als infolge der genannten Ereignisse die Banken zur Globalisierung, Universalisierung und durchgreifenden Technisierung ihrer Geschäfte gezwungen wurden; darüberhinaus setzte auf breiter Basis eine Welle der Liberalisierung des Kreditwesens ein.

All dies führte bei uns in Österreich zu einer ganz erheblichen Verschärfung des Wettbewerbs. Er wurde im wesentlichen über Kampfkonditionen und neue Filialen geführt. Die Erträge blieben auf der Strecke, und in weiterer Folge kam es zu einer schrittweisen Aushöhlung der Substanz der Kreditwirtschaft.

Dieser Prozeß verlief aber nicht überall gleich: Nach einer Untersuchung der OECD blieb zum Beispiel die Eigenkapitalquote der Schweizer Großbanken zwischen 1964 und 1982 recht stabil (1964: sechs Prozent; 1982: 5,6 Prozent; das gleiche gilt auch für deutsche Großbanken (1968: 4,51 Prozent; 1982: 5,15 Prozent). In Österreich

hingegen sank die Eigenkapitalquote der großen Institute von immerhin 7,63 Prozent (1964) auf 2,21 Prozent (1982) ab; d.h. sie verringerte sich im Schnitt dieser Jahre um durchschnittlich 7 Prozent p. a. und liegt somit auf tiefstem internationalen Niveau.

Vor dem Hintergrund steigender Risken bei sinkenden Eigenkapitalquoten und angesichts der verstärkten internationalen Zusammenarbeit der Banken, Bankenaufsichtsbehörden und Zentralbank sah sich der Finanzminister schließlich zum Handeln gezwungen: Er kündigte eine Novelle zum Kreditwesengesetz 1979 an, in deren Zentrum die aus Gläubigerschutzgründen dringend erforderliche Erhöhung der Eigenkapitalausstattung der österreichischen Kreditwirtschaft steht. Konkret sollen künftig vier Prozent der Bilanzsummen als Eigenkapital eingezahlt sein. Bezogen auf den 31. 12. 1984 bedeutet dies, daß der österreichischen Kreditwirtschaft Eigenmittel in Höhe von 43 Milliarden Schilling fehlen (bei derzeit rund 75 Milliarden).

Es ist klar, daß die Mobilisierung derart großer Mittel die Kreditwirtschaft vor schwerwiegende Probleme stellt. Man muß sich nur vor Augen halten, daß z. B. im Jahr 1984 die gesamte Geldkapitalbildung bei Kreditinstituten 75,2 Milliarden Schilling betrug. Dazu kommen noch die Mittel für Rentenmarkttr ansaktionen, Käufe von Aktien, ausländischen Wertpapieren, Genußscheinen sowie die Prämienzahlungen für Lebensversicherungen.

i Insgesamt ist das anlagewillige Kapital also knapp und das wiederum bedeutet, daß die Kreditwirtschaft allein über den Weg der Außenfinanzierung, die nunmehr allen Kreditinstitutsgruppen wettbewerbsneutral eröffnet werden soll, das abzudeckende Fehlkapital nicht decken können wird, soll ein Verdrängen anderer Kapitalsuchender vermieden werden.

So muß sich die österreichische Kreditwirtschaft nolens volens auf eine nennenswerte und nachhaltige Verbesserung ihrer Innen-finanzierungskraft einrichten: Sie muß Eigenkapital in viel stärkerem Ausmaß als bisher über den Gewinn von innen zuführen. Auch hier ist ein Blick auf die Statistik ernüchternd und zur Hoffnung Anlaß gebend zugleich: Die Ertragskraft der österreichischen Kreditwirtschaft ist im internationalen Vergleich eindeutig schlecht. Die Kreditwirtschaft muß also ihre Ertragskraft steigern.

In diesem Zusammenhang wird man wohl auch die Preise für die bilanzindifferenten Dienstleistungsgeschäfte (z. B. In- und Auslandsverkehr, Wertpapier-kommissions- und Depotgeschäft) einer nüchternen kaufmännischen Diskussion neu unterziehen müssen. Es ist nicht einsichtig, warum gerade für die

Kreditwirtschaft das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit und des Verursacherprinzips nicht gelten soll, wo wir doch in allen anderen Wirtschaftsbereichen inklusive der öffentlichen Hand eine Abkehr von der These beliebig freier Güter und Ressourcen erleben.

Immer mehr bricht sich ja die Einsicht freie Bahn, daß der Nutzer von Gütern und Dienstleistungen die Kosten zu tragen hat, die er verursacht, und zwar über den Preis. Subventionierunge'n einzelner Banksparten, punktuelle Ausklammerungen von Kostenelementen aus dem Preis verzerren die wahren Knappheitsverhältnisse, Nutzen und Nachfrageverhältnisse. Sie führen zu einer betriebswirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Fehlloka-tion von Ressourcen.

Selbstverständlich kann dieser Prozeß nicht über Nacht sondern über Jahre vollzogen werden und soll auch die kostenbewußtere Inanspruchnahme von Dienstleistungen fördern. So wird derzeit für Österreich die direkte Kostendeckung durch Preise im Zahlungsverkehr mit unter 20 Prozent geschätzt, während sie in der BRD bei knapp 50 Prozent und in den USA bei über zwei Drittel liegt.

Aus all diesen Gründen — volks-wirtschaftlichen.bankwirtschaft-lichen und sozialpolitischen — sollte daher an einer ruhigen und sachlichen Diskussion der Preisfragen für Bankdienstleistungen nicht vorbeigegangen werden.

Der Autor ist Generaldirektor-Stellvertreter der Ersten österreichischen Spar-Casse-Bank.

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