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Kunst als Kanzel

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Toleranz und Achtung gegenüber dem Andersgläubigen sind Grundelemente der Ökumene und Voraussetzungen für die Akzeptierbarkeit meines Credo durch den „getrennten" Bruder. Toleranz, Achtung und Liebe aber fordern von mir als Katholiken ein profundes Studium der Religion sowohl meines Gesprächspartners als auch meiner eigenen zur Findung gemeinsamer Berührungspunkte.

So machte ich die Erfahrung, daß dort, wo oft das geschriebene Wort trennt, das gleiche Wort gezeichnet, eint. Das Bild läßt bis zu gegenteilige Interpretationen zu, ohne daß diese auch nur im geringsten falsch wären, ja sogar das Bild bereichern. Das Lichtbündel, das aus dem Punkt als Fenster aus der Ewigkeit strahlt, kann auch als Licht, das sich im Punkte konzentriert und in die Ewigkeit eingeht, interpretiert werden. Beides ist richtig.

Meine Schöpfungsspirale aus dem „Prolog"-Zyklus entwickelt sich aus dem Punkt. Ein evangelischer Reporter jedoch sagte zu mir: „Unwahrscheinlich, wie sich diese Spirale im Punkte verdichtet". In der gegenseitigen Annahme beider Interpretationen wurden wir beide reicher. So kann die Kunst des „gezeichneten" Wortes eine Basis der Begegnung werden - sie wird zur Kanzel gemeinsamer Predigten.

Anläßlich der Eröffnung meiner Prophetenausstellung im Tempel der Washington Hebrew Congregation segneten der Oberrabbiner Joshua Haber-man und der Erzbischof von Washington Kardinal William Baum'am 14. Oktober 1977 gemeinsam mit ausgestreckten Armen die anwesenden Juden und Christen. Die Segnung mit dem Kreuzzeichen würde uns getrennt haben, die Segnung mit Handauflegung aber einte uns (Gen 48, 14-20 Mt 19,13).

In Gedera, 30 Kilometer südlich von Tel Aviv steht mein Betonrelief-Denkmal „Bereschit Bara" (Im Anfang schuf). Es zeigt zwölf Gesichter und eine geöffnete, aufnahmebereite Hand für das Wort Gottes, symbolisiert durch den strahlenden Buchstaben „Beth", dem ersten der hebräischen Bibel. Die zwölf Gesichter repräsentieren ebenso die zwölf Stämme Israels wie die zwölf Apostel.

So sagte ein Rabbiner bei der feierlichen Enthüllung am 17. 4. 1975: „Dieses Monument stellt in seinem starken monotheistischen Charakter einen bedeutenden Schnittpunkt von Judentum und Christentum dar". Das gleiche Motiv, jedoch mit der „Sonnenhostie" stellt auch das Sgraffito am Pfarrhaus in Puchberg am Schneeberg dar (entstanden 1972).

Die Aussagen des Buches „Genesis" sind Glaubensgut der Juden, der Christen und der Moslems. So fertigte ich 1968 den Zyklus „Genesis" an und präsentierte diesen auch im „Beth Hage-fen", dem Arabisch-Christlich-Jüdischen Kulturhaus, in Haifa. (1970). Alle Koran-, Kloster- und Thoraschu-len von Haifa und Umgebung besuchten die Ausstellung, bzw. verlegten ihren Religionsunterricht dorthin. In Prag sagte ein Korrespondent anläßlich meiner „Apokalypse"-Ausstellung 1970 zu mir: „Wir beneiden Sie, denn Sie haben Antworten auf Fragen des Lebens, um die wir noch ringen".

Der 28-blättrige Zyklus „Ijob" wurde erstmals im „Beth Tanach", dem Bibelhaus in Tel Aviv am 29. April 1976 präsentiert. Ijob ist Symbol für alle Menschen, die unschuldig leidend nach dem „Warum" ihres Leidens fragen. In dieser biblischen Gestalt treffen sich Juden und Christen, Auschwitz und Lourdes, Prophetie (Isajas 53 - der leidende Gottesknecht) und Vollendung (Kreuzigung). In meiner Federzeichnung „Judas Thaddäus" tröstet der Apostel mit gespaltenem Schädel einen verzweifelten Christen.

Ein tiefes Erlebnis war denn auch die Eröffnung der „Ijob"Ausstellung in

der Wiener Schottenabtei am 18. Mai 1978 durch Oberrabbiner Prof. Akiba Eisenberg. Er bat die Besucher sich von den Sitzen zu erheben und eröffnete die Ausstellung mit einem Gebet. (Ehrenschutz: Kardinal Erzbischof Franz König, Erzbischof Mario Cagna, Apostolischer Nuntius in Wien und Oberrabbiner Prof. Akiba Eisenberg).

Für das Anliegen der Versöhnung im Geiste der Liebe stellte mir 1977 der Salzburger Erzbischof Karl Berg die Kollegien-(Universitäts)-Kirche zur Verfügung. Die unter der Kuppel in Kreisform um den Volksaltar ausgestellten 32 Bilder der Zyklen „Lied der Lieder" und „Johannesprolog" wurden zu einem Zeichen der Liebe Gottes im Alten und im Neuen Testament. Eine Liebe, die sich in der Hochzeit von Braut und Bräutigam, von Jahwe und Seinem Volke, von Christus und seiner Kirche, von Synagoga und Ecclesia vollendet.

1977 entstand der „Turm des Friedens" ein 65 Quadratmeter großes Sgraffito in der niederösterreichischen Stadt Eggenburg. In dieser Darstellung verschmelzen im himmlischen Gnadenstrom Judentum, Christentum und Islam zu einer künstlerischen Vision des Friedens kommender Tage gemäß der Prophezeihung Ezechiels (47,1-11).

In der gleichen Stadt fertigte ich im Westtrakt der Stadtpfarrkirche zwei weitere Sgraffiti an (1979): „Verklärung" und „Stärker als der Tod". Das erste stellt die alles verklärende Christussonne dar mit Moses, Elias und zwei Cheruben, die ihre Hände wie schützende Flügel über dem gotischen Portal halten. „Stärker als der Tod" ist ein Monument zu Ehren aller Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens in der NS-Zeit verfolgten Juden, Christen und anderen das Leben gerettet haben.

Die katholische Bauersfrau aus Grafenwörth in Niederösterreich, die 1945 meine jüdischen Freunde vor der Vernichtung im KZ Mauthausen mutig rettete war Inspiration zu diesem Werk. Einer der ganz Großen dieser Tage des Holocaust war Pater Maximilian Kolbe, der für die Bekehrung seiner Mörder betete, damit sie bekehrt an seiner Stelle für das Reich Gottes auf Erden arbeiten mögen. So rettet in meiner Kapelle in der Wiener Alserkirche P. Maximilian Kolbe in der Aureole Gottes und im Schöße Mariens aufgenommen, seinen SS-Mörder.

Für die St. Mary's Episcopal Cathe-dral in Edinburgh malte ich 1976 ein vier Quadratmeter großes Acrylge-mälde: Die Transfiguration des Elias. Die Himmelfahrt als Zustandsände-rung, als Transfiguration, wird vielleicht eines Tages eine Brücke sein zur Annahme des Dogmas der Himmelfahrt Mariens.

Der Universitätsseelsorger der Church of Scottland (presbyterianisch) The Rev. Fergus A. Smith, lud mich mit den Worten „Es ist höchste Zeit, daß wir den Balken im eigenen Auge sehen" ein, im Feber 1980 im Chaplaincy Centre der Universität von Edinburgh den Zyklus die „Bergpredigt" zu zeigen.

Ebenfalls 1980 - während meiner „Bergpredigf'-Festausstellung in der anglikanischen Pfarrkirche von Crediton (Südengland) malte ich als ökumenischen Beitrag zu den 1300-Jahresfeierlichkeiten der Geburt des hl. Boni-faz ein weiteres Acrylgemälde „St. Boniface of Crediton". Aus dem Wurzel-stumpf der abgehauenen Wotanseiche wächst ein neuer Seitentrieb empor, der die Figur des Heiligen durchdringt und über ihm zum Kreuz wird.

Der Stamm dieses Eichenkreuzes ist jedoch zerrissen - ebenso wie die Herzensmitte des hl. Bonifaz, der schmerzhaft aufschreit und mit Strahlen des Lichtes und der Gnade das gespaltene Kreuz, Zeichen für die getrennten Kirchen, zusammenbindet zu einem festen Stamm, der als geeintes Kreuz aufs neue erblüht.

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